Donnerstag, 28. Februar 2013

28. Februar- Burgos (ca. 21 Km)


Ich muss heute zuerst einmal über das sauteure Tagebuch schimpfen. 20€ hat es mich gekostet, die beiden Lesezeichen sind nach 4 Tagen abgefallen, die tolle Tasche für Dokumente oder so ist seit Längerem aufgerissen, so das fast alles herausfällt und der tolle Kunstledereinband oder was das darstellen soll, löst sich seit Beginn ab und jetzt fallen auch noch Seiten heraus. Na toll. Dabei behandele ich es sehr vorsichtig, verpacke es immer in einer großen Tüte, die ich mehrfach um das Buch wickeln kann und es hat immer einen Ehrenplatz an der Rückenwand des Rucksacks. Wenn ich den erwische, der die so überteuert verkauft…!

Heute früh wachte ich auf und wähnte mich am Lagerfeuer, so sehr hat der Ofen gestunken. Ungeduscht zog ich mich an und dann lief der komische Deutsche los. Ohne Rucksack, ohne Alles. Keine Ahnung, was der treibt und wo der wirklich herkommt. Dass er so krank geworden ist, wundert mich kaum, es hat bei Weitem nicht jede Herberge eine Decke, geschweige denn die Heizung an.

Heute ging es direkt zu Beginn über steinige Wege weit bergauf. Zumindest, nachdem wir gemerkt haben, dass wir falsch gelaufen sind und umdrehten. Große Steine lagen auf dem Weg und man musste wieder genau darauf achten, wo man die Füße hinsetzt. Irgendwann kamen wir oben am Berg an ein großes Kreuz, um das viele Steine lagen. Vermutlich wieder so eine Pilgertradition, dass jeder einen Stein dazulegt. Auf dem Boden in der Nähe lag eine riesige Steinschnecke aus weißen Steinen, sowie ein paar andere Motive. Hier hatten die Menschen eindeutig zu viel Zeit. Hier ist übrigens die Heimat der ersten Europäer, so sagt man. Hier sind wohl die ältesten Menschenknochen gefunden worden. 800.000 Jahre sollen die alt sein.
Wir liefen den ganzen Hügel wieder hinunter und kamen in ein Dorf, in dem sich eine berühmte Wandmalerei an einer Hauswand befindet. Ein Pilger, der ganz viel unnötiges Zeug mit sich herumschleppt und sich eigentlich nur das Chillen auf dem Sessel wünscht. Berühmt meint hier natürlich Jakobsweg- berühmt.
Hier machten wir Pause auf den Bänken und vor einer Bar saß ein wirklich süßer Hund, mit dem ich viel gespielt und geschmust habe.

Ein paar Km später mussten wir uns zwischen 2 Wegen entscheiden. Der eine Weg führte durch ein Industriegebiet und der Andere sollte 500m länger, aber viel schöner sein. Da anscheinend nur mein Buch genügend Informationen über diesen Weg bereithielt, waren Allan und ich die Einzigen, die ihn nahmen. Es ging über einen matschigen Sandweg und wir mussten teilweise im Feld laufen, um nicht unterzugehen. Besonders entspannt war das nicht, wurde aber nach etwa 2 Km besser. Wir liefen um einen Flugplatz herum und machten im Ort dahinter Siesta an einem Brunnen.
Dort mussten wir erst einmal herausfinden, wie man dem Brunnen das Wasser entlocken kann, bis wir durch Zufall einen Knopf auf dem Boden entdeckten, auf den man treten musste. Wir aßen Sonnenblumenkerne und unterhielten uns lange und gut. Da von hier aus ein anderer Weg nach Burgos ausgeschildert war als in meinem Buch beschrieben ist, folgten wir den Pfeilen, die uns entlang einer Hauptstraße nach Burgos hineinführten. Wir wissen nicht, ob er der Weg jetzt nicht vielleicht doch länger war oder nicht, besonders hübsch war er jedenfalls nicht. Vielleicht hätten wir uns doch den Weg, der noch ein bisschen durch die Natur ging, gönnen sollen. Aber uns taten die Füße weh und wir hofften, dass das hier die ultimative Abkürzung war.

Wir liefen durch Vororte und bald lange Strecken durch Burgos. Wir mussten zwischendurch fragen, wie weit es noch bis zur Kathedrale ist, denn wir hatten ohne mein Buch keine Ahnung, wie lange wir noch laufen mussten. Meine Füße taten so weh, dass ich es nicht mehr aushielt und etwa 2 Km vor dem Ziel die Stiefel ausziehen musste. Ich zog meine Crocs an und hing mir die schweren Stiefel um den Hals. Die Idee war nicht so gut, es zerrte doch ganz gut im Nacken und ich war den Düften der Stiefel ausgesetzt.
Ich sags ja, steinige Wege
Als wir endlich zur Herberge kamen, staunten wir nicht schlecht. Mein Buch hatte schon verraten, dass diese Herberge sehr groß und modern ist, ein richtiger Massenversorgungsbetrieb. Aber hell und sauber. Leider war eine Küche nicht vorgesehen, das war bei all den tollen Extras wohl zu teuer. Es gab immerhin Aufzüge, eine Lautsprecheranlage, überall Bewegungsmelder und Steckdosen in jedem Bett (Letzteres hat mich sehr gefreut). Dennoch hätten sie gern mehr als eine Mikrowelle zur Verfügung stellen können. Aber viele gehen hier sicher auch Essen.
Die Betten waren toll, immer ein Etagenbett, abgetrennt von den anderen Betten, mit Schränken, eigenem Licht im Bett und Steckdose. Das war nach der Herberge in Atapuerca echt eine Wohltat.
Nach einer ausgiebigen Dusche lief ich durch die Altstadt von Burgos und sah mir die Kathedrale von außen an (ich wollte keine 2,50€ Eintritt zahlen) und badete meine müden Füße in einem Fluss. Dort entdeckte ich, dass meine Handykamera eine Panoramafunktion hat. Gut zu wissen. Ich weiß nicht, wie die Qualität der Bilder ist, aber ich habe fleißig Blödsinn fotografiert!
Später traf ich mich mit den Jungs. Nachmittags war jeder seinen eigenen Weg gegangen, weil er unterschiedliche Sachen vorhatte. Allan konnte nicht mehr laufen, blieb in der Herberge und rauchte lieber sein in Belorado erworbenes Gewächs. Philippe (der eigentlich Filipe geschrieben wird, wie ich gestern lesen konnte, aber ich werde es ignorieren) kam auf den Balkon und bemerkte, dass es hier ja "so riecht". Wir alle deuteten es so, dass er den Joint erkannt hat und wunderten uns nicht, dass er Allans Einladung annahm und auch ein paar Züge nahm. Später erfuhren wir, dass er es nicht gewusst hat und erst einmal ein paar Stunden schlafen musste (außer Allan hat übrigens niemand gekifft, nicht dass hier Gerüchte entstehen).

"Der Engel"
Wir versammelten uns an der Kathedrale und You- Jin erzählte, dass der Eintritt heute frei sei und so konnten wir sie doch noch besichtigen. Kathedralen sind immer sehr beeindruckend und ich mag es, mir vorzustellen, dass dies die Kirche ist, die in dem Buch "Die Säulen der Erde" erschaffen wurde.
Wir liefen durch die große Kirche und sahen einen kleinen Engel, der aussah, als müsse er ganz dringend auf die Toilette. Weil sich das aber für einen Kathedralenengel nicht gehört, bleibt er tapfer sitzen.
Also entweder soll der etwas anderes ausdrücken (oh je, dieses Wortspiel) oder da hatte ein Bildhauer viel Humor.
Dann sahen wir einen Raum in der Mitte mit einem großen geöffneten Tor. Wir waren uns dennoch nicht ganz sicher, ob man da wirklich reindarf und als ich mutig vorgehen wollte und den Fuß auf die Metallbegrenzung setzte, ertönte plötzlich sehr laut die Kirchenglocke. Ich muss ziemlich zusammengezuckt sein und fühlte mich erwischt und wir mussten alle unangemessen laut lachen.

Nach der Besichtigung, die echt lange dauerte, machten wir uns ausgehungert auf den Weg, einen Supermarkt aufzutreiben und überlegten, wo wir etwas essen konnten. Da wir nirgendwo etwas fanden, was uns zusagte, machten wir den Fehler, hungrig einkaufen zu gehen und es kam, wie es kommen musste: Wir verließen den Laden hoffnungslos überladen. Na toll. Ich werde morgen 2 Kg mehr tragen müssen. Ich hatte extra eine große Rolle Kekse und so für den Abend gekauft, aber nach dem Essen waren wir alle so vollgestopft, das niemand mehr etwas essen konnte.
Wir haben nämlich den besten Pizzaladen Spaniens entdeckt, an dem gerade der günstige Rabatttag war und kauften uns leckere Pizzen. Die war echt gut (Cheeseburger- bacon), aber auch so mächtig, dass ich 2 Stücke einpacken musste. Die habe ich dann in der Herberge an Philippe und Patrick verschenkt.
Morgen müssen wir aufgrund der Winteröffnungszeiten der Herbergen 32 Km laufen. Das wird schlimm, vor Allem, weil ich gerade neue Blasen an den Füßen bekommen habe… Und morgen geht es in die Meseta.


P.S. In der Kathedrale entdeckten wir ein Bild, dessen Hintergrund keiner von uns kannte. Vielleicht weiß es einer der Leser und kann es mir erklären? Das würde mich wirklich freuen!
(Inzwischen habe ich die Antwort bekommen: Es ist der heilige Bartholomäus.)


Mittwoch, 27. Februar 2013

27. Februar- Atapuerca (ca. 30 Km)


Heute morgen bin ich irgendwie nicht aus dem Bett gekommen und den Anderen ging es nicht besser. Der Hospitalero drehte gegen 7.45 Uhr fröhliche spanische Musik auf, um uns aus den Betten zu werfen.
Ich brach heute mit Allan auf und blieb den ganzen Tag mit ihm zusammen. Zuerst suchten wir einen Bäcker- Allan hat große Blasen, da ist jeder Umweg eine Qual- und kauften frisches Baguette. Habe ich schon erwähnt, dass ich es bald nicht mehr sehen kann?
Nach gut 12 Km machten wir eine Frühstückspause. Heute ging es durch ein Dorf, in dem ich merkte, dass es der letzte Laden vor Burgos sein würde (da kommen wir erst morgen an). Da es nur ein Miniladen war, mussten wir ganz schön Geld hinlegen, aber die Preise können die Besitzer sich sicher leisten. Aber ein Eis war trotzdem drin, denn vor der Tür hatte sich eine kleine Pilgerschar zusammengefunden und das Wetter war schön. Auch ein kleiner Hund wuselte um uns herum und nahm wie selbstverständlich auf meinem Schoß Platz.

Regen hatten wir bisher nicht wirklich, sondern oft Sonnenschein und klaren Himmel. Mittags wird es sogar so warm, dass ich die Ärmel und Hosenbeine hochkremple. Und ich dachte, eine Zip- Offhose sei im Februar unnötig…
Ich traf auch auf Philippe und erfuhr, dass es sein Handschuh war, den ich gestern aufgesammelt habe. Er meinte, dass er sicher war, dass ihn jemand mitnehmen würde und war froh, ihn wiederzuhaben.

Heute ging es 12 Km durch eine Schneise im Wald. Ein breiter Weg, teilweise schlammig, teilweise liegt sogar noch Schnee. Je nachdem, ob der Weg Sonne abbekommt oder nicht. Er zog sich unendlich in die Länge.
Nach ein paar Km machten wir Pause vor einer "Halfpipe", einer Senke, in die wir reinmussten und wo es am anderen Ende steil wieder hochging. Ich wünschte mir eine Brücke, aber weil die nicht erschien, ruhten wir uns erst einmal aus.
Da kamen Philippe und Patrick vorbei. Philippe erzählte lachend, dass er jetzt den anderen Handschuh verloren hätte.
Patrick schrieb an die Leitplanke am Wegesrand "Ultreia You- Jin, Hogy, Sabine" ("immer weiter"), aber ich bezweifelte, dass sie es entdeckt haben.
Wir liefen weiter und erfreuten uns am Weg, der so durch den Wald lief, wo es nichts Anderes gab als Bäume und den Weg geradeaus. Als wir keine Lust mehr hatten, weil unsere Füße schmerzten und uns die Gegend anzuöden begann, lag plötzlich ein Stein vor uns auf dem Weg, auf dem geschrieben stand "Ultreia Birte & Allan" Wie cool! Das hat uns echt einen Motivationsschub gegeben.

Als wir nach einer unglaublich langen Zeit endlich aus dem Wald herauskamen, trafen wir im Ort die Männer und ein paar andere Pilger wieder, die gerade Pause machten. Sie hatten beschlossen, nicht in Agès zu schlafen, sondern nach Atapuerca weiterzulaufen und hatten eine Nachricht auf einen Briefumschlag geschrieben und diesen mitten auf den Weg gelegt. Atapuerca war nur 3,7 Km weiter, aber 5€ günstiger, also schlossen wir uns dem Plan und der Einladung an und liefen auch dahin. Wir fügten unsere Namen auf dem Umschlag hinzu, damit die Anderen hinter uns Bescheid wussten. Wir machten eine Pause und liefen dann mit Philippe weiter, der noch eine Blase am Fuß versorgen musste. Es ging über steinige Wege durch Wälder und Hügel und wieder einmal musste man aufpassen, wo man hintritt.
Wenn ich einmal einen Moment unaufmerksam bin, knicke ich um oder trete gegen einen Stein und dann fährt der Schmerz durch den ganzen Fuß. Glücklicherweise gehen meine Stiefel über die Knöchel und stützen den Fuß, so dass mir beim Umknicken nichts passiert. In Agès angekommen, verlief der Weg nach Atapuerca auf der Landstraße und Allan erzählte von allerhand Streichen, die er in der Schule angestellt hatte und so  kamen wir lachend im Ort an, wo wir die Herberge bestimmt 15 Minuten suchen mussten. Am Weg stand ein anderer Name als in meinem Buch, aber selbst der Wegbeschreibung folgend, wollte sich die Herberge nicht zeigen. Irgendwann entdeckten wir den gesuchten Namen klein an der Rückseite eines Hauses.

Die Herberge gehört zu einer Bar und die Dame war sehr überrascht, dass wir so viele Leute waren, normalerweise schlafen die wenigen Pilger im Winter im Zimmer über der Bar, wo aber nur Platz für 3 Leute ist und so musste sie die Scheune aufschließen, denn wir waren jetzt schon 7 und vielleicht würden noch mehr kommen.
In der Scheune war es sogar kälter als draußen und es war klar zu erkennen, dass wir die ersten Besucher des Jahres waren. Es war total schmutzig, lauter tote Fliegen und andere Insekten lagen auf den Betten und es sah aus, als wären schmutzige Sachen über den Betten ausgeschüttelt worden.
Das Wasser war nach 3 Stunden immer noch so eiskalt, dass das Duschen heute ausfallen musste, was mir gar nicht gefällt. Aber hart genug, um mich im eiskalten Haus unter die kalte Dusche zu stellen, war ich dann doch nicht.
Also gingen wir alle in eine Bar im Ort, wärmten uns auf, tranken Bier und knabberten Sonnenblumenkerne.
Nebenbei lief eine sehr schlechte spanische Soap im Fernsehen und ich musste lachen, weil man auch ohne Spanischkenntnisse sehen konnte, dass das hier echtes Trash- TV war.
In der Herberge überredeten die Jungs die Frau in der Bar, einen Topf herauszugeben und kochten Nudeln. Da einige Nudeln übriggeblieben waren, bekam ich auch einen Teller und weil ich die nicht trocken essen wollte, gab es… Schokosauce dazu! Verrückt, aber lecker. Und allemal besser als nichts. Glücklicherweise hatte die Dame einen Heizstrahler in der Scheune stehen, an dem wir uns ein bisschen wärmen konnten.
Seltsame Bäckerei
Inzwischen war noch ein Pilger angekommen. Ein Deutscher, der sehr seltsam war und nach eigener Aussage auf dem Rückweg nach Konstanz, wo er auch gestartet sei. Er erzählte, dass er unterwegs ein paar "Hänger" hatte und in Wohnungslosenunterkünften geschlafen hätte. Ob er in Deutschland noch eine Wohnung hatte, wusste er nicht. Er war seltsam, starrte oft minutenlang in die Luft, lachte gruselig und hatte einen so starken Husten, dass die Hospitalera unbedingt einen Rettungswagen rufen wollte. Der Mann war aber gerade erst in Burgos im Krankenhaus gewesen und gestern entlassen worden. Er hatte die Papiere dabei und konnte die Dame überzeugen, ihn in Ruhe zu lassen. Der Husten war wirklich heftig und einige Pilger hatten Angst, sich anzustecken.
Er hatte keinen Schlafsack und auch keinen Rucksack dabei. Also musste er einige der Decken nehmen, die in der Herberge lagen und hat dabei gleich mal ein paar Spinnen aufgescheucht.
Vor der Spüle stand eine kleine Wand, so dass zwischen Spülbecken und Wand nur etwa ein Meter Platz war. Der Deutsche stand am Becken, spülte seinen Teller und ich stand mit 2 Anderen auch "im Gang" und wartete darauf, unsere Sachen spülen zu können. Der Mann stand am Waschbecken, blickte eine Minute starr geradeaus und sagte dann in einem ganz kuriosen Tonfall: "Könnt ihr mich BITTE mal rauslassen?!"
Er hätte genug Platz gehabt, an uns vorbeizugehen, aber dennoch rückten wir nah an die Küchenzeile, damit er durchkonnte.
Wir sind alle ziemlich froh, dass er morgen in die entgegengesetzte Richtung laufen wird. Ich würde fast sagen, dass er irgendetwas mit der Psyche hat, aber da er gerade im Krankenhaus war und wieder freigelassen wurde, ist er vielleicht einfach in den Monaten der Einsamkeit etwas seltsam geworden (oder war es schon immer)?

Am Abend saßen wir alle (bis auf den Deutschen, der hustete sich im Bett die Seele aus dem Leib) im Vorraum am Ofen und unterhielten uns. Einer der Pilger erzählte, dass er den Jakobsweg läuft, weil er bis vor einigen Monaten in einem Hochsicherheitsgebäude gearbeitet hatte, das überfallen wurde (und wo viel Geld entwendet wurde). Dabei wurde sein guter Freund bei einer Explosion getötet und er hat ihn noch auseinandergerissen ansehen müssen. Er erzählte von den Missständen, dass viel Geld in Sicherheitstechnik investiert würde, aber am Personal gespart. So hatten die Mitarbeiter keine Chance, als die Einbrecher, getarnt als Polizisten, das Gebäude überfielen. Er ist dann den Jakobsweg von Paris aus gelaufen und konnte heute das erste Mal ohne Tränen von der Geschichte erzählen. Er hatte es geschafft, sich von seinem Freund auf dem Weg zu verabschieden.

Bevor wir ins Bett gingen, bauten wir noch das Sofa vor dem Ofen auf und legten Decken hin, damit der Psychodeutsche umziehen konnte. Er wollte im Nebenraum schlafen, um niemanden anzustecken und außerdem war es warm am Ofen. Aber außer der Spinne, die ich in den Decken rübergetragen habe, hat niemand am Ofen genächtigt.
Ich legte mich in meinen Schlafsack und hoffte, dass mir sowohl Kälte als auch Ungeziefer vom Leib bleiben würden. Der kleine Heizstrahler hat nicht genug Power gehabt, um die Scheune zu erwärmen und vermutlich ist sie ohnehin schlecht isoliert.
Hogy und You- Jin haben wir heute nicht mehr gesehen. Vermutlich sind sie in Agès geblieben oder durchgebrannt.

Dienstag, 26. Februar 2013

26. Februar- Belorado (ca. 24 Km)


Nachdem Scrat gestern Abend ganz gut am Rotwein genippt hat, lag er heute morgen verkatert auf dem Boden.
Außer Philippe und mir hat keiner der Pilger verstanden, dass die rot- karierte Decke auf den Betten eine TAGESdecke ist, die man runternehmen kann, um an Kissen und Laken zu kommen. Alle hatten sich mit ihren Schlafsäcken daraufgelegt und einer hatte sich getraut, das Kopfkissen rauszuholen.
Da wir die Herberge erst um 9 Uhr verlassen mussten, blieb ich auch bis 8 Uhr liegen und packte danach den Rucksack und checkte meine Finanzen.
Ich versuche, Geld zu sparen und trotzdem nicht großartig auf Dinge zu verzichten, ein bisschen was Gutes muss ich mir ja auch gönnen.
Bisher habe ich knapp 135€ ausgegeben, in 11 Tagen. Dafür, dass mein Pilgerführer sagt, ich solle mit 20-35€ proTag rechnen (manche sagen 1€/ Km), finde ich das ganz gut. Und da sind alle Übernachtungen und die Zugfahrt nach St. Jean mit drin. Ein Teil davon sind ja Lebensmittelkosten, die ich auch zu Hause hätte.

Heute Vormittag bemerkte ich, dass sich die Haut von meiner Nase und dem linken Ohr zu pellen beginnt. Das habe ich auch schon jahrelang nicht mehr gehabt. Rot ist mein Gesicht nicht mehr und ich creme mich ja auch jeden Morgen brav ein. Vor Allem, weil jedes Eincremen bedeutet, dass die Tube leichter wird.
Die erste richtige Pause machte ich heute mit Hogy und Andy (dem Australier) in Redecilla del Camino nach etwa 12 Km Fußmarsch. Wir setzten uns auf die Bänke, die links und rechts neben einer Kirchentür standen und  frühstückten und ich muss sagen, das mit der Schokosauce war eine gute Idee!
Nach gut 10 Minuten kam ein älterer Herr aus dem Haus gegenüber und schloss die Kirche auf. Er winkte uns rein und zeigte uns ein Taufbecken aus dem 12. Jahrhundert, von dem mein Pilgerführer mir bereits erzählt hatte. Den Mann haben wir nicht verstanden, aber er erzählte aufgeregt und wies uns wild gestikulierend an, das Prachtstück endlich zu fotografieren. Da er so stolz auf das Becken war, tat ich ihm den Gefallen und um ihn glücklich zu machen knipste ich auch noch andere Teile der kleinen Kirche.
Jetzt müsst ihr es auch sehen!

Heute haben wir die Rioja verlassen und sind jetzt in Kastilien, wo wir die nächsten Wochen auch bleiben werden. Die Meseta kommt näher… Ich bin ja mal gespannt, ob sich da eine gedankliche Hochphase einstellt, denn bisher lassen geistige Ergüsse und Erleuchtung auf sich warten.
Heute haben wir überall Katzen gesehen, mindestens 12 und eine davon ließ sich auch anfassen. Auf dem Platz in Villamayor, wo wir unsere Siesta hatten, liefen 3 kleine Hunde herum und 2 von ihnen waren total zutraulich und verschmust. Einer hat sich gewälzt und ist ausgeflippt vor Freude, dass ich ausgerechnet ihn streichelte. Wäre er eine Katze, so hätte er geschnurrt, aber Hunde halten ja mehr vom schlabbern und sabbern.
Über unseren Köpfen zogen 10 große Vögel ihre Kreise. Ob es Adler waren? Sie sahen eindrucksvoll aus mit ihren großen Schwingen.
Wir schaukelten auf dem Dorfspielplatz und liefen irgendwann weiter, um die letzten 5,7 Km zu bezwingen. Allan hat heute so große Probleme mit Blasen an den Füßen, dass er schwer humpelte. Ich habe derzeit keine Blasen und Wunden auch nichts am Fuß getaped.
Die ersten 10 Km waren super, da taten meine Füße gar nicht weh. Irgendwann merke ich sie und gegen Ende des Tages wird es unangenehm. Da tun meine Füße dann immer überall weh und zwar so, wie ich es von damals kenne, als ich mit meiner Mama und meiner Schwester in der Stadt Klamotten kaufen war. Nach ein paar Stunden herumlaufen tun einem die Füße weh und wir mussten am Ende immer noch mit in die Handarbeitsabteilung, Wolle und Nähmagazine angucken. Wahnsinnig aufregend für Teenies, denen die Füße wehtun und die zu Burger King wollen- Das war unsere Tradition: Nach einem langen Shoppingtag bei Burger King essen, denn weder wollte Mama kochen, noch wir aufs Essen warten. Und da wir da so selten hingingen, war es für uns immer ein echtes Highlight und ein toller Abschluss der langen Shoppingtour. Ja und so tun meine Füße also jeden Tag auf den letzten Km weh. Unangenehm, aber irgendwie gewöhnt man sich auch ein bisschen daran.
Ich passte mich auf dem letzten Stück Allan an, denn ich wollte ihn nicht allein zur Herberge humpeln lassen und ging auch gern mal etwas gemütlicher. Als wir uns in den Ort geschleppt hatten, saß auf dem PC im Eingangsbereich der Herberge… Ein Scrat!
Eine Nummer größer als mein Scraddy, aber auch etwas hässlicher. Natürlich habe ich die Beiden miteinander Bekanntgemacht und sie haben ein Foto machen lassen. Echte Pilgerfreundschaften gibt es eben nicht nur unter Menschen.

Heute habe ich mitten auf dem Weg einen Handschuh gefunden und mitgenommen. Ich war sicher, dass ihn einer unserer Begleiter verloren hat, denn er lag auf einem staubigen Weg und war weder sandig, noch feucht oder schmutzig. Er konnte noch nicht lange hier liegen. Die Anderen waren zwar der Meinung, dass er bestimmt schon lange da lag, aber was wiegt schon ein Handschuh? Also habe ich ihn eingesteckt, aber viele der anderen Pilger sind in der Herberge am Ortseingang gelandet und wir werden sie wohl erst morgen wieder treffen.
Allan war heute Abend mit Hogy noch in einer Bar zum Fußball gucken, während ich die Zeit fürs Tagebuch schreiben genutzt habe. Im Garten gab es einen Pool, der um diese Zeit natürlich nicht wirklich nutzbar war und ein Gehege mit einigen Kaninchen, wo ich eine Zeitlang gesessen und die Tiere beobachtet habe.
Als die Jungs wiederkamen, haben wir uns noch ein bisschen unterhalten und sind dann schlafen gegangen. Zu Essen gab es übrigens mal wieder Nudeln. 
"Sphinx" in Belorado

Angebliche Km bis Santiago



Montag, 25. Februar 2013

25. Februar- Santo Domingo de la Calzada (ca. 22Km)


Als ich heute morgen aufwachte, habe ich zuerst nachgeschaut, ob meine Klamotten trocken sind. Erwartungsgemäß waren sie es nicht. Ich würde also notgedrungen die dünnen Socken anziehen müssen, die ich eigentlich nicht zum Wandern eingeplant hatte, denn auch die Socken im Schlafsack dachten nicht ans Trocknen. Vor ein paar Tagen, als das T- Shirt den Abgang in den Fluss gemacht hatte (wann auch immer das war, theoretisch könnte es Wochen her sein), hatte ich die dünnen Socken kurz anprobiert und direkt wieder gegen die dicken Wandersocken getauscht.
Ich klebte die Zehen zur Sicherheit mit Tape ab und hoffte, nicht zu sehr in den Schuhen zu herumzurutschen und schmierte meine Füße mit Hirschtalg ein. Das wollte ich ohnehin jeden Abend machen, vergesse es aber ständig. Ebenso wie meine Magnesiumtabletten.
Morgens ist das Packen immer eine kleine, aufwändige Zeremonie. Der Rucksack ist super, hat aber keine Seitentaschen für Kleinkram (nur enge Taschen vorn, wo aber nicht viel reinpasst), also habe ich alles im Hauptfach des Rucksacks.
Damit der Schlafsack nach ganz unten kann, muss ich alles vorher leerräumen und auf dem Bett so falten oder packen, dass ich es klug in den Rucksack bekomme. Sicher ginge das auch weniger aufwändig, aber so kontrollier ich immer gleich, ob ich auch alles eingepackt habe. Nicht, dass ich mal Kleidung, Handtuch oder so vergesse und irgendwie macht mir die Prozedur auch Spaß.

Heute lief ich mit Allan, Hogy und Dalvo los, hängte die 3 aber schnell ab und genoss es, mal ganz allein zu sein. Weder vor noch hinter mir konnte ich jemanden sehen. Das hatte ich noch nie. Ich lief durch die Natur und über eine nicht befahrenen Straße, die wohl ein paar Dörfer miteinander verbindet.
Ich dachte ein bisschen nach und entdeckte mein eigenes Wohlfühltempo, denn hier konnte ich mich ja an niemandem orientieren. Nach etwa 7 Km machte ich, nachdem ich am pausierenden René vorbeigelaufen war, einen Halt am Wegesrand und breitete meine nassen Klamotten in der Sonne aus. In dem kalten Waschraum der Herberge waren die Kleider nicht einmal annähernd getrocknet und so schleppte ich die schweren, nassen Sachen herum.
Kaum hatte ich die Kleider ausgebreitet, verschwand die Sonne natürlich hinter einer Wolke. Ich glaube, ich habe von oben auch ein leises Lachen gehört. Und kurz darauf bekam auch René die Möglichkeit, mich zu verspotten, denn er kam kurz nachdem ich mein Lager aufgeschlagen hatte, vorbei und sah meine Sachen im Schatten liegen. So packte ich die Sachen kurzerhand wieder ein- die Socken hingen am Rucksack und trockneten beim Laufen- und lief mit ihm weiter.
Er überlegte seit Beginn der Reise, sich einen Stock zuzulegen und so hielten wir Ausschau. Wir entdeckten bald ein großes Baumgestrüppgewächs, dem man vielleicht einen geeigneten Stock entlocken könnte. Wir kämpften uns durch brusthohe Pflanzen und nach nur 15 Minuten war der Stock mit dem nicht so guten Taschenmesser, das er kaufen musste, weil seines ihm am Flughafen abgenommen wurde, abgetrennt.

Wissen, wo es langgeht
Weiter ging es über Schotterpisten und langsam nervt es, immer auf den Boden achten zu müssen und darauf, wohin man tritt. Dann ging es eine steile Anhöhe hinauf. Da mein Laufpulli klitschnass im Rucksack lag und ihn unnötig beschwerte, musste ich (um den anderen Pulli nicht vollzuschwitzen) mit Jacke und Regenjacke laufen, um einigermaßen wetterfest gekleidet zu sein. Darin wurde mir beim Anstieg erst richtig warm und ich freute mich auf den Rastplatz, den mein schlaues Buch für die Anhöhe angekündigt hatte und glücklich fiel ich oben auf die Steinliege.
Meine Sachen konnten in der 1,5 Stunden- Siesta in Ruhe trocknen. Die Anderen kamen nach und nach an und gesellten sich zu uns, ruhten sich aus oder machten ein Nickerchen. Wir genossen alle die Pause und diesen Platz. Die Steinliegen waren aber auch sehr gemütlich.
René bearbeitete seinen Stock, damit sie gute Weggefährten werden konnten und wir unterhielten uns.
Meine Wandersocken waren unterwegs getrocknet und ich konnte sie endlich wieder anziehen. Das Laufen mit den dünnen Socken hat mir eine kleine Blase an der Ferse eingebracht, die ich bisher nur sehen und nicht fühlen kann, also halb so wild.

Ansage am Rastplatz
Pilgerstab aus Renés Resten
Wir liefen die letzten Km nach Santo Domingo de la Calzada und waren über unsere lange Siesta froh: Als wir ankamen, öffnete die Herberge gerade ihre Pforten und die Pilger, die vor uns da waren, hatten ewig vor der Tür gewartet.
Heute haben wir einen Koch in der Pilgergruppe und er bot an, für uns alle zu kochen. Also legten wir zusammen -Jeder gab 3€ und wir zogen in einer Gruppe los Richtung Supermarkt, um zu gucken, was wir essen wollten und um unsere Einkäufe für den morgigen Sonntag zu erledigen.
Da ich viele Käsesorten nicht mag und die Wurst irgendwie gruselig finde (weil ich auch nie weiß, was genau drin ist) gab es bisher fast nur dünne Geflügelwurst. Gestern kaufte ich eine dicke Wurstrolle (ähnlich einer Fleischwurst), aber die überzeugte mich auch nicht und so ließ ich sie in der Herberge für die nachfolgenden Pilger. Ich kaufte stattdessen- und das ist ebenso eklig wie geil und verrückt- eine Tube Schokosauce!
Die Verpackung aus Plastik, ein guter Verschluss: Perfekt. Zuerst hatte ich mir Honig ausgesucht, aber die Schokosauce hat mich dann überzeugt. Ich habe noch ein paar staubtrockene "Milchbrötchen", für die ich Belag brauche. Die Schokosauce wird einige Tage halten und so werde ich nur Baguette kaufen müssen und komme echt günstig dabei weg. Es gibt ja leider nur weißes Baguette. Kein Körnerbrot oder so…

Zurück in der Herberge schnitten wir die Zutaten klein. Kartoffeln, Zwiebeln, Möhren und Knoblauch. Alles in großen Mengen. Es dauerte über 2 Stunden, bis das Essen fertig war, denn der gute Mann hatte nur eine Küchenzeile zur Verfügung und somit sehr wenig Platz. Es gab 3 Hühnchen, die ohne Ofen gegart werden mussten. 
Etwa die Hälfte des Essens
Das Essen war einfach grandios. Eine sehr leckere Knoblauchbaguettesuppe als Vorspeise. Außerdem eine Nudelpfanne vom Hospitalero (mit Calamares oder so. Es roch schon so meeresmäßig, aber ich hatte beim Einkaufen nichts gesehen und dachte ich bilde es mir ein, wurde dann aber aufgeklärt und musste gestehen, es war gut!). Und dann ein Kartoffelgericht mit Hühnchen und einer megaguten Sauce. Zum Nachtisch haben wir Pudding geholt, weil wir noch so viel Geld übrig hatten und von den restlichen 17€ wurde Rotwein für Alle gekauft. Das war so viel, dass jeder mehr als genug bekam.

Da wir so lange auf das Essen warten mussten und so einen tollen Abend zusammen verbrachten (wir waren bestimmt 20 Leute in der Herberge) haben wir völlig vergessen, die Kirche zu besuchen, in der 2 Hühner in einem Käfig sitzen. Nach der Legende des Ortes, von der es offenbar mehrere Versionen gibt, rettete der heilige Domingo einen zu Unrecht erhängten Jüngling, der am Galgen hing, indem er den Jungen von unten stützte. Der Richter im Ort sagte, als man ihm das erzählte, der Junge sei so tot wie die beiden Hühner auf seinem Teller und weil der Junge ja lebte, flogen ihm plötzlich die Hühnchen davon.
Seitdem (oder seit irgendwann) hält man in der Kirche im Ort 2 Hühner im Käfig und wenn der Hahn kräht, wenn ein Pilger in die Kirche kommt, heißt das, dass er gesund in Santiago ankommen wird.
Daraus schließe ich 2 Dinge:
1. Da ich nicht in der Kirche war, werde ich selbst herausfinden müssen, ob ich heil ankomme
2. Eines der Hühner ist ein Hahn
Nicht das Richterhuhn, sondern Unseres
Morgen früh öffnet die Kirche erst um 10 Uhr, wir werden sie also nicht mehr besuchen können. Und den Spaniern traue ich zu, dass auch bei Kirchen 10 Uhr ein dehnbarer Begriff ist.

Heute Abend sind wir echt viele Leute. Einige, die wir schon kennen und viele Neue. Da ist auch ein älterer, kleiner und vollbärtiger Mann in der Herberge, der angeblich bereits seit 3 Jahren unterwegs ist und jetzt von Santiago aus nach Rom läuft.
Der Australier hatte sich für heute die Sandalen von René ausgeliehen und hat immer noch ganz kaputte Füße und Schmerzen. Ich weiß nicht, warum er nicht mal etwas kürzer tritt und sich etwas erholt. Ewig macht der Körper das nicht unbedingt mit.
Wir saßen lange an der großen Tafel zusammen, unterhalten uns und hatten eine Menge Spaß. Scrat bekam von den Anderen Bier, Limo und Zigaretten und hat sich gut in die Gruppe integriert.
Es war bisher einer der schönsten Abende überhaupt.
Aber auch heute bin ich wieder die Letzte, die ins Bett geht. Nur der alte Dauerpilger liegt noch auf dem Sofa und spielt mit seinem Handy. Er scheint da auch schlafen zu wollen. Nach dem Tagebuchschreiben schleiche ich mich ins Bett. 


Sonntag, 24. Februar 2013

24. Februar- Nájera (ca. 30Km)


Heute früh kamen wir alle etwas schlecht aus den Federn. Auch ich hätte gern einmal ausgeschlafen, aber da 30 Km vor uns lagen, machten wir uns recht zügig auf den Weg. Nicht zuletzt, weil wir um 8 Uhr eigentlich draußen sein mussten und die Hospitaleros gestern Abend mehr deutsche denn spanische Pünktlichkeit bewiesen hatten.
Mittlerweile haben sich meine Füße ganz gut an die Belastung gewöhnt, sie tun zwar immer noch in den letzten Stunden ganzheitlich weh, aber ich habe keine Blasen mehr und heute auch keine Zehen getaped, wie ich es die letzten Tage immer zur Sicherheit tat, da ich ab dem 2. oder 3. Druckstellen und Wunden an den Zehen hatte.

Meistens machen wir nach 4-5 Km die erste Pause. Mein Körper gewöhnt sich langsam an das lange marschieren. Ich habe das Gefühl, dass es den Anderen etwas leichter fällt, aber das kann auch täuschen, ich zeige es ja auch nicht so. Und wenn wir Pause machen, die Rucksäcke abwerfen und stöhnend die Beine ausstrecken, weiß ich, dass ich nicht alleine leide.
Wir setzten uns an einen Stausee, genossen die Aussicht und aßen etwas.
Der Australier, der gestern nach seinem 50 Km- Marsch noch seine Blasen an den Füßen genäht hat (warum auch immer), wollte heute nur 12,5 Km nach Navarette laufen. So wie er in der Küche herumhumpelte, konnte ich mir nur schwer vorstellen, dass er das schaffen würde. Er humpelte schlimmer als ich es in meinen schwersten Stunden zu Beginn der Reise tat.
Später haben wir ihn dann im 30 Km entfernten Nájera in der Herberge getroffen. Freak.

Wegweiser
Wir kamen an einem Friedhof vorbei und sahen uns um, weil im Pilgerführer der Hinweis stand, dass es Pilgerfiguren an den Innenmauern gäbe, die wir sehen wollten. Die Spanier gestalten ihre Gräber anders als wir es in Deutschland tun. Sie schreiben auf den Grabstein, an welchem Tag der Mensch gestorben ist und wie alt er zu diesem Zeitpunkt war. Der Geburtstag wird weggelassen. Es ist immer interessant, aber auch etwas bedrückend auf Friedhöfen, besonders wenn man Gräber von sehr jungen Menschen sieht.
Wir liefen heute viele Km parallel zu einem Zaun mit unzähligen Stöckerkreuzen, wie wir sie schon vor 
ein paar Tagen gesehen haben. 

Als ich an einer Wiese meine lange Unterhose auszog (es war recht warm und die Sonnencreme hab ich wirklich nötig), beschlossen Allan und ich, dass es Zeit für eine Siesta war, die Spanier halten schließlich viel davon. Er schlief erst mal eine Stunde oder so (hab ich schon gesagt, dass Zeit auf dem Camino keine Rolle spielt?) und ich las in meinem Buch nach, was es in den nächsten Tagen und Wochen so zu erleben gibt. Irgendwann machten wir uns auf, die letzten 10 Km zu laufen.
In der Landschaft, durch die wir liefen, kam uns ein Bauer mit seiner Schafherde entgegen und wir sahen begeistert zu, wie die Herde um uns herumlief.

Glücklicherweise hatte ich heute 2 Dosen Getränke dabei (hier gibt es ja kein Dosenpfand und aus Dosen trinken ist Oldschool und damit gut), denn das Wasser aus Logroño war oberschlimm. Kein Chlor (was ich erst mal nicht bedaure), aber es schmeckte, als hätte man es aus einem sandigen Fluss gezapft und dann noch muffig werden lassen, bevor man es für die Pilgerflasche freigibt. Ich würde das Wasser am nächsten Brunnen wechseln müssen.
Ich konnte es einfach nicht trinken und nahm nur Minischlücke, um meinen Mund anzufeuchten. Es kam, wie es kommen musste und der schadenfrohe Leser ahnt es vielleicht schon: Der Brunnen, auf den ich knapp 16 Km gehofft hatte, war kaputt!
Zum Glück waren es nur noch wenige Km bis zum Ziel und das würde in einer guten Stunde zu schaffen sein.
Hier sorgte mein Buch wieder für Erstaunen. Einige hundert Meter vor uns liefen 2 Pilger, die wir nicht kannten und als sie stehen blieben und eine Wand anstarrten, fragte Allan sich laut, was sie da wohl machen würden. Prompt antwortete ich, dass sie ein Pilgergedicht lesen, das dort auf spanisch und deutsch an die Wand gesprüht war. Ich kann nichts dafür, das Buch ist einfach gut.

Im Ort trafen wir You- Jin, die auf einer Bank saß und sich freute, uns zu sehen. Wir fragten sie, ob sie wisse, wo die Herberge ist (sie hatte noch den Rucksack dabei) und sie piepste "Oooouh yaaaaaaaa" und wir fragten nach dem Weg. "Oooooouh yaaaa" antwortete sie wieder und lächelte uns an. "Do you understand me?" "Oooouhh noooo no no" grinste sie mich an (und so läuft eine Unterhaltung mir ihr eigentlich fast immer ab).
Wir nahmen sie mit auf unsere Entdeckertour, denn die Herberge war nicht so leicht zu finden, obwohl der Weg im Buch beschrieben war.
Vor der Herberge stand ein Brunnen und ohne den Rucksack abzusetzen stürzte ich mich darauf und hielt den Knopf gedrückt, damit das klare Gold nicht aufhören würde zu fließen.
Nachdem das erledigt war, sah ich mich um und ging rein, um mich anzumelden. Es folgte eine ausgiebige Dusche, denn auf dem Tresen standen zurückgelassene Pflegeprodukte, die man nutzen konnte und ich entdeckte eine Haarspülung, an der ich mich nur zu gern bediente. Außerdem nahm ich ein paar Klamotten mit ins Bad und wusch sie  im Waschbecken. So auch beide Paar Laufsocken, weil wir uns mit ein paar Pilgern einen Trockner teilen wollten.
Dummerweise haben die Hospitaleros nur die defekte Waschmaschine erwähnt und sagten das mit dem Trockner erst, als wir mit den Armen voll tropfender Wäsche vor ihnen standen.
Meine dicken Socken würden bis morgen nie trocknen!
Wir hingen die Wäsche in den kalten Abstellraum an die Leinen und gingen erst einmal einkaufen.
Heute würden wir wieder Nudeln essen, weil es davon in der Herberge noch einige gab und die Wahl so nicht schwer fiel. Leider gibt es in Spanien nur Tomatensauce und die ist immer so gut wie ungewürzt. Langsam kann ich das auch nicht mehr sehen.
Im Supermarkt im Ort bekommen Pilger bei Vorlage des Pilgerausweises eine Wasserflasche geschenkt und das Angebot hab ich natürlich genutzt. Einfach, weil ich es kann.
Stöckerkreuze

Einer der Pilger gab mir abends den Tipp, feuchte Kleidung über Nacht mit in den Schlafsack zu nehmen, da würde sie am Fußende durch die Wärme besser trocknen. Keine Ahnung, ob da was dran ist, aber ich probierte es mit einem der Sockenpaare aus, denn ich brauche morgen dringend welche zum laufen…
Abends war ich nach dem Tagebuchschreiben noch recht lange mit dem iphone von You- Jin im Internet, da es wieder gratis WLAN gab und man für die Computer immer so viel zahlen muss. So war ich mit Abstand die Letzte, die ins Bett ging. 


Samstag, 23. Februar 2013

23. Februar- Logroño (ca. 10 Km)


Heute ist mein Geburtstag.
25 Jahre bin ich also schon alt. Als ich die Jungs gegen 7.20 Uhr weckte, sang Allan noch im Halbschlaf "Happy Birthday". Die Anderen wachten auch bald auf, es gab Glückwünsche und wir packten unsere Sachen.
Und natürlich las ich den Brief von Johannes. Weil ich ahnte, dass er mich sehr rühren würde, habe ich mich dafür lieber in einen kleinen Raum verzogen. Es ist schon schade, dass ich den Tag nicht mit ihm feiern konnte. Wir liefen irgendwann los. Wann, weiß ich nicht, Zeit spielt keine Rolle mehr.
Heute hatten wir ja nur 10 Km zu laufen und die brachten wie ohne Pause hinter uns.
Fast. Ich musste zwischendurch das Bier, das wir zum Frühstück getrunken hatten, in den Busch bringen und weil es so windig war, zog ich mir Regenjacke, Mütze und Handschuhe an, denn es war wirklich frisch.
Allan und ich mussten auch noch 15 Minuten bei 2 ultrasüßen, aber angeketteten Hunden anhalten und mit ihnen spielen.
Als wir in Logroño ankamen, kam auch die Sonne raus und es wurde richtig warm.
Wir machten eine Pause in der Innenstadt und René beschloss, weiterzulaufen.  You- Jin lud mich ein, mir in einer Konditorei ein paar Geburtstagsleckereien auszusuchen.  Die Auswahl war so groß und alles sah soo lecker aus. Ich entschied mich nach Stunden für ein "Brownieküchlein" und eines mit Vanillemousse.
You- Jin wollte dann auch weiterlaufen, schickte Hogy aber 2 Stunden später eine SMS, dass sie doch bleiben würde. In der Herberge erfuhren wir, dass sie den Weg nicht gefunden hatte und 2 Stunden durch die Stadt geirrt war.

Da die Herberge erst um 16 Uhr öffnete, lief ich mit Allan und Hogy durch die Stadt und wir versackten in einem Park am Fluss, wo wir Siesta machten.
Dort planten Hogy und ich, jeder für sich, grob die nächsten Tage.
Da viele Herbergen im Winter geschlossen haben, muss ich ein bisschen gucken, wo ich (günstig) unterkommen kann. Der Plan sieht ganz gut aus, aber ob er sich auch so umsetzen lässt, weiß ich nicht. Und es muss ja auch nicht sein, spontane Änderungen sind jederzeit möglich. Und wer weiß schon, was nächste Woche ist? Das ist so weit weg...
Interessanterweise hatte Hogy mit seinem Führer fast dieselbe Route gewählt.

Um 16.15 Uhr brachen wir zur Herberge auf. Dort waren schon viele andere Pilger, die wir noch nicht kannten. Durch unseren sehr kurzen Tag holen uns jetzt einige Pilger ein. Als wir noch in der Anmeldung standen, kam ein Australier an, der heute 50 Km von Estella hierhergelaufen war!
Sogar die Hospitaleros waren verwundert und fragten, wo der Stempel von letzter Nacht sei. Nein, er war wirklich die ganze Strecke heute gelaufen. Ob er nicht doch den Bus genommen hätte? Nein, gelaufen.
Im riesigen Supermarkt traf ich auf Philippe, den Franzosen, den wir aus St. Jean- Pied- de- Port kennen und dessen Pilgerstab Allan versehentlich geklaut hatte. Ich erzählte es ihm und er war nicht sauer oder traurig, sondern total glücklich, dass er vom Verbleib des Stockes hörte. Er war in der gleichen Herberge wie wir und sagte, der Stock müsse seinen eigenen Weg gehen. Er nahm ihn hoch, küsste ihn halb im Scherz und verabschiedete sich endgültig von ihm. Heute war die Herberge recht voll und es gab nur wenige Duschen, alle in einem Raum. Ich reihte mich in die Schlange ein und kam bald dran.
Im Supermarkt hatte ich eine große Tüte Bonbons gekauft (1Kg), die ich danach munter in der Herberge verteilte.
Nach ein paar Stunden im Rucksack

Heute trafen wir auch Frank wieder, der in Estella einen Tag Pause gemacht hatte. Er schlief aber in einer anderen Herberge, weil er 2 Nächte bleiben wollte und die öffentlich geführten Herbergen meistens nur eine Nacht erlauben. Die Pilgerbekanntschaften kommen und gehen, aber zwischendurch trifft man sich immer wieder. Dalvo, der 18 Kg- Bralisilaner war heute auch hier. Er hat sich heute einen neuen Rucksack und einen leichteren Schlafsack gekauft. Er hatte gründlich Klamotten ausgemistet und läuft ab morgen mit deutlich reduziertem Gepäck.
Francois hat in Estella seinen Rucksack in einer Bar vergessen und musste dort eine Zwangspause machen. Ob wir ihn noch mal wiedersehen werden?

Da die Herberge schon um 21.30 Uhr schließen würde, machten wir uns um halb 8 auf den Weg, um in einer Bar noch ein bisschen zu feiern. Hier soll es auch gute Tapas geben. Wir suchten uns eine gemütliche Bar aus und ich staunte, wie anders die Spanier doch sind. Die Leute hier nehmen ihre Babys und Kleinkinder mit in die Bars. Sie rennen durch die Gegend oder sitzen auf dem Tresen.
Dalvo wandte sich nach rechts, wo zwei hübsche Spanierinnen saßen und begann zu flirten. Mit einer der Damen verschwand er nach nur 10 Minuten. Amüsiert blickten wir ihnen hinterher und machten Witze über eine mögliche Liebschaft. Nach knapp 20 Minuten kamen sie wieder und offenbar hatten sie nicht miteinander angebändelt sondern um 20 Uhr noch einen Geburtstagskuchen organisiert- Mit Zahlenkerzen!
Das war nun wirklich absolut unerwartet, ich hab mich soo gefreut!
Die ganze Bar sang ein Geburtstagslied und danach schnitt ich den Kuchen in Stücke und verteilte ihn unter den Leuten. So etwas geht auch ohne Spanischkentnisse.


Später spielte der Barkeeper noch die spanische Version von "Happy Birthday" durch die Lautsprecher, die alle Spanier laut und fröhlich mitsangen. Es war wirklich ein toller Abend.
Ich bekam 2 große Bier zugeschoben und auf dem Rückweg zur Herberge kehrten wir noch schnell für Last- Minute- Tapas in einer andere Bar ein.
Als wir zum Kirchturmglockenschlag an der Albuerge ankamen, waren die Tore verschlossen. Da alle Fenster im Erdgeschoss vergittert waren, würden wir auch nicht einsteigen können, falls uns drinnen jemand bemerkte.
Zum Glück kamen kurz danach die Hospitaleros aus dem Hintereingang und sparten sich den Tadel wohl nur, weil ich Geburtstag hatte und so lieb guckte. Und außerdem hatten sie nachmittags ganz viele Bonbons von mir bekommen.

Heute habe ich mit Johannes telefoniert und wenn es nicht so furchtbar teuer wäre, hätten wir stundenlang reden können. Auch mit Frau Holle (meiner Katze) habe ich telefoniert, aber die hat mich wohl nicht erkannt oder keine Sehnsucht nach mir.
Sie verbringt die Wochen bei Johannes, weil sie viel Menschennähe braucht und bei mir in der WG selten jemand ist. Asti kommt damit klar, die schmust nicht so viel und geht gern raus. Und außerdem ist Johannes dann nicht so allein. Sie frisst aber schlecht und benimmt sich etwas seltsam. Vermutlich denkt sie, dass sie mich nie wieder sieht. Aber ich komme doch wieder!
Eine liebe Freundin hat auch angerufen, als ich gerade in der Bar war. Der Empfang war furchtbar, aber es hat mich sehr gefreut, dass meine Freunde an mich denken, ich habe lauter SMS bekommen. Dankeschön!

Freitag, 22. Februar 2013

22. Februar- Viana (ca. 19 Km)


Heute sind wir zeitig aufgebrochen, um mit Duck laufen zu können. Er geht ja bis Logroño, um seinen Zeitplan einzuhalten. Es ging den halben Tag auf und ab, über Hügel, Geröll, Steine, Schotter und durch die Pampa. Kilometerweit nichts außer hübsche Landschaft und Trampelpfade. Keine Menschen, keine Häuser, keine Straßen, kein Lärm. Nur wir, das Klappern unserer Stöcke- Duck klapperte nach einem halben Liter Energydring etwas schneller als gewöhnlich- und die Vögel.
Nach ein paar Stunden (ich weiß nicht, wie lange genau wir unterwegs  waren,  weil die Uhrzeit einfach keine Rolle spielt) kamen wir in Viana an. Der Weg hat sich zum Ende doch ganz schon gezogen. Nach einer Pause vor der hübschen Kirche und einem Foto mit Duck kam also der zweite Abschied von liebgewonnen Freunden. Ich hätte ihn wirklich gern bei uns behalten, aber wir wollen uns nicht seinem Zeitdruck unterwerfen, davon hätten wir nichts. Wir wollen Logroño genießen. Duck lief weiter und mir fiel es schwer, ihn davonlaufen zu sehen. Es ist ja so gut wie unmöglich, dass wir ihn noch einmal wiedersehen werden.


Die Herberge hatte noch geschlossen, aber eine Nummer hing an der Tür. Am Telefon sagte man uns, dass in 70 Minuten jemand aufschließen würde. Um uns die Wartezeit zu verkürzen, liefen wir noch schnell in ein Geschäft, um uns mit Essen, Getränken und Bier zu versorgen. Die Spanier machen ja Siesta und schließen die Geschäfte um 14 Uhr. Oder früher. Oder später. Und öffnen tun sie ja erst wieder abends gegen 18 Uhr. Oder 18.30 Uhr. Oder 19 Uhr.
Wir setzten uns in die Sonne auf einer Art Riesenterasse hinter der Kirche mit Ausblick ins Tal. Wir konnten schon Logroño sehen und schneebedeckte Berge in der Ferne. Hoffentlich müssen wir da nicht rüber!
Ich breitete meine Alumatte auf der Wiese auf und lehnte mich an meinen Rucksack, trank mein Bier und machte dann Siesta. Es ist zwar nicht wirklich warm, aber zum Schlafen hats gereicht. Als nach 80 Minuten immer noch niemand gekommen war , rief Allan noch einmal an. Kurz darauf kam ein Polizist und schloss uns die Tür auf. Endlich, denn ich musste echt dringend aufs Klo. Im Haus war es sehr kalt und der Mann stellte uns in Aussicht, dass die Heizungen nicht vor 19 Uhr angestellt würden. So legten wir uns gleich in die 3-stöckigen Betten und verkrochen uns in die Schlafsäcke, um nicht zu erfrieren. Und irgendwie schliefen wir ein.

Nach einer Stunde traute ich mich aus dem Schlafsack und ging mutig duschen. Das Wasser war nicht heiß, aber immerhin warm genug, um es zu genießen.
Später fanden wir uns alle wieder draußen ein, weil es da wärmer war. Die Wäsche trocknete auf einem Wäscheständer und wir fühlten uns wohl. Abends kauften wir noch einmal ein- Man muss vorher immer erst einmal die Küche ansehen, ob es auch Töpfe und Geschirr gibt, doch diese Herberge war gut ausgestattet. Für mich gab es Tiefkühlgemüse und eine Tütensuppe, die ich zusammen aufkochte. Gewürze gab es nicht und so half die Suppe, Geschmack reinzubringen.
Wir aßen zusammen in der kalten Küche und froren uns die Hintern ab. Hogy hatte in einer Konditorei Kekse mit einer Art Baiserfüllung gekauft, sehr lecker!

Die Ernährung beim Pilgern ist immer recht einfach. Oft praktisch und nicht gerade ausgewogen. Alles, was man unterwegs isst, muss ja auf dem Rücken getragen werden, es soll also leicht sein und satt machen. Da es hier nur Baguette gibt, fällt die Brotauswahl schon mal nicht schwer. Dazu gibt es Wurst oder Käse und frisches Baguette wird auch schon mal pur gegessen.
Nüsse, getrocknete Früchte, Müsliriegel und Schokolade sind praktisch, weil sie Energie liefern und gut in den Rucksack passen.

Im Ort habe ich einen Schlecker entdeckt und mich gefragt, ob die auch hier von Insolvenz betroffen sind. Guter Dinge fragte ich also nach Sonnencreme. Die Dame verstand mich aber nicht und das spanische Wort kannte ich nicht, aber ein Fingerzeig in mein Gesicht machte schnell klar, was ich suchte. Tatsächlich habe ich eine Flasche mit LSF 25 für nur 3,99€ bekommen. Das muss die billigste Sonnencreme in ganz Spanien sein!
Was bin ich froh, dass ich mit dem Einkauf gewartet hatte.

 Morgen früh an meinem Geburtstag kann ich endlich den Brief, den ich von Johannes mitbekommen habe, öffnen. Ich freu mich schon sehr auf die Fotos, die er darin als Überraschung versteckt hat (da ich nur eines vor Abreise bekommen habe und wusste, dass er 3 hat entwickeln lassen, können die Anderen nur im Umschlag sein).
In dieser Herberge gibt es auch wieder Gratis- WLAN und ich durfte das iphone von You- Jin nutzen, um ein bisschen bei Facebook mit Freunden zu chatten.
Bald verkroch ich mich aber wieder ganz in den Schlafsack und ging schlafen, denn der Raum war immer noch bitterkalt.


Donnerstag, 21. Februar 2013

21. Februar- Los Arcos (ca. 22 Km)


Heute sind wir erst um 9.10 Uhr losgekommen. Wie jeden Morgen brauchen die Männer etwas länger als ich, um aus den Federn zu kommen. Ich finde das aber ganz angenehm, so kann ich mich in Ruhe anziehen und meine Sachen sortieren. Der Rucksack will klug gepackt werden, damit ich unterwegs nicht viel herumwühlen muss.
Heute gab es ja Frühstück und da haben wir uns viel Zeit gelassen. Wir haben keine Eile.
Wir müssen nur ankommen und dafür haben wir den ganzen Tag zur Verfügung. Weil noch kein Sommer ist, gibt es auch keine Mittagshitze, die uns das Laufen verbietet. 

Heute lag ein erstes Highlight auf dem Weg: Eine Weinkellerei hat für Pilger an ihrem Haus 2 Hähne angebaut- Aus dem einen kommt Wasser und aus dem Anderen Wein!
Gestern erzählte man uns, dass man den Wein traditionell aus der Muschel trinken soll und das habe ich natürlich auch getestet. Ging ganz gut, aber da es noch früh am Tag war, haben wir uns natürlich nicht betrunken. Allan hatte extra für heute einen Weinschlauch mitgebracht, in den er einen Liter Wein abfüllte. Das ist eigentlich nicht erlaubt, man soll nur vor Ort trinken. Aber das kontrolliert keiner. Außer, ihr schaltet die Webcam ein und kontrolliert die Pilger. Wir haben mindestens eine halbe Stunde am Brunnen verbracht, Pause gemacht und den Wein genossen.
Dann ging es weiter, denn Frank hatte uns vor einem Berg gewarnt, der heute kommen sollte und der steil und hart sei. Schon von Weitem sahen wir die Burgruine von Villamayor de Monjardin und dachten, dass wir bis auf die Spitze müssten, weil wir anderswo keinen Ort sehen konnten. Mutig machten wir uns auf den Weg und zur Sicherheit noch eine Pause, um etwas zu essen. Bevor es wirklich anstrengend wurde (wir mussten nur 5 Minuten die Gespräche unterbrechen, weil wir nur keuchen statt reden konnten) waren wir auch schon im Ort und froh, dass wir nicht zur Aussicht auf dem Berg genötigt wurden.

Der Berg, auf den wir nicht mussten
Ab jetzt ging es nur noch mäßig bergauf- und ab. Nach einer Pause an einem Brunnen im Schatten der Bäume machten wir uns an die letzten 10 Km. Wir liefen durch eine schöne Landschaft und durch absolute Einsamkeit. Wir sahen nur Hügel mit Wäldern, Felder, schneebedeckte Berge in der Ferne und die wegweisenden Muscheln. Der Weg schlängelte sich durch die Landschaft und weil es keinen Schatten gab, verbrannte ich mir das Gesicht. Da wir gen Westen laufen, verbrenne ich auch hauptsächlich die linke Gesichtshälfte. Sieht total super aus.
Nach einiger Zeit kamen wir in Los Arcos an, wo uns Hogy plötzlich entgegenkam. Er hatte an einer Weggabelung einen anderen Weg gewählt und 2 Km abgekürzt.
Am Ortseingang war ein Gehege mit einigen Ziegen und Zicklein, wo wir eine gefühlte Ewigkeit verbrachten, um die Tiere durch den Zaun zu streicheln. Allan ist fast so in Tiere vernarrt wie ich und wir machen bei jeder Gelegenheit Halt, um Hunde oder Pferde zu streicheln. Hunde gibt es hier viele, besonders in den Dörfern gibt es Hunde, die total verschmust sind und einen schon mal ein paar hundert Meter begleiten. Die Katzen sind leider in der Regel sehr scheu und lassen sich nicht anfassen.

Ich freute mich heute besonders auf die Herberge, weil sie von Österreichern geführt werden soll und so grüßte ich natürlich auf deutsch. Leider konnte keiner der beiden Hospitaleros mich verstehen, weil die Herberge im Winter von Spaniern geführt wird. Erst im März wird man hier wieder meine Sprache hören.
Die Spanier sind aber sehr lustig und nett und reichen uns zur Begrüßung einen Becher heiße Suppe. Das Haus ist sehr gemütlich, es gibt einen großen Aufenthaltsraum mit vielen Büchern, Spielen, einem Ofen und vielem mehr. Hier kann man es sich richtig gutgehen lassen.
Wir duschten, wuschen die Wäsche von Hand (es gibt nicht immer Waschmaschinen und außerdem kosten die immer recht viel Geld).
Das Einkaufen gehen ist in Spanien immer ein kleines Abenteuer, wenn man in Dorfläden muss. Denn die Besitzer öffnen und schließen die Geschäfte, wie es ihnen gerade passt. Die Frau eines der Männer war zu Gast und antwortet uns auf die Frage, wann der Laden öffnet "Um 6. Oder um halb 7. Oder später, das weiß man nicht so genau."
Der Laden war relativ teuer und auf Nudeln hatte ich heute keine Lust, so gab es für mich so etwas wie Milchbrötchen.

Wir verbrachten einen schönen Abend im Wohnzimmer, René spielte Gitarre, die Jungs waren in ihre Smartphones versunken (gratis WLAN) und ich musste den PC nutzen, wo ich für 30 Minuten 1€ zahlen musste. Hätte ich doch bloß ein Smartphone… Hach.
Aber egal, so viel Lust habe ich ohnehin nicht auf Internet. Ich nutze es nur, um bei Facebook zu schreiben, wo ich gerade bin und wie es mir hier so ergeht und um mit Johannes zu chatten.
Die Tage sind sehr voll, so dass ich kaum hinterherkomme, Tagebuch zu schreiben. Wir sitzen viel zusammen, unterhalten uns oder liegen faul im Bett. Gestern kam mir der Gedanke, dass es vielleicht bei all den tollen Spezialprogrammen, die es so für straffällige und schwierige Jugendliche gibt, eine gute Sache sein könnte, mit einer kleinen Gruppe zu pilgern. Das ist im Prinzip nur eine Idee- Aber Potenzial hätte das schon.*
So könnte man den Jakobsweg mit der Arbeit verbinden. Wenn ich so etwas überhaupt wollte. Vielleicht will ich auch, wenn ich (endlich) angekommen bin, auch nie wieder hierher?

Heute gehen wir etwas früher ins Bett, weil wir morgen um 8 Uhr aufbrechen wollen. Duck muss ja weiter laufen als wir. Wir Anderen haben beschlossen, dass der Plan, nur bis nach Viana zu laufen, gut ist und es die beste Art ist, meinen Geburtstag zu feiern und in Ruhe Logroño zu besichtigen.
Der spanische Hospitalero hat ein tolles Hobby und Talent: Er verbiegt Draht zu kleinen Figuren und hat mir einen Pilger mit einer Schnecke gebogen. Total cool, was man so alles machen kann, wenn man kreativ ist und  so wurde aus dem Stück Draht in einer Minute ein kleines Kunstwerk.



*Normalerweise greife ich ja nicht vor, wenn ich Dinge erst nach der Pilgerreise erfahren habe, aber es sei gesagt, dass die Idee zwar gut, aber alles Andere als neu war.