Sonntag, 24. März 2013

24.und 25. März- Rückreise


Als wir heute aufstanden, kam der Hospitalero und brachte Allan sein Portemonnaie. Einer der Hospitaleros hatte es gestern Abend gefunden und ihm vorbeigebracht. Wir waren echt froh, dass es wieder da war und es fehlte nichts!

Dann gab es ein Problem: You- Jin und Allan hatten eigentlich zugesagt, heute mit nach Santiago zu fahren, hatten sich aber beide dagegen entschieden. Für Allan hatten wir gestern schon einen "Ersatzmann" gefunden, der mit uns in der Herberge schlief, aber You- Jin hatte spontan abgesagt und das passte dem Hospitalero gar nicht. Es stellte sich heraus, dass es seine deutsche Frau war, die uns nach Santiago bringen würde und sie erklärte mir, dass sie eigentlich nur dann fahren, wenn mindestens 4 Pilger mitkommen. Sonst würden sie nicht genug Geld daran verdienen.
Sie nahm ihren kleinen Sohn mit und erledigte wohl in Santiago immer ein paar Besorgungen und finanziert sich die Fahrt mit den Pilgern. Keine schlechte Sache, denn wir alle profitieren davon.
Da You- Jin nun aber kurzfristig entschieden hatte, erst heute Nachmittag mit dem Bus zurückzufahren, klang es zuerst so, als wollte die Frau die Fahrt absagen. Ich hätte dann meinen Bus verpasst. Wir einigten uns darauf, dass wir ein bisschen mehr bezahlen und fuhren dann los (es war sogar immer noch ein klein wenig billiger als der Bus). Die Frau erzählte, dass sie sich nach ihrer Pilgerreise vor einigen Jahren in den Hospitalero verliebt hatte und dann ausgewandert war. Eine schöne Geschichte und ein schöner Ort, in dem sie gelandet ist. Ich könnte mir auch vorstellen, hier zu wohnen- Wenn es ein bisschen dichter an Hamburg liegen würde.
Es wurde ein schwerer Abschied von Allan. Wir wissen nicht, ob und wann wir uns wiedersehen werden und es war echt ein schwerer Moment für uns alle.

Alma musste mit aufs Gruppenfoto :)

Als wir am Busbahnhof in Santiago abgesetzt wurden, hatte ich noch über eine Stunde Zeit, bis der Bus kam. Ich kaufte die Postkarte, die ich wie versprochen an Serafin nach Boadilla del Camino schicken wollte (er hatte mir ja ein neues Handtuch geschenkt). Hogy würde die Karte später einwerfen.

Als es Zeit für meinen Bus wurde, liefen wir runter zum Abfahrtsort, an dem schon einige Leute warteten. Ich hatte eine Pappkiste mit allen Fressalien für die Fahrt, dem Kuchen für die Kollegen und einen Haufen Getränke. Ich könnte mit der Kiste 2 Wochen lang überleben und freute mich schon, sie neben mir auf den Sitz zu stellen. Daraus wurde aber nichts, denn der Busfahrer erlaubte nicht, dass ich die Kiste mit reinnahm. Essen sei im Bus verboten (das hatte ich auf der Hinfahrt nicht so erlebt, ist aber vielleicht Fahrerabhängig).
Ich musste sie unten ins Gepäckfach stellen und hatte keine Gelegenheit, etwas rauszuholen. Ich sehnte mich schon nach der ersten Pause. Da würde ich einiges in den Bus schmuggeln.

Unauffällige Fressalienkiste
Der Busfahrer kontrollierte die Passagierliste und fand meinen Namen nicht. Egal, in welcher Konstellation wir meinen Namen durchgingen, es gab keinen Eintrag, der meinem Namen ähnelte. Ich befürchtete, stehengelassen zu werden, wurde dann aber doch durchgewunken und konnte mitfahren.

Nach relativ kurzer Zeit (vielleicht 2 oder 3 Stunden) hielt der Bus an einer Straße vor einer Gaststätte für eine Pause an. Ich hatte leider niemanden, der mir die spanische Ansage übersetzen konnte, aber da alle den Bus verließen, stieg auch ich aus. Ich ließ mir meine Kiste geben und bekam große Angst, als der Bus plötzlich wegfuhr. Ich fand dann aber jemanden, der mir sagen konnte, dass wir eine Stunde Pause machen würden und der Bus deshalb irgendwo anders parken würde.

Ich sortierte meine Futterkiste und sammelte die Sachen, die ich während der Fahrt essen wollte, heraus, sowie die Getränke. Da ich die Jacke von Johannes dabeihatte und die mir zu groß ist, hatte ich genug Platz, um einiges an Proviant schmuggeln zu können. Ich lernte in der Pause eine Deutsche kennen, die auch nach dem Pilgern auf dem Weg nach Köln und in meinem Alter war. Wir unterhielten uns und verbrachten die kommenden Pausen zusammen.
Zufälligerweise hatte sie das gleiche Handy wie ich und passende Kopfhörer, die sie mir lieh, damit ich Musik hören konnte. Ich weiß nicht, warum ich keine Kopfhörer mitgenommen hatte. Vermutlich war ich wirklich viel zu geizig mit jedem Gramm Gewicht gewesen (was wiegen die, 10 Gramm?!) und hatte sie einsparen wollen oder es der Erleuchtung zuliebe gelassen. An die langen Busfahrten hatte ich gar nicht gedacht.
Muschelbastelei aus der Herberge
Irgendwann fuhren wir auf einen großen Rastplatz, an dem unzählige Reisebusse standen. Ein Mann lief durch den Bus und verteilte lauter bunte Kärtchen.
Ich erfuhr, dass das hier eine Art Umsteigeplatz war: Die Busse kamen aus verschiedenen Orten, trafen sich hier und mischten die Passagiere neu, bevor sie weiterfuhren. Ich bekam ein Kärtchen mit einer Busnummer, den wir draußen suchten. Erst einmal mussten wir aber lange warten.
Ich glaube 2 Stunden oder so mussten wir im Rasthof herumsitzen und warten, bis wir unser Gepäck aus dem alten Bus holen, in dem neuen verstauen und uns Plätze im Bus ergattern konnten. Es war furchtbar stressig, denn die Leute drängelten und schubsten einander herum und schmissen ihre Taschen unkontrolliert in das Gepäckfach, obwohl wir unsere Rucksäcke noch gar nicht rausgeholt hatten. Wir waren total genervt und froh, als wir endlich im Bus saßen und niemanden neben uns hatten. Wir hatten unsere Schlafsäcke mit reingenommen, um es uns für die Nacht so bequem wir möglich zu machen. Leider stiegen immer wieder Leute in den Bus dazu und bald hatten wir jeder jemanden neben uns. Wir bekamen 2 junge Spanier, die auf dem Weg nach Deutschland waren und sich dort Arbeit erhofften. Sie konnten kein deutsch und nur schlecht englisch- Ich hoffe, das sie Erfolg bei der Suche haben werden.

Im Bus wurde ein schlechter Film mit animierten Meerschweinchen gezeigt. Ich verstand zwar nichts, fand die Geschichte aber auch ohne Text doof. Als der Film endlich zu Ende war, wurde er direkt wieder abgespielt. Ich dachte, ich guck nicht richtig.
Aber als er dann ein drittes mal gestartet wurde, bin ich nach vorn und habe den Fahrer gebeten, den Film auszumachen. Ich habe ihm auf englisch und französisch gesagt, dass der Film jetzt zum dritten mal läuft es und es langsam nervt. Als ich wieder zu meinem Platz lief, bekam ich von vielen Fahrgästen zustimmende Blicke und Applaus. Na immerhin war ich nicht allein genervt. Dennoch lief er ein drittes mal durch.

Es wurde eine unbequeme und sehr lange Nacht. Der junge Mann neben mir sitzt offenbar gern breitbeinig, aber vielleicht geht es auch aufgrund seiner Beinlänge nicht anders. Es schläft sich natürlich auch nicht besonders entspannt, wenn man Angst haben muss, einem Fremden auf die Schulter zu rutschen und ihn vollzusabbern.
Ich versuchte, mich nur ans Fenster zu lehnen und bald tat mir alles weh. Die Fahrt zog sich ins Unendliche und gefühlt war sie das ja auch, immerhin würden wir gut 30 Stunden unterwegs sein.
Als es hell wurde, machten wir auch wieder etwas längere Pausen auf Rastplätzen und wir genossen es, uns die Beine vertreten zu können. So eine lange Busfahrt ist schon echt anstrengend.

Als wir wieder in Deutschland waren, landeten wir im Stau und so verzögerte sich unsere Ankunft am Hauptbahnhof um eine ganze Weile. Ich konnte langsam echt nicht mehr und wollte endlich aussteigen. Außerdem wartete Johannes bereits am Bahnhof und ich war schon ganz kribbelig, ihn endlich wiederzusehen.
Ich war richtig aufgeregt, als wir am Bahnhof einfuhren und ich ihn schon warten sah...

Samstag, 23. März 2013

23. März- Finisterre


Heute haben wir ausgeschlafen und sind dann in den Laden, um uns für einen schönen Tag am Strand auszurüsten. Wir kauften viele Dosen mit Softdrinks und Bier- Das haben wir uns verdient. Außerdem einen Haufen leckeres Essen.

Es war richtig gutes Wetter, klarer Himmel und viel Sonne. Wir legten uns an den Strand, sonnten uns und genossen den letzten gemeinsamen Tag. 
Es war so warm, dass die Jungs sich auszogen und wir gut ins Schwitzen kamen. Nicht schlecht für Ende März- Und einen ordentlichen Sonnenbrand gab es auch noch dazu.

Ich lief ein bisschen am Strand herum, machte Bilder mit Scrat und schrieb ein paar Sprüche in den Sand. Außerdem ging ich immer wieder bis zu den Knien ins Wasser. Es war zwar noch recht kalt, aber da meine Familie einen Wohnwagen an der Ostsee hat, waren wir als Kinder ständig da und ich bin abgehärtet.
Als meine Hose von einer Welle durchnässt wurde, beschloss ich, dass ich auch einfach mit Klamotten baden gehen konnte. Hogy kam mit und wir tobten in den großen Wellen. Nach einer Ewigkeit gingen wir durchgefroren aus dem Wasser und legten uns zum trocknen in die warme Sonne. Es hat nicht lange gedauert und meine Klamotten waren wieder trocken.





  
Nachmittags gingen wir zurück in den Ort und erledigten den Großeinkauf für die Rückfahrt morgen. Ich werde rund 30 Stunden im Bus sitzen und neige ja dazu, viel zu viel Proviant mitzunehmen. Außerdem wollte ich noch ein paar Sachen, die es in Deutschland nicht gibt, mitnehmen, unter Anderem eine "Tarte de Santiago" für meine Arbeitskollegen, denn ohne sie hätte ich nicht auf die Reise gehen können.
Vorher versuchten wir noch, Jakobsmuscheln am Strand zu finden, denn wir hatten den Tag am falschen Strand verbracht (denn da gibt es keine). Leider haben wir den Strand nicht gefunden. Ich hätte so gern ein paar Muscheln gesammelt und mitgebracht…


Wir gingen wieder in die Herberge und lernten dort ein paar neue Pilger kennen, unter Anderem eine junge Hippiefrau aus Berlin.
Wir kochten und verbrachten den Abend am Strand. Die Berlinerin hatte Pois dabei und tanze damit in der Dämmerung am Strand. Wir schauten uns den Sonnenuntergang an und tranken Bier.
Unser Hospitalero kam mit dem Hund zum Strand und lud uns ein, mit zu dem Mann zu kommen, der am Strand zeltete.
Dieser hatte ein großes Lagerfeuer entfacht und nach und nach trudelten andere Herbergsleiter mit ihren Pilgerschäfchen ein, so dass wir eine recht große Schar wurden. Es gab ein paar Musikinstrumente, viel Wein und ein paar Joints , an dem glaube ich einige Pilger zogen, ohne genau zu wissen, was sie da rauchten. Es war ein sehr heiterer und lustiger Abend und schöner hätte die Zeit am Meer kaum enden können.



 Als wir spät in der Herberge zurück waren, bemerkte Allan, dass er sein Portemonnaie verloren hatte. Er konnte es nirgends finden und hatte es aber sicher mit am Strand gehabt. Wenn es weg ist, wäre das eine Katastrophe, denn wie sollte er ohne Ausweis und so zurück nach Kanada kommen? Und außerdem hatte er sein ganzes Geld da drin. Er lieh sich meine Taschenlampe und zog noch mal los, um den Weg zum Strand abzusuchen. Er kam nach über einer halben Stunde frustriert zurück. Er  hatte es nicht gefunden, am Strand war niemand mehr und er konnte das Portemonnaie auch nicht finden. Hoffentlich hatte es keiner geklaut…

Allan hatte heute beschlossen, dass er noch ein paar Tage hierbleiben würde. Sein Flug ging erst in ein paar Tagen und was sollte er in Santiago, wenn hier das Paradies war?
In Santiago würde er niemanden mehr kennen und müsste die Tage allein verbringen, denn Hogys Flieger geht morgen Nachmittag. Wir motivierten ihn zu bleiben und es sich hier gutgehen zu lassen und der  Hospitalero hatte kein Problem damit, ihn so lange aufzunehmen. Das Haus ist ohnehin nicht ausgebucht und wir sind hier auch keine Pilger mehr, da kann man problemlos länger in einer Herberge bleiben.




Übrigens: Ich habe ganz vergessen, die Geschichte von "South Carolina" weiterzuerzählen. Das ist die Frau, die in Ledigos die abenteuerliche Geschichte ihrer Pyrenäenüberquerung erzählt hatte, bei der sie fast draufgegangen wäre.
Kim, der am gleichen Tag wie sie in St. Jean- Pied- de- Port gestartet war, erzählte Hogy, dass sie nicht über die Pyrenäen gelaufen war, sondern auf dem Weg irgendwo von einer Familie aufgegabelt wurde und dort übernachtet hat. Das hatte sie den anderen Pilgern am Tag danach berichtet. Man weiß nicht genau, welche Geschichte stimmt oder nicht doch alles ganz anders war. Jedenfalls kann man wohl nicht jedem Pilger seine Geschichten glauben. Schade, dass es auch hier Menschen gibt, die meinen, sich beweisen zu müssen, dabei hatte ich auf dem ganzen Weg nicht einmal das Gefühl, dass es nötig wäre. In der Pilgergemeinschaft ist man angenommen, wie man ist und muss sich nicht unnötig interessant machen. Aber das sieht wohl nicht jeder so, leider.

Freitag, 22. März 2013

22. März- Finisterre


Wir sind am Meer- Am Ende der Welt!

Und es ist wunderschön hier.
Nadja und Annegret laufen nach Finisterre, auch wenn Nadja einen Kater von gestern hat. Ich weckte die Jungs zeitig, damit wir rechtzeitig zum Busbahnhof kamen. Wir mussten uns bald auf den Weg machen und  mit Packen und Verabschieden war die Zeit recht knapp. Hogy kam wie immer schlecht aus dem Bett und trödelte, so dass wir echt in Zeitdruck gerieten. Wir verabschiedeten uns von den Anderen. Kim hatte noch eine Ladung Wäsche angemacht und würde einen späteren Bus nehmen. Wir liefen los, mussten uns beeilen und am Ende sogar rennen.
Hogys schlechter Orientierungssinn war dabei nicht gerade hilfreich, aber ausgerechnet er hatte in der Herberge den Weg erfragt.

Im Busbahnhof irrten wir kurz umher, weil wir nicht wussten, wo wir hinmussten. Wir wurden von einem Mann im Erdgeschoss nach oben zum Schalter geschickt, sahen den Bus aber schon unten stehen. Wir fanden keinen Schalter, an dem wir die Fahrkarten kaufen konnten und beschlossen zu versuchen, im Bus zu zahlen. Man hatte mir in der Touristeninformation gesagt, dass es möglich sei. In letzter Minute stiegen wir ein. Der Fahrer war verärgert, weil wir noch keine Fahrkarten hatten und er pünktlich loswollte. Mürrisch erlaubte er uns, einzusteigen und wir mussten das Geld passend im Bus zusammensammeln.

Die Fahrt dauerte gut 3 Stunden und es war seltsam, nach all den Wochen so schnell die Kilometer verstreichen zu sehen. Wie lange hatten wir gebraucht, 10 Km zu laufen- Rund 2 Stunden. Und jetzt brauchten wir dafür nur wenige Minuten.
Wir konnten immer wieder das Meer sehen und hatten eine wunderschöne Aussicht.

Als wir in Finisterre ankamen, wurden wir von einem Haufen Menschen angequatscht, die uns überreden wollten, in ihrer Pension zu schlafen. Wir hatten uns aber schon eine kleine Herberge aus meinem Buch herausgesucht und liefen dahin. Die Herberge war in einem kleinen Haus mit einer gut eingerichteten Küche und 6 Bett- Zimmern. Außerdem gab es- sehr zu Allans und meiner Freude- einen süßen Herbergshund, mit dem wir spazieren gehen durften.
Der Hospitalero meinte, dass man dem Hund nur "Alma, vamos a la playa" sagen müsse und dann bringe er uns zum Strand. Wir liefen los und der Hund brachte uns in einen Wald und seltsamerweise ging es immer weiter bergauf. Ich bezweifelte, dass dies der Weg zum Strand war, aber die Jungs wollten lieber dem Hund glauben. Irgendwann kamen wir aus dem Wald heraus und sahen im Tal eine Bucht. Wir waren sehr weit über dem Meeresspiegel und würden sicher nicht mehr zu einem Strand kommen. Hogy und ich beschlossen, umzudrehen, denn wir wollten gern zum Strand. Allan lief mit Alma weiter und erzählte später, dass er noch wilde Ziegen gesehen hätte.


Auf dem Weg zum "Strand" mit Alma
 Ich lief mit Hogy wieder runter und zum Strand. Wir zogen uns die Schuhe aus und liefen durch den Sand. Wir genossen es, am Meer zu sein- Für Allan, der in Vancouver in der Nähe vom Strand wohnt, ist das nicht so beeindruckend.
Wir hielten uns eine Weile am Wasser auf, bis ein Anruf von Kim kam. Er war inzwischen angekommen und wollte sich mit uns treffen. Da wir auf der anderen Seite des Ortes waren, brauchten wir etwas, um zum Busbahnhof zu laufen. Immer wieder rief Kim an und fragte, wo wir sind. Irgendwann erfuhr Hogy, dass Kim nur noch knapp 25 Minuten Zeit hatte, bis der Bus zurückfuhr und er den nehmen musste, weil er heute Nacht den Zug nach Barcelona nehmen würde.
Wir wunderten uns und rannten los. War er wirklich 3 Stunden gefahren, um nicht einmal eine Stunde bleiben zu können? Warum hatte er dann noch Wäsche gewaschen und war nicht mit uns gefahren?
Als wir ankamen, hatte er nur noch 15 Minuten Zeit. Er nahm sich ein Taxi, ließ sich schnell die 3 Km zum Kap herauffahren, knipste ein Foto und fuhr zurück. Das war wirklich verrückt! Wir mussten den Bus noch aufhalten und Kim kam im Allerletzten Moment angerannt, schmiss seinen Rucksack in den Bus und weg war er. So etwas kann auch nur Kim bringen!


Später machte ich mich mit Allan, Hogy und You- Jin, die wir hier wiedergetroffen hatten, auf den Weg zum Kap. Wir hatten uns einige Getränke mitgebracht und Sachen ausgesucht, die wir verbrennen wollten. Das ist Tradition und die Jungs und ich wollten auch nicht darauf verzichten.
Wir setzten uns ans Kap und genossen die wunderschöne Aussicht aufs Meer. Früher dachte man, dass hier die Welt zu Ende sei und nun musste auch der letzte Pilger einsehen, dass man nicht mehr weiterlaufen kann.

 Wir tranken unser Bier, rauchten eine Zigarrette (Allan hatte vom Hospitalero etwas Gras bekommen und rauchte einen Joint) und dann kam der Moment, auf den Allan und ich uns lange gefreut hatten: Wir mussten Hogy ein Geständnis machen.
In den letzten Wochen war ihm immer wieder auf unerklärliche sein Handy abhanden bekommen oder er hatte es an den unmöglichsten Stellen liegenlassen.
Mal lag es auf dem Bett, war weg, er suchte es überall und dann lag es plötzlich halb unter dem Kissen. Mal hatte er es auf dem Tisch liegenlassen und tauchte in einem anderen Raum wieder auf.  Einmal, als er es auf dem Bett vermutete, lag es plötzlich ein Stockwerk tiefer vor der Tür neben dem Aschenbecher. Hogy lachte jedes mal über seine Verplantheit und rief "Oooh. I'm so stupid!" Nun, das waren immer wir gewesen. Ich weiß gar nicht mehr, wann es angefangen hat, aber irgendwie hatten wir in den letzten Wochen immer wieder das Handy verschwinden und wieder auftauchen lassen und uns jedes Mal kaputtgekichert. Hogy hatte nie etwas mitbekommen. Leider aber Kim. Er hatte mich 2x gesehen und nicht verstanden, dass ich einen Scherz mache und hatte es Hogy in Santiago erzählt. Das hatten wir nicht mitbekommen, aber dennoch hatten wir große Freude daran, über unsere Streiche zu lachen.


Kilometer 0,0 - Weiter gehts nicht.

Metallschuh am Kap


Der Himmel war nicht ganz klar und so verschwand die Sonne nicht am Horizont, sondern hinter einer Wolke, aber dennoch war es ein hübscher Anblick, den wir schweigend genossen.
Danach blieben wir noch eine ganze Weile sitzen. Wir waren fast allein gewesen und die wenigen anderen Pilger waren inzwischen abgezogen. You- Jin fror und wollte in der Bar im Leuchtturm warten.
Wir versuchten, ein Feuerchen zu entfachen, aber das war gar nicht so leicht. Wir schafften es aber mit Papier und Hogys Boxershort. Es entzündete sich ein Feuer und wir verbrannten unsere Sachen. Ich opferte meine Crocs, ehrlich gesagt, ohne mir Gedanken darüber zu machen, dass es keine besonders umweltfreundliche Entsorgung war.


Als es schon spät und kalt war, liefen wir zurück zur Herberge. You- Jin war etwas angetrunken und lief mit Allan hinter Hogy und mir. Wir eilten voraus, um uns hinter einer Pilgerstatue, die am Wegesrand stand, zu verstecken und die Beiden zu erschrecken. Es klappte außerordentlich gut, dabei hatten wir sie zuvor schon einmal überrascht und Allan hatte sich fast in die Hose gemacht vor Schreck.

Eigentlich hatten wir geplant, morgen wieder nach Santiago zu fahren, weil ich übermorgen zeitig am Busbahnhof sein muss, aber der Hospitalero hat uns angeboten, dass ein Freund oder so uns fahren würde. Wir könnten so noch eine weitere Nacht bleiben und es würde auch nicht mehr kosten, als Bus zu fahren.

Wir verbrachten einen schönen Abend in der Herberge und gingen gut gelaunt ins Bett. Wir freuten uns darauf, noch einen ganzen Tag am Meer sein zu können, vor Allem bei diesem herrlichen Wetter.

Donnerstag, 21. März 2013

21. März- Santiago de Compostela


Gestern Abend habe ich meiner Freundin und Arbeitskollegin Steffi eine SMS geschrieben, um Bescheid zu sagen, dass ich am Sonntag Abend wieder in Deutschland sein werde, damit ich ggf. noch in den Dienstplan eingetragen werden kann. Daraufhin hat sie mich angerufen und wir haben lange telefoniert. Das war richtig schön!

Heute morgen habe ich mich allein auf den Weg in die Stadt gemacht. Ich brauche Schuhe und eine Hose. In den Stiefeln will ich nicht mehr laufen und die Crocs sind ja kaputt. Ebenso wie meine Hose, die seit Wochen im Schritt durchgescheuert ist und die ich seit einigen hundert Kilometern mit Tape kleben musste, weil sie ein großes Loch hatte. 
Ich bin erst einmal eine ganze Weile durch die Stadt geirrt, ohne einen Stadtteil mit Kleidergeschäften zu finden. Noch hatte aber ohnehin kein Geschäft geöffnet, also lief ich zurück zur Kathedrale, um in der Touristeninformation zu erfragen, wo ich einkaufen könnte. Ich erfuhr, wo die "commercial Area" war und stiefelte los. Irgendwie fand ich aber nur Schuhläden mit schrecklichen Schuhen, in die ich kein Geld investieren wollte. Ich fand einen Billigladen, in dem ich ein Paar "Chucks"  im Jeanslook bekam. In Kombination mit der Jeans, die ich gekauft hatte, sah das war nicht so super aus, aber dafür haben die Schuhe nur 12€ gekostet und außerdem bin ich Pilger. Deswegen zog ich mich auch auf offener Straße aus (ich hatte eine Radlerhose drunter!) und wechselte Hose und Schuhe. Ob die Menschen so etwas hier öfter sehen?
Nach 35 Tagen in Wanderhose und Regenhose fühlte sich eine engen Jeans ganz ungewohnt an und auch nicht mehr so pilgerig. Auch die anderen fanden meinen Anblick ungewohnt.

Das Laufen durch die Stadt war richtig anstrengend und stressig. Nach über einem Monat hauptsächlich in Natur, Dörfern und kleinen Ortschaften stressten mich all die Leute, die Autos, der Krach und der Gestank der Stadt.
Ich war froh, als ich meine Einkäufe erledigt hatte und lief zur Kathedrale, um die Anderen zu treffen. Wir gingen in die Messe. Wir setzten uns in ein Seitenschiff, für den Fall, dass der Botafomeiro, der berühmte Riesen- Weihrauchkessel heute geschwenkt würde.  Eine Pilgerin, die wohl schon einmal hiergewesen war oder mehr als wir über die Prozedur gelesen hatte, eilte herbei und ließ alle Pilger in der Umgebung herumrutschen, damit jeder eine gute Sicht auf den Kessel hatte. Wir mussten an den Rand der Bank rutschten und setzten uns, als die Frau vorbeigezogen war, wieder so hin, wie es uns gefiel. Sollte der Kessel gewirbelt werden, dann würden wir schon zusammenrutschen. Kim setzt sich neben uns.
Eine Nonne kam nach vorn und sagte, dass der Kessel heute nicht geschwenkt werden würde und lud uns ein, uns umzusetzen. Aber dazu hatten wir keine Lust. Sie brachte uns 20 Minuten lang seltsam monotone Gesänge bei, damit wir bei der Messe fröhlich mitsingen konnten. Ich vermisse meine Kirche, da singt man echte Lieder und nicht nur langgezogene, lateinische Worte.
Allan verlor schon während der Übungseinheit die Lust auf die Messe. Als es dann endlich losging, wurde verlesen, welche Pilger Santiago erreicht hatten, woher sie kamen und wo sie gestartet sind. Aber leider wurden nur die Namen der Pilger verlesen, die heute vor der Messe im Pilgerbüro die Compostela abgeholt hatten. Wir Helden, die gestern erst am Mittag  angekommen waren, wurden einfach ignoriert, dabei hatten wir gefühlt viele tausend Kilometer hinter uns und verdienten es, geehrt zu werden. Wir wussten zwar, dass das passieren würde (Alex hatte uns gesagt, dass nur die Pilger vom Morgen verlesen werden), aber ein bisschen beleidigt waren Allan und ich trotzdem.

Die Messe war fürchterlich langweilig, weil ich ja nichts verstand und Allan kein Interesse hatte, also fingen wir an zu flüstern. Wir synchronisierten den Priester und lachten und kicherten ein bisschen, versuchten aber, uns zu beherrschen, falls Andere der Messe folgen wollten. Kim spielte die ganze Zeit mit seinem iphone, er kann ja auch kein Spanisch. Er sah sich Fotos und SMS an. Zwischendurch sangen wir bei den Gesängen aber im Tenor mit (ich bin ein bisschen heiser).
Dann standen alle auf, schüttelten den Leuten in der Umgebung die Hände und wünschten sich Frieden.
Dann kam der Moment, in dem viele weinten - Und Allan und ich hatten den Grund dafür verpasst. War die Messe so ergreifend gewesen? Oder war es die Messe als symbolisches Ende der Pilgerreise?  Kurz nach dem Händeschütteln, als alle wieder saßen, schaute Kim von seinem iphone hoch und sah, dass noch Menschen weinten. Dann fing auch er an zu weinen.

Nach der Messe verabschiedeten wir uns von den meisten Pilgern, die wir auf unserer Reise kennengelernt und hier wiedergetroffen hatten. Einige würden heute wieder nach Hause fliegen.
Allan, Hogy, Jonas, Kim, Nadja, Annegret und ich gingen mit Sandra, die uns alle einlud, weil sie noch Geld übrig hatte und es gern so wollte, in ein Café, aßen Snacks und tranken Bier.  Wir saßen draußen und genossen die Sonne.

Auf dem Weg zum Café kamen wir an einem Laden vorbei, indem wir die Tarte de Santiago (ein Mandelkuchen), diverse Kekse, Schnäpse und Wein probieren konnten. Alles kostenlos und gekauft haben wir dann auch nichts, das ist eben das Geschäft mit den Touristen.
Wir saßen lange im Café, bis wir uns nach ein paar Stunden aufrafften, um die letzten Besorgungen zu erledigen. Allan und ich machten uns auf die Suche nach einer Halskette für seine Freundin und ich wollte auch gern eine kaufen.
Wir verabredeten uns alle für 18 Uhr an der Kathedrale, um zu versuchen, einen Platz im Gratis- Pilger- Essen- Hotel- Service- Angebot zu bekommen. Das ist ein Angebot vom *****- Hotel neben der Kathedrale, die nach einer alten Tradition jeden Tag 10 Pilger zum Frühstück, Mittag- und Abendessen einladen. Dazu muss man sich unten an der Garage melden und isst dann in einem separaten Raum. Hogy kannte das von seiner letzten Pilgerreise und das Essen war wohl ganz gut.
Allan und ich zogen durch die Läden und fanden allerhand Touristenzeug und teure Ketten. Keine Chance, da etwas mit nach Hause zu bringen, was nicht übermäßig kitschig war. Wir fanden Anhänger, die uns aber zu teuer waren und verglichen die Preise in den verschiedenen Läden. Unglaublich, wie die Preisunterschiede sind. Wir sahen den gleichen Anhänger zwischen 25 und 47€.
Irgendwann fanden wir einen kleinen Laden, der die Kette relativ günstig hatte und ich kaufte mir auch eine kleine Muschelhalskette.

Danach liefen wir zurück zur Herberge, weil  Allan seinen Pilgerausweis brauchte, damit er im Hotel mitessen konnte und wir brachten auch den von Nadja mit.
Wir waren tatsächlich die Ersten an der Hotelgarage und dann gesellten sich noch zwei junge Deutsche dazu, die den portugiesischen Pilgerweg gelaufen waren.
Zu Essen gab es Spiegeleier und Schinken mit einem Salat und zum Nachtisch eine Scheibe Dosenananas. Ob man das ein 5 Sternetaugliches Essen nennen kann, ist fraglich, aber vielleicht gibt es auch einen Extra Pilgerkoch. Aber wir wollen nicht meckern, das Essen ist gratis und die Tradition ehrenwert.
Sandra hat mir heute wieder Shampoo und Duschgel aus dem Hotel mitgebracht.
Nach dem Essen trafen wir vor dem Hotel noch eine Reihe Pilger, von denen die meisten von uns nur German kannten. Den hatten wir ja in Leon kennengelernt.
Heute Nachmittag hatte ich ihn schon mit Allan getroffen. Da ist etwas "lustiges" passiert: Eine blinde Frau kam die Straße entlang und tastete sich mit ihrem Stock vorwärts. Da Pilgerrucksäcke aber so ausladend sind, ist sie genau in den Rucksack von German gerannt. Allan, der mit dem Rücken zur Frau stand, fing an zu lachen, weil er dachte, dass irgendjemand reingelaufen wäre, ohne hinzusehen. Besonders er, der ja so laut gelacht hatte, hatte hinterher ein furchtbar schlechtes Gewissen.

Nachdem wir uns mit den anderen Pilgern unterhalten hatten, legten wir uns vor die beleuchtete Kathedrale, um sie kopfüber zu betrachten. Das war ein Tipp aus Annegrets Pilgerführer, der eine neuere Auflage als meine war. Die Kathedrale sieht aus der Perspektive wirklich noch einmal ganz anders und beeindruckend aus und wir lagen eine Weile herum.
Danach gingen wir zurück zur Herberge und deckten uns auf dem Weg mit Alkohol und Verpflegung für die morgige Reise nach Finisterre ein. Dann setzten wir uns auf die Treppe vor der Herberge, tranken und unterhielten uns. Danach setzten wir uns in die Küche und die Meisten tranken weiter. Jonas hatte einen Whiskey und Hogy eine Art Baileys gekauft und die Flaschen wurden herumgereicht.
Ich hatte aber keine Lust, mich zu betrinken und trank nur Alsterwasser (also Radler, für die südländischen Leser) und nur ein wenig von den anderen Getränken. Kim fing an- er war schon recht betrunken- versaute Witze zu erzählen, die Hogy übersetzen musste. Dabei musste er oft so lachen, dass er die Pointen versaute und wir nur die Hälfte verstanden. Es war ein lustiger und heiterer Abend und gegen halb 12 gingen wir nach oben, um langsam schlafen zu gehen. Morgen früh will ich mit Allan, Hogy und Kim den Bus um 10 Uhr ans Meer nehmen. 


Etwas verzerrtes Panoramafoto

Mittwoch, 20. März 2013

20. März- Santiago de Compostela! (ca. 21 Km)


SANTIAGO!!
Wir sind echt da- Wahnsinn! Nach 33 Tagen und nach 800 Kilometern sind wir wirklich angekommen.

Heute morgen kamen wir schlecht aus dem Bett, denn aufstehen und losgehen bedeutet, dass wir bald ankommen. Und wir waren uns immer nicht so ganz sicher, ob wir das wirklich wollten. Ich freue mich schon sehr, wieder nach Hause zu kommen und wäre am Liebsten schon wieder bei Johannes und meinen Katzen. Andererseits will ich die letzten Stunden der Pilgerreise und die kommenden Tage am Meer so gut wie möglich auskosten und  genießen, denn diese Zeit wird nie wiederkommen.
Irgendwann rafften wir uns auf und liefen los. Die Zahlen auf den Kilometersteinen wurden immer kleiner und wir kamen dem Monte do Gozo- dem Berg der Freude, immer näher. Von dort aus kann man wohl Santiago und die Kathedrale sehen und dann freut man sich ganz doll, bevor man die letzten 5 Km durch die Stadt zum Vorplatz der Kathedrale läuft.


Heute trafen wir auch wieder auf Sandra. Da sie ja in Hotels schläft, wissen wir nie genau, ob und wann wir sie wiedersehen. Wir freuten uns, sie getroffen zu haben und liefen mit ihr zum Monte do Gozo.
Der war- als wir endlich angekommen waren- eine echte Enttäuschung. Die Sicht auf Santiago ist durch mehrere Reihen gepflanzter Tannen oder so versperrt. Warum macht man sowas?
Fanden die Leute es lustig, den Pilgern die Sicht zu rauben und haben deswegen die großen Bäume gepflanzt, die auch im Winter ihr grünes Kleid behalten?
Hier hätte man vielleicht die Kathedrale sehen können...
Man konnte hinter weiteren Bäumen und Häusern eine Stadt erahnen, aber da ich das seit Beginn der Pilgerreise weiß, hat mir die bloße Information keine besondere zusätzliche Freude bereitet. Es hat mich eigentlich gar nicht erfreut.
Dennoch haben wir auf dem Berg eine Pause und Bilder gemacht und dann sind  wir in der Gruppe in die Stadt gezogen: Allan, Hogy, Jonas, Kim, Sandra, Annegret, Nadja und ich. Der Weg zur Kathedrale zog sich hin, da wir nach ein paar hundert Metern (oder einem Kilometer, wer weiß das schon)  bereits die ersten Straßen von Santiago durchliefen. Nach einer halben Stunde kamen wir der Innenstadt näher und trafen Alex, der gerade zurück zur Herberge wollte. Er schläft auf dem Monte do Gozo, weil es dort günstiger ist als in der Stadt zu schlafen und weil er morgen zum Flughafen laufen muss, der vor den Toren der Stadt liegt. Er hat kein Geld mehr für den Bus zum Flughafen und für Essen. Er entschied sich aber, noch mit uns zur Kathedrale zu kommen.

Auf dem Weg zur Kathedrale
 Wir liefen durch die Altstadt und versuchten zu realisieren, dass wir das Ende unserer Reise erreicht hatten. Es war nicht möglich- Oder doch?
Die letzten Wochen war Santiago unser Ziel, auf das wir uns zwar ausrichteten, aber das in weiter Ferne lag und jetzt waren wir tatsächlich in der Stadt…
Wie unerreichbar schien es an schweren Tagen voller Schmerzen und der Sehnsucht, anzukommen.

Als wir vor der Kathedrale standen, waren wir alle sprachlos und brauchten einen Moment für uns. Jeder für sich.
Manche haben sich hingesetzt, manche standen einfach nur staunend vor der großen Kirche. Ich legte meinen Rucksack ab, blickte zur Kathedrale und setzte mich dann. Die Kathedrale ist beeindruckend. Nicht nur von der Größe, sondern auch von ihrer Bedeutung her.

Dies ist das Ende unserer Pilgerreise.


Man kann nicht beschreiben, wie man sich fühlt, wenn man nach Wochen am Ziel ist. Nachdem wir uns umarmt, beglückwünscht  und ein bisschen geweint hatten, saßen wir einfach über eine Stunde vor der Kathedrale.
Ich schrieb eine SMS an meine Eltern und Johannes und mein Vater machte einen Screenshot unserer Gruppe über die Webcam.
Irgendwann ging ich mit Allan in die Kathedrale, um sie anzuschauen. Sie ist hübsch, aber nicht umwerfend, von außen beeindruckender als von innen.

Danach schmiedeten wir Pläne für den Rest des Tages. Allan und Hogy wollten ihr "Victorymeal" unbedingt bei Burger King einnehmen, das hatten sie seit Langem geplant. Nach einiger Zeit entschlossen sich alle, mitzukommen.
Ich erinnerte mich an die 5€, die noch in meiner Jacke waren. Die hatten wir ja im Schlafsaal in Villafranca gefunden und vermuteten, dass sie Kitty gehören. Die haben wir aber nicht wiedergetroffen und so hatte ich die Idee, das Geld Alex zu geben, damit er sich noch etwas zu essen kaufen konnte. Er kam mit zu Burger King und freute sich, dass er sich auch etwas holen konnte.
Wir ließen uns allen Papierkronen geben und setzten sie auf- Denn wir waren Champions!
Vorher haben wir natürlich unsere Compostela abgeholt. Kein besonders hübsches Dokument und wo man gestartet ist, hat die Leute auch nicht interessiert. Wir hätten uns über Standing Ovations und Applaus schon gefreut, aber stattdessen mussten wir ein Zettelchen ausfüllen, die Aufbewahrungsrolle bezahlen und das wars.

Nach dem Essen zogen wir in der Gruppe zur Herberge, die Kronen auf dem Kopf. Wir buchten gleich für 2 Nächte und bezogen unser Lager. Eigentlich wollten wir uns um 19 Uhr noch mit Teresa, Sandra und einigen Anderen, die wir getroffen hatten, an der Kathedrale treffen, aber wir kamen erst nach 19 Uhr in der Herberge an. Wir verlegten das Treffen auf 20 Uhr, um es dann später wieder abzusagen. Wir waren alle einfach erschöpft und unmotiviert und hatten wenig Lust, noch durch die laute und große Stadt zu streifen.
Wir verabredeten uns für morgen nach der Messe. Wir konnten uns nur noch aufraffen, um einkaufen zu gehen. Wir kauften alles, was das Herz begehrt. Leckeres Essen, Süßigkeiten, Chips, Bier, Wein, Liköre… Und verbrachten einen schönen und lustigen Abend in der Herberge. Lange Zeit saßen wir vor der Tür und genossen den Ausblick und den Moment. Aber dann wurde es zu kalt und wir gingen rein.
Besonders lange haben wir aber nicht mehr gemacht, irgendwann sind wir alle müde in die gemütlichen Einzelbetten gefallen.
Aussicht von der Herberge

Scrat kann es auch kaum glauben. Angekommen!

Dienstag, 19. März 2013

19. März- Pedrouzo (ca. 23 Km)



Heute schliefen wir etwas länger, da wir in Arzua in den Supermarkt mussten. Der Ort war aber nur 3,5 Km entfernt und die Läden öffnen erst um 9.30 Uhr. Außerdem hatten wir nur 23 Km vor uns und konnten uns Zeit lassen. Das tun wir jetzt ohnehin, denn morgen werden wir in Santiago ankommen und ich habe das Gefühl, dass man jetzt jeden Moment versucht, besonders zu genießen.
Heut war es trocken, morgens zwar neblig, aber mittags kam die Sonne raus.
In Arzua kauften wir ausgiebig ein- Wir hatten Hunger!
Wir setzten uns auf die Tische vor einer Bar und aßen in aller Ruhe. Die Barfrau war nicht gerade begeistert, dass von 4 Gästen, die alle ihr Privatzeug auspackten, nur 2 etwas bestellten. Aber das kümmerte uns nicht, wir sind Pilger und man kennt das hier.

Nebel am Morgen
 Immer wieder sprachen wir darüber, wie komisch es ist, morgen in Santiago anzukommen.  Das kann sich keiner von uns so richtig vorstellen. Wir sind jetzt so lange unterwegs, es fühlt sich beinahe an wie mehrere Monate und morgen soll es dann vorbei sein?
Auf dem Weg wollten wir in einer Bar Pause machen, die meinem Buch zufolge ganz toll sein sollte. Als wir in den besagten Ort kamen, war am Ortseingang eine Bar, aber wir wollten ja zur Bar am Ortstausgang, also liefen wir daran vorbei. Wir wussten zwar nicht, was an der Bar so toll sein sollte, aber wir wollten es herausfinden.
Als wir ankamen, war die Bar geschlossen, das Gelände verdreckt und das Gebäude zur Vermietung ausgeschrieben. Also drehten wir um und liefen zurück zur anderen Bar. Unterwegs trafen wir einen kleinen Hund, der sich uns anschloss. Da ich noch ein paar Würstchen hatte (die wir zum Kochen nutzen, aber wann würde die nächste Küche kommen?), gab ich sie dem Hund und daraufhin wich mir das Tier nicht mehr von der Seite. Im Gegenteil: Die kleine Dame rutschte immer dichter an mich heran und ignorierte die Lockrufe der Jungs. Ich musste schon rübergehen, damit der Hund in die Reichweite der Jungs kam. Vermutlich hatte sie die Hoffnung, dass ich noch ein paar Würstchen hatte, nicht aufgegeben und blieb immer dicht bei mir.



Wir liefen irgendwann, als wir noch mit der Barkatze gespielt hatten, weiter und der Hund kam mit. Wie ein Pilgerführer lief die Kleine vor uns her. Allan synchronisierte den Hund "Look! This is green. I love green! This is a tree. I love trees!" und so weiter. So merkten wir nicht, dass wir falsch abgebogen waren. Der Hund blieb an der Weggabelung stehen und wir machten noch Witze, dass sie nicht weiter mitkam, weil dies nicht der Camino war. Aber dann sahen wir an einer Hauswand wieder einen gelben Pfeil und eine Muschel, die an die Hauswand gesprüht waren.
Plötzlich öffnete sich ein Fenster und eine alte Frau streckte den Kopf aus dem Fenster und zeigte in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Sie erklärte, dass diese Pfeile ein Streich von Kindern waren, um Pilger zu verwirren.
Wir drehten um und merkten, dass wir auch gar nicht wieder an der geschlossenen Bar vorbeikommen waren. Wir überlegten, ob die Hündin vielleicht mit der Sprayerbande gemeinsame Sache machte, weil sie uns in die falsche Richtung hatte laufen lassen.

Als wir einige Zeit auf dem richtigen Weg weitergepilgert waren, kamen wir an eine coole Bar mit Hippies und vollgesprühten Wänden. Wir tranken etwas und dann fragte der Hippie herum, ob jemand Gitarre spielen oder trommeln könne. Allan trommelte, während der Mann dazu Flöte spielte. Kim hatte in der Bar etwas gegessen und Wein getrunken und wurde dann spontan eingeladen und musste nichts zahlen.

Nach einer ganzen Weile pilgerten wir auf unsere letzte Herberge vor Santiago zu.
Als wir ankamen hörten wir, dass Annegret heute hierher kommen würde- Also konnten Nadja und Annegret zusammen nach Santiago laufen. Nadja hätte sonst morgen auf dem Monte do Gozo auf sie gewartet.
Worüber wir uns auch sehr freuten war, dass Annegret Jonas mitbrachte. Wir freuten uns sehr, die Beiden wiederzusehen.

Am Abend kochten wir ausgiebig, denn die Herberge hatte nicht nur eine Küche mit Ausstattung, sondern auch Gewürze. Was Hogy aber erst merkte, nachdem er seinen Tiefkühlfisch ohne Öl und Gewürze zubereitet hatte. Er hatte ein paar Chips zerbröselt, um damit den Fisch zu würzen, bis jemand ihm vom Gewürzschrank erzählte.
Vor uns hatten 4 junge Deutsche die Küche genutzt, neues Öl gekauft und mitgenommen. Offenbar hatten sie beschlossen, den Liter Öl nach Santiago zu tragen. Da sie ein bisschen komisch waren , wollte auch niemand fragen, ob sie etwas vom Öl abbekommen könnten.
Allan und ich nutzen zum "anbraten" unserer Würstchen und Zwiebeln kurzerhand Rotwein, was erstaunlich gut schmeckte.
Hogy nutzte Wasser und versaute sein Essen total. Wie so oft schmeckte es "pretty shitty".

Die Deutschen, die sich "La quatro Pelegrinas" nannten, obwohl sie einen Jungen dabeihatten, saßen im Schlafsaal, tranken eine Menge Wein, waren laut und grölten Lieder. Sie nahmen keinerlei Rücksicht auf die anderen Pilger. Vielleicht wollten sie auch einfach Party machen und billig unterkommen?
Der Weg ist jetzt so voller 100 Km- Pilger, dass man kaum noch allein laufen kann. Ständig hat man vor und hinter sich andere Pilger. Wie kann man das im Sommer, wenn alles voller Pilger ist, bloß aushalten? Sommerpilger werde ich wohl nie werden. Zumindest nicht auf dem Camino Frances, also dem bekanntesten Weg, auf dem wir gerade sind.

Heute habe ich der Hospitalera die Schnarchaufnahme von Kim vorgespielt, um zu untermalen, warum er ein Einzelzimmer haben wollte. Sie fand das Schnarchen zwar beeindruckend, wollte aber keinen zweiten Schlafsaal öffnen. Später haben es noch mal zwei Männer versucht, die Spanisch konnten und da hat sie sich erweichen lassen. Wir saßen den Abend in der Gruppe zusammen, knabberten Sonnenblumenkerne und genossen das Wiedersehen mit Jonas und Annegret. Morgen geht es nach Santiago…. 

Galicische Eukalyptuswälder


Scrat in Hogys Schlafsack


Montag, 18. März 2013

18. März- Ribadiso (ca. 27 Km)


Nur noch 2 Tage… Es ist ein komisches Gefühl, bald anzukommen. Nur noch 2 Tage laufen und dann?
Seit der Grenze zu Galicien stehen am Weg alle 500 Meter Kilometersteine, die uns anzeigen, wie weit wir es noch bis nach Santiago haben und ich weiß nicht, ob es mich freut oder stört.
Wir sind heute alle in einer ganz komischen Stimmung. Gestern Abend schon waren wir etwas schlecht drauf, antriebslos und unmotiviert. Wir wollen endlich ankommen, unsere Füße sind kaputt und die Kathedrale ist unser Ziel, auf das wir uns ausrichten. Aber auf der anderen Seite bedeutet Ankommen auch, dass unsere Pilgerreise zu Ende geht. Danach werden wir uns trennen und uns vielleicht nie wieder sehen, geschweige denn noch mal zusammen auf dem Weg sein.

Allan, Hogy und ich haben entschieden, dass wir alle keine Lust und keine Motivation mehr haben, nach Finisterre weiterzulaufen. Wir haben alle das Gefühl, dass unsere Reise in Santiago zu Ende ist. Wir werden alle gemeinsam mit dem Bus ans Meer fahren und dort einen schönen Abschluss unserer Reise finden und die letzten gemeinsamen Stunden genießen.


Heute regnete es wieder den ganzen Tag und zwischendurch hagelte es sogar. Aber ich will mich nicht beklagen, wir hatten die letzten Wochen unverschämtes Glück mit dem Wetter.
Wir liefen durch Melide, der Pulpo- Hochburg von Spanien. Pulpo ist gekochte Krake, die kleingeschnitten und dann verspeist wird. Dabei erkennt man aber noch alles vom Tier, die ganzen Saugnäpfe und so.  Es sieht für mich echt gruselig aus, aber ich bin auch kein Meereskrammensch und auch bei Fleisch kritisch. Deswegen habe ich mir eine Kartoffel- Kohlsuppe bestellt. Etwas Anderes ohne Fleisch habe ich nicht auf der Karte gefunden.

Ich habe mir sagen lassen, dass der Pulpo sehr lecker gewesen sei. Ich wollte es aber weder glauben noch prüfen. Nadja hat sich getraut und sogar gleich eine ganze Portion bestellt- Sie hat ein Auslandssemester in Zaragoza hinter sich und dort so viele Sachen probiert, dass sie da ganz locker ist.
Ich meinte, dies sei der Moment, in dem ich Vegetarier werde. Ich habe die ganze Zeit diese Noppen von dem Tier gesehen und hätte das nie in meinem Mund stecken können.

Gruselig, oder?!
Als wir weitergingen, trafen wir wieder auf die Amerikaner: 2 Frauen mit 3 Kindern zwischen 10 und 14 Jahren, die ein paar Monate in Santiago gewohnt hatten und jetzt zum Abschluss die letzten 100 Km für die Compostela (Urkunde) pilgern. Das gehört ja auch irgendwie dazu, wenn man in Santiago gelebt hat. Der Junge ist 10 Jahre und hat Allan die ganze Zeit altklug über die Pilgerei belehrt. Wir mussten die ganze Zeit lachen, weil er erst seit 3 Tagen unterwegs ist und gar nicht weiß, was Pilgern wirklich bedeutet. Die Familie ist in jede Bar eingekehrt und die Kinder haben alles bekommen, was sie wollten. Cola, Saft, Chips, Kekse… Außerdem hat Mami das meiste Gepäck getragen.
Aber vielleicht macht es ihm Spaß und er kommt irgendwann wieder und läuft mehr als ein paar Tage.

Allan hatte heute wieder große Probleme mit seinen Blasen und wir finden es schade und ärgerlich, dass wir so kurz vor dem Ende noch solche Probleme mit Blasen bekommen. Seine aktuelle Blase ist wohl auch die Schlimmste der gesamten Reise. Langsam schleppten wir uns zur Herberge und staunten beim Anblick der Küche: Ein Riesenraum, völlig überdimensioniert mit 10 Doppelherdplatten-  Aber nicht einmal ein Teelöffel war zu finden. Die Küche war bis auf die Kochplatten und Schränke einfach leer. Zu blöd, dass wir unser Begleitfahrzeug mit dem Kücheninventar nicht dabei haben.
Zufälligerweise ist direkt neben der Herberge eine Bar, in der die Hospitaleros arbeiten und die zu gern Pilgern warmes Essen verkaufen.
Da ich nur noch hartes Baguette hatte und wir gestern vergessen hatten, für den heutigen Sonntag einzukaufen, musste ich in der Bar eine Pommes essen.

Bald darauf gingen wir Richtung Bett und ergaben uns unserer "Santiagodepression". Die Herberge ist schön, aber leider gibt es keinen Aufenthaltsraum und gut geheizt ist es hier auch nicht. Die Sanitäranlagen sind draußen (oben und unten offen) und das Wasser ist kalt. Da haben wir leider nicht duschen können, auf der Toilette war es schon bitterkalt.

 Kim ging als Erstes schlafen und fing bald an fürchterlich laut zu schnarchen. Ich steckte mir Oropax in die Ohren, um im Bett mein Tagebuch schreiben zu können. Aber ich finde die Stöpsel unangenehm und musste sie wieder rausnehmen und aufhören zu schreiben, ich konnte mich einfach nicht konzentrieren.
Das Schnarchen ist auch sehr unregelmäßig und abwechslungsreich. Kim hat zudem Apnoephasen, er atmet also einfach eine Zeit lang nicht und fängt dann wieder an und schnarcht wie ein Monster. Allan und ich fanden das so lustig, dass wir uns neben ihn setzten und Aufnahmen davon machten.
Irgendwann haben wir das Handy an Kims Ohr gehalten und das Schnarchen abgespielt. Er schreckte aus dem Schlaf und fragte, ob er das sei und wir konnten vor Lachen gar nicht antworten.
Wir hörten uns die Aufnahme noch ein paar Mal an und prusteten vor Lachen. Wir haben uns kaum wieder eingekriegt. Wir haben das vermutlich als Ventil für unsere seltsame Stimmung genutzt und es ging uns auch viel besser hinterher. Dennoch, nur noch 2 Tage…

Das ist übrigens Allan. 

Kilometerangabe alle 500 Meter

Sonntag, 17. März 2013

17. März- Palas de Rei (ca. 26 Km)


Heute standen wir auf und es regnete fürchterlich. Endlich würden unsere Regenbekleidungen wieder zum Einsatz kommen- Die Jungs sehen einfach herrlich darin aus. Allan musste heute allerdings die Stiefel wieder anziehen, weil es in den Sandalen nicht mehr ging.
Ich hatte den Faden heute in der Blase gelassen und einen Zweiten hinzugefügt, damit sich sie Blase auf keinen Fall wieder füllen und wachsen konnte.

Da es regnete, war es heute schwierig mit den Pausen, man kann sich ja nicht einfach irgendwo niederlassen. Nach 8 Km kamen wir in ein Dorf mit einer Bar. Die war zwar geschlossen, hatte aber viele Bänke und Stühle unter einem großen Vordach. Dort waren auch einige Katzen, die ganz heiß auf unser Essen waren. Zuerst waren es nur vier, später mindestens Acht. So genau wusste man das nicht, weil viele sich sehr ähnlich sahen und sie schwer zu zählen waren. Ein paar Katzen ließen sich streicheln und alle ließen sich füttern.


Das Laufen fiel besonders nach den Pausen schwer. Die Blase, die ich ja weder abkleben noch abdecken konnte, tat ganz schön weh.
Die Pilger, die Allans und meine Füße sehen, wenn wir sie in der Herberge verarzten, fragen immer, wie man damit bloß laufen kann und dass sie es sich nicht vorstellen könnten, mit solchen Blasen zu laufen. Wir wissen es auch nicht so genau- Zähne zusammenbeißen und hoffen, dass man bald ankommt.
Das Schwierigste ist, nicht zu humpeln oder zu versuchen, den Fuß anders zu belasten, weil das Schmerzen verursacht und neue Blasen provozieren kann.

Das Wetter war für uns echt nervig- Der Regen war recht stark, aber es war dabei nicht wirklich kalt. So war uns beim Laufen zu warm und in den Pausen zu kalt. Aber für die Galicier ist es gut, da es der erste Regen seit 4 Monaten ist und sie schon erhebliche Probleme mit Waldbränden haben.
Da die Herberge in Palas de Rei renoviert wird, mussten wir vor dem Ortseingang in der Herberge bleiben und zum Einkaufen noch über einen Kilometer in den Ort laufen. Dabei kamen wir an einem Pferd vorbei, dem ein Vorder- und ein Hinterbein eng zusammengebunden war. Warum macht man so etwas? Wir wussten es nicht und hofften, dass es eine vernünftige Erklärung für eine solche Maßnahme gibt. Nachdem wir es ewig gestreichelt hatten, wären wir am Liebsten reingeklettert und hätten es von den Fesseln befreit, aber wer weiß, vielleicht darf es aus gesundheitlichen Gründen gerade nicht herumgaloppieren. Deswegen haben wir es natürlich gelassen. Ich habe mir dafür am Zaun meine neue und teure Regenjacke aufgerissen.



Die öffentlichen Herbergen in Galicien sind mir recht unsympathisch. Die Duschen haben nie Türen, die Küchen sind oft groß, aber völlig leer, so dass man nicht kochen kann. Heute gab es eine Art Wok und das wars. Kein Geschirr, kein Besteck, nichts. Immerhin konnte ich im Wok Nudeln kochen und meine Dose Fleischbällchen in Champignonsauce erwärmen. Für Dosenfutter war es ganz lecker. Hogy hatte extra Plastikteller gekauft. Entweder wird so viel Inventar geklaut, dass die Herbergsbesitzer nicht mehr nachkaufen wollen oder sie wollen, dass man die Wirtschaft ankurbelt und in Gaststätten einkehrt.
Immerhin war die Dusche heute super. Sie war zwar offen, aber der Wasserstrahl war stark und man konnte die Temperatur gut einstellen.

Küche mit komplettem Inventar
 Um kurz vor 22 Uhr meldete der Hospitalero an, dass er gleich das Licht ausstellen würde. Warum auch immer sie den Pilgern keinen Lichtschalter anvertrauen wollen… So blieb ich mit den Jungs im Licht der Taschenlampen im Aufenthaltsraum und schrieb mein Tagebuch.