Mittwoch, 17. September 2014

14.09.2014: Santiago de Compostela!

Wir sind angekommen!
123 Tage, rund 2750 Kilometer.

Gerade sind wir auf dem Weg zum Kap Finisterre, zum Ende der Welt, um dort ein paar Tage urlaub zu machen.

Seit wir in Spanien sind, haben wir so viele tolle Menschen um uns, dass ich nicht zum schreiben komme und mir die Zeit auch gar nicht nehmen wollte. Ich habe einfach jeden Abend genossen.

Ich werde nächste Woche nach Hause fahren und dann irgendwann anfangen, die Beiträge zu schreiben, die noch fehlen. Erst einmal muss ich aber eine Arbeit und eine Wohnung finden und viele Freunde treffen.

Es geht uns prächtig, so viel sei schon einmal verraten :)

Samstag, 30. August 2014

Tag 90: St.Jean-Pied-de-Port - Roncesvalles

Wir haben den wahrscheinlich schönsten Tag unserer Reise hinter uns und bestimmt gehört er auch zu den schönsten Tagen in unseren Leben.

Heute morgen sind die ersten Pilger schon sehr früh aufgestanden und raschelten mit ihren Plastiktüten. Frühstück sollte es ab 6.00 Uhr geben, aber die Ersten saßen schon viel früher am Tisch.
Die freiwilligen Helfer, die diese Herberge unterstützen, räumten den Frühstückstisch dann bereits 15 Minuten zu früh ab, weil wir mit zwei Amerikanerinnen die Letzten am Tisch waren. Vermutlich wollten sie die Zeit wieder herausholen, die ihnen die zu-Frühaufsteher weggenommen hatten.

Wir brachen ("erst") gegen 8 Uhr auf und kauften frisches Baguette. Wir genossen die Ruhe des Morgens, denn gestern waren so viele Touristen unterwegs,  dass man die Rue de la Citadelle, die Hauptstraße der Altstadt, nicht richtig ansehen konnte. 
Das Wetter ließ sich nicht gut einschätzen. Es war bewölkt, aber ob es sich halten, aufbrechen oder gar regnen würde war nicht zu erkennen und auch der Wetterbericht war nicht eindeutig.

Gleich zu Beginn der Etappe ging es recht steil bergauf und wir waren erleichtert, als wir nach 10 Minuten einen Mann mit rotem Gesicht schnaufend am Straßenrand sitzen sahen: Wir waren nicht die Ersten, die eine Pause brauchten.
Natürlich hatten wir nicht damit gerechnet, dass uns der Weg mehr anstrengen würde als die Neueinsteiger, aber wir waren dann doch überrascht, wie leicht uns der Aufstieg nach Huntto fiel und wie viele Pilger wir leichten Fußes überholten.
Manchmal tat es mir etwas leid, wenn wir an Pilgern vorbeispazierten, die richtig kämpften, denn sie konnten ja nicht wissen, dass heute nicht unser erster Tag ist.

Der Abschnitt bis nach Huntto war schon total hübsch, wir staunten dauernd über die Natur, die Aussicht und die Berge. Wir blieben immer wieder stehen, um Fotos zu schießen und ich knipste heute viel mehr als sonst, weil es so viel Schönes gab!
In Huntto machten wir eine kurze Pause und wollten dann eigentlich direkt weiter, um im nächsten Örtchen (eher eine Häusergruppe) eine richtige Frühstückspause zu machen.  Aber dann war da ein so niedlicher Hund, der uns herzerweichend zum Stöckchenspielen aufforderte, sodass wir noch ein bisschen blieben.

Der Weg führte in Serpentinen über einen kleinen Pfad und über uns sahen wir lauter Pilger. Ein junger Mann JOGGTE diesen steilen Anstieg in beachtlichem Tempo hoch! Er war natürlich kein Pilger, aber wir waren dennoch alle sehr beeindruckt.  Seine Beine bestanden nur aus Muskeln.Auf den 2km zwischen den beiden (einzigen) Herbergen vor Roncesvalles überholten wir zahllose Pilger, unter Anderem eine Amerikanerin, die mit winzigem Rucksäckchen lief und sich lauthals darüber beklagte, dass sie nicht erwartet hätte, dass der Weg SO hart werden würde. Vermutlich hat sie nur den Film "The way" gesehen und sich nicht großartig weiter eingelesen und ich finde ja, im Film sieht das alles wie ein netter Spaziergang aus. Die schwitzen oder schnaufen ja auch nie so wie man es im echten Leben tut.
Wir passierten einige Felsen am Wegesrand und beschlossen, unsere Frühstückspause hier zu machen.  Die Aussicht war prächtig und es ist schöner, in der Natur zu sitzen.

In Orisson war der Andrang auf die Sitzgelegenheiten so groß, dass kaum ein Platz mehr frei war. Überall standen und saßen Pilger und wir zogen nach dem Wasserauffüllen weiter, froh, unsere Pause vorher gemacht zu haben.
Die Aussicht von hier oben ist jedoch wunderschön und allein dafür lohnt es sich eigentlich schon, die Etappe zwischen St.Jean und Roncesvalles zu teilen. Der Sonnenuntergang ist hier bestimmt ein Traum.

Als wir weiterliefen, kamen wir an freilaufenden Kühen vorbei, die sich nicht für uns interessierten. Die kennen es ja, dass hier täglich lauter Pilger vorbeiziehen.

Es dauerte nicht lange und wir waren im Himmel. Also eigentlich nicht richtig im Himmel, aber in den Wolken und das fühlt sich an, als sei man richtig hoch.
Wir entdeckten in einiger Entfernung die ersten Pferde, die hier oben herumstreunen.
Der Wolkennebel wurde immer dichter und irgendwann hatten wir so gut wie gar keine Sicht mehr (für den Leser ist das gut, sonst hätte ich sicher viel mehr zu erzählen).

Der Weg führte viele Kilometer über eine betonierte Straße und es fuhren auch einige Autos an uns vorbei. Die Sicht war die meiste Zeit auf etwa 40-50 Meter begrenzt und immer wieder sahen wir Pilger vor uns aus dem Nebel auftauchen. Wir überholten viele von ihnen, aber so voll wie befürchtet war der Weg nicht. Wir sind ja recht spät aufgebrochen und die meisten haben sich in aller Herrgottsfrühe auf den Weg gemacht,  )um diese Etappe zu meistern.
Es sah immer sehr geheimnisvoll und wie verzaubert aus, wenn die Pilger im Nebel auftauchten oder von ihm verschluckt wurden.
Einerseits war es schade um die Aussicht, die wir verpassten,  andererseits war es total schön, im Nebel zu laufen. Schwitzen mussten wir wenigstens nicht und wir hofften darauf, irgendwann über den Wolken zu sein und eine hübsche Sicht von oben zu bekommen.

Wir erreichten einen Parkplatz mit einigen Autos.  Das wies darauf hin,  dass hier bei gutem Wetter etwas zu sehen sein muss. Wir konnten nur eine kleine Mauer in etwa 50 Metern Entfernung ausmachen (nicht besonders sehenswert).
Auch von der Marienstatue konnten wir nichts erkennen, wollten sie im Nebel aber auch nicht suchen gehen und zogen somit weiter.
Immer wieder hörten wir Glocken klingen und manchmal konnten wir ein paar Schafe sehen, die in unserer Nähe herumliefen. Einmal lichtete sich der Nebel kurz und ich sah, dass es eine riesige Herde war.

Während einer Pause auf ein paar Felsen mit Blick auf weiße Nebelwände hatten wir plötzlich für wenige Minuten eine fast klare Sicht. Dieser Moment war unglaublich faszinierend, weil wir ja keine Ahnung hatten,  wie es um uns herum aussah. Wir erblickten ein kleines Tal,  auf der gegenüberliegenden Seite eine Straße und ein paar Häuschen.  Am Ende der Sicht konnte man das Tal in weiter Ferne sehen und wir bekamen eine Ahnung davon,  wie hoch wir inzwischen waren. 
Viel zu schnell zog die nächste Wolke heran und hüllte uns wieder in ihre Watte ein- Unsere eigene kleine Welt, in der wir nicht mehr von der prächtigen Schöpfung abgelenkt wurden.

An einem Autokiosk und einem Kreuz vorbei stiegen wir weiter bergauf. Es ging durchgehend bergauf, aber selten besonders steil, so dass uns das wirklich nicht anstrengte. Ohne 3 Monate warmlaufen ist das aber sicher dennoch kein Spaziergang.Zwischendurch konnten wir die Sonne am Himmel sehen, auch wenn sie nur durch Wolken hindurchschien. Ein echter Lichtblick und wir waren frohen Mutes, dass sich das Wetter bessern würde.
Gleich darauf sollten wir sehen,  dass wir uns nicht getäuscht hatten.

Wir stiegen einen Pfad hoch und sahen rechts von uns eine Schafherde. Schaf für Schaf materialierte sich aus dem Nebel und wuchs zu einer ganzen Herde heran. Plötzlich riss der Nebel auf und gab die Sicht nach vorn frei.  Zwei Bergspitzen und Pferde tauchten auf und dies war ein magischer Moment,  den ich gar nicht mit Worten einfangen kann. Nach Stunden im geheimnisvollen Nebel hat man keine Vorstellung davon,  wo man ist und wie die Umgebung aussieht und auf einmal darf man einen kurzen Blick darauf werfen.

Eine Pferdemama stand mit ihrem Fohlen an unserem Weg und ich setzte mich auf einen Stein in der Nähe. Dies war ein Augenblick, den ich genießen wollte. Die Tiere waren nicht scheu und grasten friedlich nur einen Meter von den Pilgern entfernt.

Als wir unseren Weg fortsetzten, wanderten wir zwischen zwei Felsen hindurch und sahen blauen Himmel! Kurz vorher hatten wir schon ein paar blaue Flecken gesehen,  aber der Himmel auf dieser Seite des Berges war ernstzunehmend blau. Unter uns erstreckte sich ein Tal und wir befanden über den meisten Wolken. Wir waren so glücklich und sprachen uns immer wieder zu, was für ein Glück wir mit dem Wetter hatten.
Das wandern im Nebel hatte seine Faszination und ich würde das auch nicht tauschen, aber wir waren beide froh, dass es nicht dauerhaft dabei blieb, denn spätestens am Pass wollten wir sehen, was wir geleistet hatten.

Beschwingt zogen wir in Richtung Rolandsbrunnen und rechts von uns lag ein Wald am Hang,  durch den kleine Wolken zogen und ihn aussehen lassen wie verzaubert. Hier hätte man problemlos Szenen für den Herrn der Ringe oder ähnliches drehen können. 

Das Wasser der Rolandsquelle war frisch und lecker und wir legten eine kleine Pause ein. Gleich würden wir die Grenze zu Spanien überschreiten, aber im Grunde bleiben wir ja erst noch im Baskenland. Dennoch: Wir haben offiziell Spanien erreicht! Nach 2 langen Monaten in Frankreich, wahnsinn!

Der weitere Weg führte uns durch zauberhafte Natur. Ich hätte alle 20 Meter ein Foto schießen können und vielleicht habe ich es auch manchmal getan. Es war aber auch zu schön!

Wir sahen nummerierte lange Holzpfeiler in dichten Abständen am Wegesrand. Diese sollen Pilger, die von schlechtem Wetter überrascht werden den Weg weisen, denn bei Schnee sieht man ja keine gemalten Pfeile. Immer wieder sterben hier Pilger im Winter, die nicht auf die Warnungen des Pilgerbüros hören und die Route Napoléon laufen wollen. 

An einer Schutzhütte mit Kamin, Holz und Notfalltelefon vorbei stiegen wir immer höher und kamen so zum Pass auf 1.420 Metern Höhe. St.Jean-Pied-de-Port liegt übrigens auf 163 Metern.

Die Aussicht war beeindruckend und wir waren ebenso beeindruckt, wie fit wir noch waren. Hier erfahren wir selbst, wie viel Kondition wir in den letzten Monaten bekommen haben.
Wir gönnten uns eine lange Pause und blickten ins Tal. Die meisten Pilger zog es nach ein paar Bildern und einer kurzen Verschnaufpause weiter nach Roncesvalles, dabei war es gerade einmal 14.30 Uhr.

Wir konnten von oben die Weggabelung sehen, an der sich die Pilger entscheiden mussten, ob sie den direkten und steilen Weg nach Roncesvalles gehen wollen oder ob sie einen weniger steilen und dafür etwas längeren Abstieg wählen. Unser Führer empfiehlt die einfache Variante, aber da fast alle Pilger den steilen Weg wählten uns uns die steilen Abstiege oft Spaß machten,  wählten wir diesen dann auch.
Es ging mit 25% Gefälle ganz schön zur Sache und Johannes,  der in Sandalen lief, bereute seinen Entschluss dann doch etwas. Aber wir kamen gut herunter, aberhinter uns stürzte eine Pilgerin, die sich glücklicherweise nicht verletzte.

Es ging gut 450 Höhenmeter herunter, verteilt auf 4 km.
Dieser Abstieg erfordert Konzentration, da die Knie nicht überlastet werden sollten und kein Stein übersehen werden darf. Im Endeffekt war der Weg nach unten dann aber halb so wild (nur das erste Stück ist übel,  danach geht es durch hübschen Wald angenehm bergab).

In Roncesvalles angekommen bekam ich einen ersten Eindruck,  wie unterschiedlich hier im Winter und Sommer gearbeitet wird. Bei meinem ersten Besuch im Februar 2012 war ein kleines Büro in einem anderen Gebäude geöffnet und nun wurden wir in einem riesigen Betrieb empfangen. Es gab eigene Räume nur für die Schuhe, mehrere Automaten mit Snacks, Fertiggerichten und Getränken und eine sehr große Küche.
Unser Schlafsaal war unerwartet luxuriös: Zwar mussten wir in den dritten Stock laufen, hatten dafür aber die gemütlichen Dachschrägen. Viele Einzelbetten standen in Zweierkabinen mit je eigenem Spind (bei mir lag sogar schon ein Euro bereit) und mit Steckdosen. Wlan gab es zudem frei Haus ins Bett. So ein Luxus!
Auch die Sanitäranlagen waren gut und ich musste nicht einmal warten, um zu duschen (einer der Vorteile, wenn man relativ spät ankommt).

Im Keller gab es zahlreiche Waschmaschinen und Waschbecken und unsere von Hand gewaschene Wäsche wurde sogar in einer kleinen Wäscheschleuder durchgeschüttelt und würde so viel schneller trocknen.
Auf dem Gelände gab es plötzlich Läden und offene Türen, damals war hier alles einsam und verlassen.

Als wir die Pilgermesse besuchten,  staunte ich nicht schlecht: letztes mal hatten 3 Brüder die Messe heruntergerattert und waren dann schnell wieder verschwunden. ,icht so heute. Eine ganze Gruppe Brüder wohnte der Messe bei, Texte wurden in mehreren Sprachen verlesen und es gab sogar Orgelmusik!
Und es wurde (wahrscheinlich wegen mir und der Aktion von damals oder weil sie mich erkannt hatten) angekündigt, dass nur Katholiken an der Kommunion teilnehmen dürfen.

Nach der Messe wurde der Pilgersegen in mehreren Sprachen gesprochen und danach konnten wir den Kreuzgang besichtigen, für den wir tagsüber 3€ Eintritt hätten zahlen müssen und konnten auch noch andere Bereiche der Kirche besuchen.

Als wir abends im Bett lagen und das Licht um 22 Uhr auschalzet wurde, gab ein Schnarcher sich alle Mühe,  den Schlafsaal wachzuhalten.
Er schnarchte so laut und kreativ, dass man nach 10 Minuten einige Pilger kichern hörte. Andere meckerten und hier und da imitierte jemand das Geschnarche. Nach 20 Minuten stieg ein zweiter Schnarcher ein und es gab ein Duett. Ich steckte mir meine Ohrenstöpsel in die Ohren und drehte mich zufrieden auf die Seite, um zu schlafen. Da spürte ich, dass der zweite Schnarcher neben mir lag und ich die Vibration des Schnarchens spüren konnte. Im Prinzip schlafen wir nämlich alle in Doppelbetten, aber in der Besucherritze ist eine große Trennwand,  sodass man dann doch allein liegt.

Sonntag, 24. August 2014

Tag 89: Utxiat - St.Jean-Pied-de-Port

Donibane Garazi!

Das ist der baskische Name für St.Jean-Pied-de-Port und das bedeutet,  dass wir angekommen sind!
(Ging ganz schön schnell,  oder?!)

Heute morgen brachen wir in aller Herrgottsfrühe auf. Es war noch dunkel und das hatten wir ja eigentlich nicht mehr gewollt, aber wir waren gestern so früh im Bett,  dass wir wach genug waren und wir wollten gern früh am Ziel ankommen, um genug Zeit zum Schuhkauf zu haben. Wir hatten nur etwa 14km vor uns und hofften,  zwischen 11 und 12  Uhr anzukommen.

Wir packten unsere Habseligkeiten im Licht der Taschenlampen und verließen unser Refuge, um die letzten Kilometer nach St.Jean-Pied-de-Port zu laufen.

Wir mussten gleich zu Beginn eine Weide überqueren und die Schafe schauten uns verwundert an, weil es gerade erst dämmerte und jetzt schon Pilger durch ihr Wohnzimmer liefen.

Es hat auch seinen eigenen Reiz, in den Sonnenaufgang hineinzuwandern, aber das Aufstehen und Packen im dunklen liegt uns einfach nicht so.
Die Welt erwachte langsam und der Morgen war neblig und wolkenverhangen. Leider änderte sich das auch nicht mehr und wir hatten keine Sicht auf die Berge,  an deren Füßen wir entlanggelaufen sein müssten.

Wir liefen durch einige kleine Orte- das Baskenland kann sich wirklich sehen lassen- und kamen an mehreren hübschen Kirchen vorbei.

Diese letzten Kilometer vor St.Jean-Pied-de-Port zogen sich und gingen gleichzeitig total schnell vorbei. Wir waren beide auf unsere Weise gespannt und aufgeregt.
Johannes, weil für ihn alles neu ist und für mich, weil ich heute an den Ort kommen würde, an dem vor 2,5 Jahren mein Pilgerweg begann.

Ich freue mich seit Monaten auf diesen Tag.
Ich habe mich schon vor Beginn der Reise darauf gefreut,  nach fast 2000 Kilometern in St.Jean einzulaufen. Ich habe mich auf das alte Tor gefreut und auf die alte Madame Jeanine in der Herberge, auf die Kirche,  auf die Aussicht und auf die Erinnerungen an diesen Ort.

Dass ich das heute hier bin ist nicht selbstverständlich und zwischendurch hat mein Knie es es auch spannend gemacht und offen gelassen, ob ich überhaupt hier ankommen werde. Inzwischen geht es übrigens ganz gut.  Die Wunde vom Sturz ist fast verheilt und die Schmerzen im Knie sind kaum noch nennenswert.

Viele Gedanken und Erinnerungen gingen mir durch den Kopf, als wir auf den Ort zuliefen und als wir (endlich) in St.Jean-Pied-de-Port ankamen und durch das Tor schritten, durch das vor uns schon so viele Pilger vor uns gelaufen waren,  war das ein ganz besonderer Moment.

Wir meldeten uns im Pilgerbüro an, mussten ein bisschen hin- und herüberlegen und ein klein wenig mit den Mitarbeitern diskutieren, wie wir das mit unseren Pilgerausweisen machen. Seit vorgestern ist unser zweiter Ausweis voll, für die Mühle von gestern wollen wir uns selbst einen "Stempel" malen und heute käme dann der Stempel aus St.Jean dazu. Nun haben die uns in Le Puy aber ihren Stempel schon in den Ausweis reingedrückt und mit dem können wir uns auch nach einem Monat nicht anfreunden.
Der Stempel gehört da einfach nicht hin.

Wir hatten uns also mehrere Möglichkeiten überlegt, unser Problem zu lösen und erst waren die Mitarbeiter im Büro gegen den einen Vorschlag, dann ging die andere Idee nicht,  weil die Ausweise von ihnen anders aussehen als die aus le Puy und so weiter.
Im Endeffekt werden wir zwei kopierte Seiten des alten Ausweises in den neuen Ausweis kleben (damit überkleben wir den Le Puy- Stempel) und gewinnen eine Seite,  denn die werden wir vermutlich brauchen.
Nachdem geklärt war,  wohin der St.Jean-Stempel kommt,  bekamen wir einen Platz in der städtischen Herberge zugewiesen, durften aber erst über zwei Stunden später hinein. Die Mitarbeiterin war eine ganz liebe Madame,  die (nachdem sie unser Credentialproblem verstanden hatte) sich noch mit uns unterhielt und erzählte, dass sie und einige der Mitarbeiter heute ihren letzten Tag hatten und sie nach 2 Wochen auch ganz schön ausgepowert ist. In den letzten Tagen sind immer um die 300 Pilger im Büro registriert worden worden,  es verspricht also recht voll zu werden ab morgen.

Wir stellten unsere Rucksäcke im Büro ab und gingen erst einmal einkaufen. Wir mussten ein paar Vorräte besorgen, da es morgen und evtl. übermorgen nicht so viele Möglichkeiten zum Einkaufen gibt. Wir besorgten noch ein Dankeschön für die freiwilligen Mitarbeiter im Pilgerbüro und erkundeten die Schuhgeschäftelage.

Als die Herberge öffnete, gingen wir duschen und machten uns dann auf eine etwa zweistündige erfolglose Suche nach neuen Schuhen. Der Laden,  der schon seit zig Kilometern für sich wirbt hat im Prinzip nur Schuhe von Salomon und die haben mir nicht gepasst.  Ich habe breite Füße und diese Schuhe sind alle recht schmal, das konnte der Verkäufer nicht schönreden, auch wenn er es natürlich versucht hat. Aber wir kauften ihm immerhin den Outdoorreiseführer ab.

Der Sport- und Outdoorladen der Stadt hatte fast nur Schuhe von einer billigen Marke,  die weder einigermaßen passten noch besonders haltbar aussahen. Also mussten wir aufgeben,  denn weder Johannes noch ich konnten Schuhe finden, mit denen wir es versuchen wollten.

Wir besichtigten den Ort ausgiebig und liefen sogar in den Nachbarort, um festzustellen,  dass die Kirche geschlossen war.
Der Ort war unglaublich voll, es waren sehr viele Touristen unterwegs. Pilger sahen wir erst einmal weniger als gedacht.
Auf einer Bank am Fluss genossen wir die Sonne, bis Johannes von einer Wespe gestochen wurde. Einmal in die linke und dann in die rechte Hand,  beim Versuch sie zu verscheuchen. Das arme Tier saß danach völlig geschwächt auf einer Blume und wusste bestimmt nicht,  was gerade genau passiert war.

Am Nachmittag klarte der Himmel etwas auf, aber besonders viel konnte man von den Bergen, die wir morgen überqueren wollen, nicht sehen. Dennoch hatten wir von der Zitadelle des Ortes eine hübsche Aussicht und wunderten uns über den Touristenansturm.

Am Abend gingen wir essen.  Das hatten wir uns ja schon vor einiger Zeit vorgenommen.  Wir gingen in das Restaurant,  das uns von der Mitarbeiterin im Pilgerbüro empfohlen wurde und nachdem wir mehrere Male vor verschlossener Tür standen,  war es irgendwann endlich offen. Plötzlich war es total voll und so bekamen wir nur noch einen Platz auf der Terrasse mit Plastikstühlen und in Windeseile war die Terrasse voller Kunden. Ein junger Kellner hetzte zwischen den Tischen hin und her und ließ sich deutlich anmerken, dass er überfordert und gestresst war.
Das Essen war nicht besonders aufregend, erwähnens- und lobenswert ist lediglich das leckere Mousse au chocolat, davon hätten wir uns gern noch einige Portionen einpacken lassen.

Es ist unglaublich,  dass wir es bereits bis hierher geschafft haben!
Morgen werden wir offiziell Spanien erreichen (inoffiziell bleiben wir erst noch im Baskenland).

Es ist wirklich nicht mehr weit bis zum Ziel.

Tag 88: Aroue - Utxiat

Eine Nacht im Bett!  So etwas ist Ewigkeiten her. Und ich hab leider nicht gut geschlafen. Mir fehlten die Geräusche von draußen und irgendwie habe ich mich viel hin und hergewälzt.
Wir standen recht früh auf, denn wir hatten einen langen Tag vor uns. Es war noch nicht einmal hell und die ersten Pilger eilten schon los.

Wir machten uns in Ruhe fertig und brachen auf, als es gerade hell wurde. Der Nebel lag noch zwischen den Hügeln und wir kletterten hoch in den Ort. Wir hatten wieder eine hübsche Sicht auf die Pyrenäen und zwischendurch wurde es richtig kitschig, denn Kühe standen auf einer Weide, ihre Glocken klimperten und im Hintergrund sah man die Berge.

Wir liefen und liefen und machten irgendwann einfach am Straßenrand unsere Frühstückspause, weil es keine Möglichkeit zum Sitzen gab. 
Wir liefen viel auf und ab durch Natur und es war wirklich hübsch.

Mittags kamen wir an eine Kreuzung, an der wir uns zwischen zwei Wegen entscheiden mussten. Der eine Weg war wohl der historische Weg durchs Tal, der Andere führte über einen Berg an der Stele von Gibraltar vorbei. Wir entschieden uns dafür, die Stele zu besuchen, an deren Platz sich angeblich die drei großen Pilgerwege von Frankreich vereinen. Auch wenn dieser Platz irgendwann willkürlich festgelegt wurde (die historische Route der via Podiensis führt ja offenbar woanders entlang),  ist es ja doch ein interessanter Punkt am Weg. Dieser Abstecher bedeutete ein paar Extrakilometer und die Überquerung eines recht hohen Berges.

Wir entschieden uns dennoch für den Weg an der Stele vorbei und
liefen über Hügel in einen Ort, im dem wir immer wieder Schilder sahen, die uns vermutlich sagen wollten,  dass wir die Brücke nicht nutzen können.  Wir ignorierten diese Information erst einmal und als wir kurz vor der Brücke waren sahen wir, dass diese eingestürzt war. Überall lagen noch Reste im Wasser und am Rand,  auch Bäume hatten sich dazugesellt. Glücklicherweise stand die neue Brücke schon und ihr fehlte lediglich das Geländer, deswegen war sie vermutlich noch nicht freigegeben.
Wir konnten den Fluss also trockenen Fußes überqueren und mussten einen sehr steilen Anstieg über uns ergehen lassen.  Es ging eine ganze Weile im Wald bergauf,  über Steine und Geröll und teilweise war es mit meinen kurzen Beinen gar nicht so einfach an den Felsenstufen hochzusteigen.
Oben angekommen stand dann die Stele von Gibraltar, die wirklich unspektakulär war und auch nicht besonders schön anzusehen. 

Wir setzten uns in den Schatten und machten eine Pause,  denn von hier aus konnten wir sehen,  dass es gleich ziemlich lange steil bergauf und durch die pralle Sonne gehen würde.
Der Aufstieg war dann auch wirklich anstrengend und dauerte länger als gedacht,  aber oben an einer kleinen Kapelle angekommen war sofort klar, dass der Aufstieg und der längere Weg es wert waren.

Wir hatten eine unglaubliche Sicht auf die Pyrenäen oder waren sogar mittendrin. Die Berge wirkten so nah und so prächtig, sie sahen so schön aus,  dass es kein Foto festhalten konnte. In der Nähe grasten freilaufende Kühe und wir saßen lange an diesem Ort, zusammen mit überraschend vielen Pilgern, Wanderern und Touristen und genossen einfach den Ausblick.
Irgendwann zogen Wolken auf und verbargen die Fernsicht und ich war froh, dass wir vorher oben angekommen waren.

Während des Abstieges kamen wir an einer kleinen Kirche vorbei,  die unglaublich bunt und dekoriert war. Leider lief gerade eine Führung und so konnten wir uns drinnen nicht so gut umsehen.

Ostabat erreichten wir am Nachmittag und hatten Glück,  dass die Madame aus der Bar uns den kleinen Laden nebenan aufschloss, denn eigentlich war der noch für 1,5 Stunden geschlossen. Aber als sie hörte, dass wir noch weiterlaufen (was ungewöhnlich ist,  weil fast jeder hierbleibt) öffnete sie für uns. Wir konnten uns mit dem Nötigsten eindecken, um bis morgen über die Runden zu kommen und machten uns nach einer ausgiebigen Pause an die letzten Kilometer zu unserem Refuge.

Wir haben ja noch keine Ahnung,  was uns da erwartet.  Es kann ein Haus sein, aber auch nur ein überdachter Unterstand. Ich hatte in Ostabat im Outdoorführer etwas von einer alten Mühle gelesen und das ließ die uns darauf hoffen, auch Wände anzutreffen.
Wir waren auf diesem Stück erwartungsgemäß allein, da alle anderen Pilger in Ostabat eingecheckt hatten. Wir liefen bergauf und bergab über Feldwege und Pfade und unterhielten uns über die Heiligen der katholischen Kirche.  Wir hatten in der Kirche von Ostabat wieder Saint Antoine gesehen und Johannes hatte kürzlich ergooglet, dass er der Schutzpatron der Sozialarbeiter ist.  Das ist für mich ja gut zu wissen (falls ich mal einen Heiligen anrufen möchte).
Der heilige Antonius versteht sich Johannes Recherche zufolge auch auf verloren geglaubte (also verschlampte) Dinge und in Bayern nennen sie ihn deswegen angeblich "Schlampertoni". Wenn das stimmt,  ist das ein ziemlich süßer Spitzname für einen Heiligen.

Wir erreichten unser Refuge am frühen Abend und hatten großes Glück: Es war ein altes Mühlengebäude mit Dach und Wänden. Innen stand ein großer Tisch und es lagen sogar drei Matratzen auf Holzpaletten.
Wenn das mal keine Einladung ist! Es hing sogar eine Wäscheleine quer durch den Raum und beim Nachbarn,  den es überhaupt nicht überraschte, dass wir hier schlafen, bekamen wir Zugang zu einem Waschbecken im Hof. Perfekt,  oder?!
In der Mühle gab es zwei Fenster,  die beide unverglast sind,  aber das stört uns nach so vielen Wochen im Zelt überhaupt nicht.
Wegen all des Staubes und um uns vor Mücken und Spinnen zu schützen, stellten wir das Innenzelt auf die Matratzen, hatten es so schön weich und waren gut geschützt. 
Das Zelt konnte so auch gut durchtrocknen, denn wir brauchen es ja ab morgen nicht mehr.

Wir aßen und genossen unser kleines Heim und da es kein Licht gab, gingen wir bald schlafen,  nachdem es dunkel wurde.
Der einzige Minuspunkt unserer Unterkunft ist die direkte Lage an der Landstraße. Aber man kann nicht alles haben, stimmts?

Sonntag, 17. August 2014

Tag 87: Navarrenx - Aroue

Heute kamen wir erwartungsgemäß etwas später los als geplant.  Wir waren ja erst spät im Bett gewesen, im Ort war party hard (es war dementsprechend laut) und wir haben es ja auch nicht eilig.

Der Fluss im Ort war nach dem Gewitter hässlich braun und unansehnlich. Gestern war er noch hübsch und klar gewesen und Menschen hatten darin gebadet.

Wir verließen Navarrenx über ruhige Straßen und einen Waldweg,  passierten ein paar Kirchen,  viele freilaufende Hühner und einen Baum, dem eine kleine Figur in ein Loch gesetzt wurde. Dem Schild nach handelte es sich um die Madonna,  die in Lourdes angebetet wird.  Der Baum war katholisch-kitschig dekoriert. 

Erfreulich war, dass wir heute nicht nur schönes Wetter,  sondern auch viele Blicke auf die Pyrenäen hatten. An denen kann man sich einfach nicht sattsehen.

Nach einem Pausenplatz,  an dem man hausgemachte Stopfleberpastete kaufen konnte (in Frankreich ist das ja erlaubt) kam die beste Pilgeroase des gesamten Weges: In einem Carport stand ein Tisch mit Bänken, was erstmal nicht so besonders ist. 
Besonders war, dass es hier einen Kühlschrank voller kalter Getränke gab, außerdem Kaffee,  Tee, Zucker und Milch,  Sirup, Wasser, Gebäck und so weiter. Pilger dürfen sich hier bedienen! Eine Spendenbox gab es nicht,  aber einen extra Briefkasten,  in dem wir gern etwas einwarfen. Die Münzen fielen auf Münzen und ich hoffe,  dass die Pilger genug spenden,  damit diese Oase nicht irgendwann eingestellt wird.

Ein Anwohner kam zu uns und machte uns darauf aufmerksam,  dass hundert Meter weiter eine Sekte sei. Er wollte, dass wir das wissen.
Wir waren verwundert- Martin hatte 2-3 Tage bei denen verbracht, das hatte er uns erzählt. Aber wir dachten,  dieser Ort sei viel dichter an Navarrenx. Wir hatten ihn eigentlich treffen wollen. Leider war er schon seit einer Stunde weg, als wir an ihrem Garten vorbeiliefen und deswegen schlugen wir die Einladung, ihrer Sekte beizutreten/ etwas zu trinken aus (mit dem Hinweis,  gerade etwas weiter vorn getrunken zu haben) und liefen weiter.
Vielleicht wurde diese liebevolle Oase auch deswegen eingerichtet,  um Pilger vor dem Sektenhaus abzufangen?

Der weiter Weg führte uns über ruhige Wege, Pfade und eine Kuhweide zur heutigen Herberge auf einem Bauernhof.
Die Madame des Hauses stand in der Küche und bereitete mit ihren kleinen Kindern das Essen zu. Wir konnten im Garten zelten,  sollten aber noch warten,  damit geklärt werden konnte,  dass morgen früh keine Kühe in unser Zelt gucken. Also setzten wir uns erst einmal hin und entspannten uns. Die Herberge war hübsch und liebevoll eingerichtet,  sauber und es gab Sofas und Relaxsessel.

Der kleine Sohn der Madame war etwa 4 Jahre alt, hatte sich in unsere Nähe gesetzt und uns interessiert zugehört. Natürlich ohne ein Wort zu verstehen. Ich sagte ihm, dass wir deutsch sprechen und aus Deutschland kommen.  Er fragte, wo Deutschland denn wäre und ich antwortete, dass es neben Frankreich ist.
"Und wo ist Frankreich?"
Ja, this is basque country.

Als es später ans zahlen ging bekamen wir die Erlaubnis,  für 2€ pro Person mehr auf Matratzen im Aufenthaltsraum zu schlafen.  Wir wollten das, weil die Wiese sehr unebenen aussah und wir so Strom haben würden,  um mal die Kamera komplett zu laden. 
Um 20.30 Uhr hatten wir unser Lager immer noch nicht aufgebaut,  damit wollten wir warten,  bis alle im Bett waren. Da kam die Madame und brachte uns in ein Zimmer.  Sie sagte,  für sie sei es egal, ob wir auf dem Boden oder in einem Bett schlafen und dass ein Bett doch sicher bequemer wäre.
Wow! Dass wir das letzte mal ein Bett hatten ist wirklich schon ein bisschen her. Ich weiß nicht, ob die Dame verstand, was sie uns da gerade tolles angetan hatte, aber vermutlich konnte sie es in meinem Gesicht lesen.

Tag 86: Sauvelade - Navarrenx

Heute hatten wir nur 14km vor uns.  Das ergab sich aus der Planung,  nicht am Sonntag,  sondern erst am Montag in St.Jean-Pied-de-Port anzukommen. Wir wollen einkaufen und nach Schuhen gucken und hoffen,  dass die Massen,  die am Wochenende ihren Camino beginnen, dann schon weg sind.

Wir starteten wieder mal im Nebel und konnten nicht wirklich weit gucken. Wir liefen bergauf und bergab und hätten sicher hübsche Aussichten auf die Pyrenäen gehabt,  wenn es weniger wolkig gewesen wäre.  Das Wetter war aber dennoch gut und es war wieder schön warm.

Nach einer Pause am Wegesrand,  wo jemand einen Tisch und Stühle für Pilger aufgestellt hat (danke dafür) liefen wir die letzten Kilometer in Frankreich.
Offiziell bleiben wir zwar noch bis zur Überquerung der Pyrenäen in Frankreich,  aber wir betraten heute das Baskenland. 

Als wir in Navarrenx ankamen, dudelte Musik aus Lautsprechern durch die ganze Einkaufsstraße.  Wir schauten uns ein bisschen um und machten uns dann auf zum Campingplatz.  Es war inzwischen ordentlich heiß geworden und wir freuten uns auf den letzten Pool bis Spanien.

Als die Rezeption irgendwann öffnete verging uns die Freude aber schnell.  Wir mussten knapp 24€ zahlen- so viel hatten wir bisher noch nie.

Die Besitzerin ist Britin und mein Kommentar,  dass wir jetzt seit 2 Monaten in Frankreich campen und das hier der teurste Platz ist,  fasste sie gleich als Kampfansage auf.
Natürlich hört man so etwas nicht gern,  aber wir ärgerten uns auch etwas darüber,  dass der Wandererspezialpreis nur dann gilt,  wenn man allein unterwegs ist (auch dann wäre es mit 14 € nicht besonders billig gewesen,  aber dennoch).

Wir brauchten unsere Rucksäcke zu dem uns zugewiesenen Platz und gingen baden. Fast jeder zweite Camper hier hat sein Lenkrad auf der falschen Seite.  Dieser Platz ist wohl sehr beliebt bei Engländern. 

Nach dem Baden gingen wir einkaufen und trafen Martin.  Endlich.
Martin ist ein Pilger,  der mit seinem Hund in Berlin losgelaufen ist und den wir seit Tagen zu treffen hoffen.
Jean-Pierre hat ihn kennengelernt und uns von ihm erzählt und seit wir von Rocamadour aus wieder auf dem Jakobsweg sind ist er vor uns und wir lesen fast täglich seine Gästebucheinträge. 
Wir hatten eigentlich vor,  ihn damit zu überraschen, dass wir wissen wer er ist,  aber er überraschte uns.
Er hatte uns erkannt,  weil Jean-Pierre uns beschrieben hatte. Mit meinem Muscheltattoo bin ich ja auch leicht zu erkennen.

Leider schlief Martin außerhalb des Ortes und am Himmel sah man, dass in wenigen Minuten ein Gewitter ausbrechen würde.  Unsere Habseligkeiten lagen aber alle verstreut und ungeschützt auf dem Rasen des Campingplatzes.  Wir mussten also los und zum Platz eilen,  der ein gutes Stück entfernt war.
Als es anfing zu regnen nahm ich alle Einkäufe und Johannes rannte die letzten 300 Meter, um das Gepäck zu retten.

Als das geschafft war,  brach das Gewitter richtig aus und wir mussten direkt zur Kirche eilen, denn dort gab es einen Pilgerempfang,  den wir gern miterleben wollten.
Wir bekamen einen Führung durch die Kirche,  sangen das Pilgerlied "ultreia" (Johannes und ich bekamen den Text auf deutsch und die Madames staunten nicht schlecht,  als ich auswendig auf französisch mitsang) und dann ging es ins Gemeindehaus zu einem Glas Wein. 
Leider verdrückten sich fast alle,  als das Glas leer war und bald darauf gingen wir dann auch.

Wir fanden WLAN und ich sah,  dass ich heute endlich das Ergebnis der letzten Hausarbeit der Uni bekommen habe. Die Hausarbeit habe ich bestanden und somit habe ich alles fertig. Das Studium ist offiziell beendet und bald werde ich Zeugnis und Urkunde im Briefkasten haben!

Leider hatten alle Geschäfte schon geschlossen,  wir hätten gern noch angestoßen.  Auf dem Campingplatz fragte ich bei einem englischen Paar nach heißem Wasser, ich hatte heute zum ersten Mal ein Fertiggericht gekauft, das mit heißem Wasser zubereitet wird.
Während das Wasser aufkochte unterhielten wir uns und als die Sprache auf das Studium kam,  erzählte ich, dass ich gerade entdeckt hatte,  fertig zu sein. 
Die Beiden luden mich zu einem Glas Wein ein, um das zu feiern. Ich holte Johannes dazu, der schon das Essen aufgebaut hatte und ich mache es kurz: Richtig gegessen haben wir nicht mehr, dafür viel Wein getrunken und wir waren erst 4 Stunden später im Bett.  Wir haben uns so gut unterhalten, es war richtig schön!
Die beiden erzählten uns,  dass sie hier sind,  weil die Bewertungen im Internet so toll sind.  Ob das dee Grund ist, warum jeder zweite hier aus England kommt,  wussten sie aber auch nicht. Sie sind nur auf Durchreise und machen hier keinen Urlaub.

Dienstag, 12. August 2014

Tag 85: Pomps - Sauvelade

Heute früh sah die Welt durch den Nebel wieder etwas verzaubert aus. Wir wanderten (mal wieder) durch Maisfelder und vorbei an hübschen alten Höfen.
Vormittags hatten wir hinter einer Kirche plötzlich einen ernstzunehmenden Pyrenäenblick. Wir konnten richtige Konturen erkennen.
Diese klare Sicht bewegte mich schon etwas- Spanien ist nicht mehr weit!

In der nächsten Stunde hatten wir immer wieder herrliche Blicke auf das Gebirge und an einer alten Kapelle zu beiden Seiten eine beeindruckende Sicht. Es sind noch ein paar Kilometer bis dahin und wir können uns schon jetzt nicht sattsehen.

Wir erreichten einen Ort, in dem wir uns eine Melone und kalte Getränke kauften, setzten uns in den Schatten und standen erst eineinhalb Stunden später wieder auf.
Im Ort gibt es eine erstaunlich große und ebenso erstaunlich muffige Kirche. Auch hier musste ich die Besichtigung abbrechen und wieder an die frische Luft zurückkehren.
Hinter dem Gebäude stand eine Tafel, die den Blick auf die Pyrenäen erklärt und es war auch der Pass nach Roncesvalles eingezeichnet. Also eigentlich sah es aus wie eine Markierung mit Pfeil auf irgendein Hügelchen, aber wenn wir da sind, werden wir schon sehen, dass es mehr ist als ist!

Weiter ging Es, heraus aus dem Ort und unter einer gefährlichen Schnellstraße hindurch. Johannes fing heute endlich die erste Eidechse. Wir versuchen das schon lange,  nur der Herausforderung wegen, aber die Tierchen sind ja furchtbar flink. Nachdem er gebissen wurde (was bei dem kleinen Tierchen ganz schön niedlich aussah) ließen wir sie auch direkt wieder frei.

Als wir auf einem Feldweg wanderten, entdeckten wir plötzlich einen großen Fluss neben uns. Er hatte sich hinter dem Gebüsch versteckt und war ganz leise gewesen.
Leider fanden wir keine Möglichkeit,  zum Ufer zu kommen. Wir hätten gern gebadet, wenigstens unsere Füße.

Wir mussten nun ein ganzes Stück bergauf laufen und kamen gut ins Schwitzen. Wie soll das erst in den Pyrenäen werden!
Wir gönnten uns eine letzte Pause, als wir oben angekommen waren und machten uns danach an den Abstieg zur Abtei in Sauvelade.

Als wir in der Herberge neben der Abtei nach einem Platz fragten, sagte die Madame uns, dass wir überall bis zum Fluss zelten können und dass es kostenlos sei. Wenn wir duschen wollen, kostet das 3€, aber ein paar Meter weiter sei ein Toilettenhaus mit Waschbecken, wir können uns auch dort waschen. Dieses Angebot nahmen wir natürlich gern an, bauten unser Zelt neben dem Fluss auf und hatten sogar einen Picknicktisch neben unserer kleinen Villa.
Ich stieg hinab zum flachen Fluss, setzte mich auf einen Baumstammund ließ die Beine im Wasser baumeln.

Wir wuschen uns im erstaunlich sauberen Klohäuschen und es gab sogar warmes Wasser. Ich holte mir aus der Herberge ein deutsches Buch, dass jemand dagelassen hatte, aber ich brachte es schnell zurück, denn es war uns zu übertrieben. Es war so ein Selbstfindungs-sei-glücklich-und-nimm-alles-an-Buch.
Mit der Dunkelheit gingen wir dann zu Bett, denn viel konnten wir ja eh nicht tun.

Montag, 11. August 2014

Tag 84: Arzacq Arraziguet - Pomps

Heute früh machten wir noch einen kurzen Abstecher zum Supermarkt,  um frische Lebensmittel zu kaufen. Danach liefen wir an einem kleinen See entlang und passierten einen Pilgerbaum.  Es war es ein etwas übertrieben dekorierter Baum mit Marienfigur.

Die Landschaft wird wieder hügeliger, somit wird das Laufen wieder etwas anstrengender,aber im Endeffekt bewegen wir uns immer zwischen 50 und 200 Metern. Es schadet auch nicht, wenn wir noch mal bergauflaufen trainieren,  immerhin haben wir bald die Überquerung der Pyrenäen vor uns.

Mittags konnten wir diese in der Ferne dann erahnen. Es waren zwar mehr Schatten als klare Bergkonturen, aber dennoch waren wir sicher,  gerade auf die Pyrenäen zu blicken.  Endlich sehen wir sie mal!
Es ist schon beeindruckend,  wenn man sich in Nordrhein - Westfalen auf eine Wanderung  begibt und dann irgendwann die Pyrenäen sieht.

Wir liefen an ein paar Kirchen vorbei, über ein paar kleine Hügel, entdeckten liebevoll gestaltete Pausenplätze (einen davon am Fluss und sogar mit Hängematte), sahen wieder für Pilger gepflanzte Obstbäume und erreichten so Pomps, wo wir in eine großartige Herberge kamen.

Wir wurden wieder einmal sehr freundlich empfangen und durften für 5€ unser Zelt am Spielplatz aufbauen.  In dieser Herberge darf man sich den ganzen Tag Sirupgetränke mixen und Waschmaschine und Trockner kostenlos nutzen!
Wir nutzten das natürlich, denn unsere Wäsche hatte in Frankreich noch keine Waschmaschine gesehen. Wir freuten uns darauf, endlich einmal richtig frische Wäsche zu bekommen, die nicht nur von Hand geknetet wurde. Die Maschine lief natürlich im Dauerbetrieb, weil jeder sie nutzte.

Heute wollten wir kochen, weil die Küche hier gut ausgestattet ist und es einen kleinen Dorfladen gibt. Wir gingen hinüber in den kleinen Anbau, in dem eine alte Madame einen wirklich kleinen Laden und eine Bar betrieb und in dem zwei Hunde herumlagen.
Die Auswahl an Lebensmitteln war gering, aber wir fanden genug, um kreativ kochen zu können. Ich entdeckte, dass die Madame sehr stolz auf ihren Betrieb sein musste, denn sie hatte verschiedene Postkarten von sich in ihrem Laden drucken lassen.

Zurück in der Herberge entspannten wir erst einmal,  unterhielten uns mit anderen Pilgern und genossen, dass es hier so schön ist.
Unser Abendessen wurde schmackhafter als gedacht.  Wir bekamen von der Herbergsleiterin frischen Knoblauch und Butter und da wir ohnehin viel Zwiebeln anbrieten, konnte es gar nicht mehr schlecht werden. Mit Nudeln, frischen Tomaten, Tomatenmark, Paprika und einer Ladung leckerem Frischkäse wurde es ein richtig gutes Essen und als wir noch Cashewkerne darüberstreuten, war es beinahe perfekt.

Den Abend verbrachte ich im Liegestuhl, schrieb Tagebuch und ergötzte mich an der warmen trocknerfrischen Wäsche. Wir schaukelten in den Sonnenuntergang vor weiteren Pilgerobstbäumen und krabbelten irgendwann glücklich in unser Zelt.

Tag 83: Aire sur L'Adour - Arzacq Arraziguet

Frühsport. Mal wieder (so ganz flach ist es eben doch nicht). Wir mussten gleich zu Beginn des Tages eine kleine Ewigkeit im Morgennebel bergauf laufen,  um den Ort zu verlassen.  Oben auf dem Berg hatten wir eine hübsche Sicht zurück und standen vor der muffigsten Kirchen des ganzen Landes.

Wir haben ja gerade vor le Puy leider viele feuchte und heruntergekommene Kirchen gesehen,  aber der Geruch dieses Bauwerkes steht außer Konkurrenz. Ich musste meine Besichtigung verkürzen und wieder zurück an die frische Luft. Es ist wirklich schade, dass so viele hübsche Kirchen in bedauernswertem Zustand sind.

Wir stiegen hinab zu einem schönen See,  an dem wir uns (obwohl wir ja noch nicht lange unterwegs waren) eine ausgiebige Frühstückspause gönnten. Wir haben nicht viele Seen unterwegs und auch nichts davon,  hier nur vorbeizulaufen und die gemütlichen Sitze zu ignorieren. Außerdem sind wir ja Meister im Pausemachen.

Wir genossen den Blick auf den See (der leider etwas vom sperrigen Holzgeländer getrübt wurde) und zogen irgendwann weiter.  Wir wanderten etwas am See entlang und für unseren  Geschmack viel zu schnell wieder davon weg und wechselten auf einen Weg,  der uns wieder zu Maisfeldern brachte.

Die nächsten 18km verbrachten wir im Prinzip zwischen Feldern und auf Beton.  Zwischendurch kamen wir in den Ort Miramont Sensacq und lasen im Gästebuch der Kirche,  dass hier viele (Langstrecken)Pilger vom Anblick der Pyrenäen ergriffen waren. Erstaunt,  dass wir diesen Blick verpasst hatten traten wir ins Freie und schauten uns um. Das Wetter war klasse, blauer Himmel und schweißtreibend warm war es auch. Aber von Bergen war weit und breit nichts zu sehen.
Wir entdecken eine infotafel, auf der der Pyrenäenblick aufgemalt und erklärt war,  wir standen also an der richtigen Stelle.
In den Pyrenäen muss es heute sehr wolkig sein, denn wir entdeckten auch nach minutenlangem Starren in ihre Richtung gar nichts.

Wir liefen (nicht besonders ergriffen) herunter in den Ort und kamen an einem der schönsten Stoppschilder der Welt vorbei. Es war rundherum eingekleidet mit hübschen Efeu- hier bleibt  wohl jeder allein schon zum staunen stehen.
Mit eiskalter Cola setzten wir uns an einen schattigen Pausenplatz und versuchten in Ruhe zu essen.
Da Johannes aber Wurst hatte und wir einen sehr lieben,  niedlichen und offenbar verfressenen Hund kennenlernten, war es mit dem Essen gar nicht  so einfach.  Immer wieder kam er an, bettelte und stellte sich mit beiden Vorderpfoten auf die Bank. Es war richtig lustig und wir schossen ein paar "Selfies" mit dem Hund (das ist ja "in" und deswegen machen wir sowas).

Auf dem letzten Stück vor unserem Ziel entdeckten wir einige junge Bäume am Wegesrand. Die Jakobswegfreunde aus St.Jean-Pied-de-Port hatten hier Bäume gepflanzt und Informationsschilder aufgestellt.  Es waren Obstbäume,  die irgendwann Pilger auf dem Weg mit lecker Obst versorgen sollen. Eine klasse Idee! Wir haben Obstbäume ja selbst schätzen und lieben gelernt und wenn hier irgendwann viele Kirschen,  Äpfel und Birnen wachsen ist das großartig.

Nach ein paar Steigungen kamen wir in Arzacq Arraziguet an und füllten im Supermarkt unsere Vorräte auf. Damit machten wir uns auf zur Herberge und nachdem wir diese endlich gefunden hatten, bekamen wir einen schönen Zeltplatz präsentiert.  Zur Herberge gehört eine offizielle Campingwiese und hier hatte Boris bereits sein Zelt aufgeschlagen.  Boris ist ein Franzose,  der tatsächlich nach dem Tennisspieler benannt ist und wir kennen ihn schon seit ein paar Tagen.  Vor allem deswegen,  weil sein Rucksack furchtbar falsch eingestellt ist und er kaum laufen kann ohne die Gurte nach vorn zu ziehen.  Aber er sagt, er wisse es und habe schon alles ausprobiert,  es helfe nichts.

Wir unterhielten uns lange und verbrachten den Abend zusammen vor der Küche, bis Boris ins Bett ging. Wir luden noch unsere Handys auf und schauten uns die Route der nächsten Tage an. Wir wollen weiterhin lieber am Montag als am Sonntag in St.Jean ankommen und deswegen werden wir ein paar kurze Tage einlegen.  Das ist auch ganz entspannt.
Die letzte Nacht wollen wir in einem Refugio verbringen,  das im Führer eingezeichnet ist.
Wir wissen allerdings gar nicht, wie es aussehen wird. Vielleicht ist es eine richtige Hütte,  vielleicht auch nur ein überdachtes Plätzchen. Aber da wir noch das Zelt haben und uns alternativ auch eine Wiese suchen können wollen wir es wagen.
Wir wollen dort vor allem deswegen hin, um am Tag danach zeitig in St.Jean anzukommen.  Wir müssen ja nach Schuhen gucken... Und weil es die letzte Gelegenheit sein wird, in einem Refugio zu schlafen.

Tag 82: Nogaro - Aire sur L'Adour

Heute morgen tauschten wir das deutsche Buch (das wir neulich vom Campingplatz mitgenommen haben) gegen ein anderes Buch, in das vorn jemand angefangen hat,  die Stationen des Buches einzutragen.
Wir waren die dritten Leser,  die das Buch an sich nahmen und nachdem ich gestern darin gelesen habe, weiß ich auch warum:  Es heißt "Abschied", ist von Sabine Peters und furchtbar geschrieben.  Man mag diesen Schreibstil, einfach alles herunterzuschreiben und wörtliche Rede nicht als solche zu kennzeichnen etc. vielleicht als Kunst bezeichnen, ich finde es nur nervig.

Wir starteten als Vorletztes, die meisten Pilger waren gerade im Aufbruch,  als wir um 7 aus dem Zelt krochen.  Dass wir nicht nur Profis im Pausemachen, sondern auch im spät losgehen sind, brachte uns drei Portionen Marmelade und zwei Trinkpäckchen Orangensaft ein, denn die Frühstücker hatten alles auf Tabletts bereitgestellt bekommen und das waren die Reste,  die verschmäht wurden.
Diese Pilger versorgen sich offenbar auch tagsüber nicht selbst,  wer hätte sonst schon Marmelade dagelassen?

Wir liefen irgendwann los, denn der Regen wollte nicht weniger werden. Es hatte die halbe Nacht geregnet und auch jetzt schien der Himmel noch genug Kapazitäten für die kommenden Stunden zu haben.

Kurz hinter dem Ortsausgang wollten wir eine Abkürzung nehmen,  die gleichzeitig die historische Route darstellt.
Diese Route ist nicht markiert und als ich kurz meine Gamaschen angezogen und den Rucksack wieder aufgesetzt hatte,  war Johannes verschwunden. Ich kam an eine Abzweigung und es konnte die Stelle sein,  auf der wir den Jakobsweg verlassen. Aber stimmte das auch,  war es schon hier? Hatte Johannes das auch mitbekommen oder war er der Beschilderung gefolgt?
In solchen Fällen, das haben wir so abgemacht, warte ich immer, bis er zurückkommt, da wir nur einen Führer haben und ich nicht selbst nachschauen kann.

Nervigerweise regnete es die ganze Zeit und ich konnte mich nirgendwo unterstellen,  da ich beide Wege im Blick behalten musste,  un mitzubekommen, wenn Johannes zurückkommt.
Ärgerlicherweise hatte er aber vergessen, an der entscheidenden Stelle zu warten und noch ärgerlicher war, dass er gar nicht merkte, dass er mich verloren hatte und so lief er einfach immer weiter.  Deswegen kam er auch nicht auf die Idee,  sein Handy anzustellen. Ich wartete über 45 Minuten im Regen,  war nass und verfroren und hatte zwei vorbeiziehenden Pilgern seine Beschreibung mitgegeben.

Irgendwann bemerkte Johannes mein Fehlen und wir fanden wir der zueinander.
Meine Laune war aber natürlich erst einmal dahin,  meine ganzen Sachen waren durchnässt und ich musste die Hosentaschen zur Sicherheit leeren, damit Kamera und Handy nicht kaputtgehen. Glücklicherweise hörte der Regen aber irgendwann auf und ich konnte den Poncho abnehmen, meinen Pulli auswringen und etwas trocknen.

Wir wanderten stundenlang durch Maisfelder und leider viel über Beton. Das macht den Füßen nicht viel Spaß,  schon gar nicht, wenn die Außenseiten der Schuhe so abgelaufen sind,  dass man stets schräg läuft.  Auf unebenem Untergrund kann man das besser ausgleichen als auf Beton.  Es hilft nichts- wir brauchen neue Schuhe.  Wir sagen das zwar schon seit über 1000km, aber langsam wird es wirklich dringend. Es wundert mich eigentlich,  dass wir noch keine Beschwerden durch das Pilgern in Schräglage haben.
Meinem Knie geht es übrigens, bis auf die Schürfwunde, viel besser durch das Laufen im Flachland.

Als es heute dann zwischen Feldern entlang und über Feldwege ging, wünschte ich mir den Beton allerdings zurück.  Es war so unglaublich matschig und rutschig! Der Matsch war gerade trocken genug,  um gut und dauerhaft an den Schuhsohlen zu kleben und feucht genug,  dass man gut ausrutschen konnte. Wir mussten am Ende dieses Abschnittes den Matsch mit Stöckern aus dem (übrigen) Profil kratzen.

Später liefen wir auf einer Variante des Weges über einen betonierten Weg und entdeckten einen Brombeerstrauch mit massenweise Früchten,  die darauf warteten, geerntet zu werden. Die Beeren waren reif und damit sie nicht verderben,  legte ich Pfeile aus Blumen,  damit sie auch von anderen Pilgern entdeckt wurden. 

Kurz darauf kamen wir an einem echten "lost place" vorbei, einem verlassenen Ort.
Hier stand ein Haus, an dem die Bauarbeiten nach der Hälfte eingestellt worden waren. Das Mauerwerk stand und es gab auch eine Treppe in den ersten Stock.  Aber mehr ist hier nie passiert.  Wir betraten den etwas gruseligen Ort und schauten uns um. Natürlich kommen hier oft Menschen hin und hinterlassen Müll und bemalen die Wände.  Pflanzen wuchsen durch alle Fenster und Türen und im ersten Stock lag ein Teppich aus Moos. Nachts ist es hier bestimmt etwas gruselig. 

Als wir in Aire sur L'Adour ankamen, gingen wir einkaufen und besorgten uns viele leckere Sachen für das Abendessen. Danach liefen wir zum Campingplatz und checkten ein. Nach der Installation setzten wir uns an die Tische in der Nähe des Zeltes und genossen unser Abendessen. Ein ziemlich gerupft aussehender Kater kam zu uns und versuchte lange Zeit, etwas von unseren Leckereien abzubekommen,  aber das war aussichtslos. Hinterher hat er noch lange schnurrend auf meinem Schoß gelegen, denn so etwas ist bei mir nie aussichtslos.

Tag 81: Eauze - Nogaro

Heute morgen war das Wetter nicht besonders freundlich,  aber immerhin war es trocken.  Wir liefen los und stellten fest,  dass der Supermarkt hier im Ort Sonntag Vormittag nicht geöffnet hat, dabei ist das sonst überall so.
Wir fanden im Ort einen kleinen Supermarkt,  der am Wochenende anscheinend alle Produkte, die keine Eigenmarke sind,  aus den Regalen nimmt. Aber immerhin konnte ich etwas zu essen und trinken kaufen.
 
Auf dem Marktplatz war gerade Markt (aber leider ist es auch hier inzwischen so, dass es mehr Billigkleiderstände gibt als richtige Marktwaren) und so fanden wir den Weg erst einmal nicht aus dem Gewühl. 

Heute liefen wir hauptsächlich durch Maisfelder und so manches Feld mussten wir auch umrunden. Leider führt der Weg derzeit kaum durch Wälder.  Das waldreichste Gebiet des Landes liegt gute hundert Kilometer nördlich von uns.

Wir kamen an einem Bauernhof vorbei, an dem Picknicktische für Pilger und Kaffee, Tee und kaltes Wasser angeboten werden.  Wir setzten uns dankbar hin und ich las wie immer etwas im Gästebuch und trug uns auch ein. Es ist interessant zu lesen, wer vor uns läuft und vielleicht lernen wir davon auch mal jemanden kennen.

Der weitere Weg führte uns zwischen künstlich angelegten Teichen entlang, aber auch heute war die Strecke wieder so gut wie flach und unspektakulär.

Wir konnten die Autorennbahn von Nogaro schon hören, lange bevor der Ort in Sicht kam. Wir mussten neben der Landstraße in den Ort laufen und bevor wir ins Zentrum kamen zur Unterkunft abbiegen. Diese stand mitten im Sportstadtteil zwischen einem Flugplatz, Schwimmbad und Tennisanlagen, einem Rugbyfeld und in Nachbarschaft zur Autorennbahn. Trotzdem war das Haus ganz nett und wir konnten für 6€ pro Nase im Garten zelten.

Wir duschten und liefen dann in die Stadt.  Heute wollten wir mal wieder etwas Richtiges essen und es soll ein paar Gelegenheiten dazu geben. Die örtliche Kirche war das Schönste am ganzen Ort.  Nogaro ist unglaublich hässlich (finden wir). Nichts hübsches hatte dieser Ort zu bieten, er wird uns nur wegen des Rennbahnkrachs in Erinnerung bleiben.
Und vielleicht wegen der Kebabs. Denn die waren richtig lecker! Und mit 4-4,50 € pro Stück auch besser bezahlbar als das Restaurant (auch wenn die Karte nicht schlecht aussah).
Nach dem Essen saßen wir noch etwas in der Stadt,  denn wir hatten offenes Wlan gefunden und schauten nach, was in der Welt so passierte.
Zurück in der Herberge lagen einige Bücher und Zeitschriften aus,  mit denen wir uns die Zeit vertrieben.
Mit den anderen Pilgern kamen wir heute nicht wirklich ins Gespräch,  da diese entweder in ihren Betten lagen oder mit uns meistens nur nonverbal kommunizieren,  weil sie entweder denken,  dass unser Französisch sicher nicht reicht oder sie einfach Angst haben, Englisch sprechen zu müssen.

Tag 80: Condom - Eauze

In der Nacht hatte es kräftig gewittert. Ich lag lange wach und habe dem Unwetter gelauscht. Manch ein Blitz war so hell, dass ich ihn durch die Zeltwand erkennen konnte. In so einer Nacht schläft man natürlich weniger, aber das Gewitter ging nur etwa eine Stunde.

Heute Vormittag führte uns der Weg durch einen Bambuswald an einem Fluss entlang und auch Palmen sehen wir inzwischen regelmäßig. Und natürlich Sonnenblumen über Sonnenblumen. Manche lächelten uns wieder freundlich an.

Wir entschieden uns unterwegs für einen empfohlenen Abstecher nach Larresingle, einem kleinen Örtchen mit gut erhaltener Burganlage, dessen Besichtigung sich lohnen soll. Auf dem Werbeschild wurde so freundlich um eine Besichtigung des Ortes gebeten, dass wir ohnehin nicht hätten vorbeilaufen können.
Es waren insgesamt auch nur etwa 2km.
Der Ort war niedlich, aber die Burganlage sah von außen viel spannender aus als von innen. Der Innenbereich war erstaunlich klein und drei der wenigen Ladenflächen standen auch noch zum Verkauf. Blühender Tourismus sieht vermutlich anders aus.
Ein paar Männer saßen an einem Stand und boten Bogenschießen an, aber es gab niemanden, der vorbeikam. Es war ja auch noch nicht einmal 10 Uhr und das Wetter war auch nicht so gut.

Also zogen auch wir nach einem kurzen Shooting am Pranger weiter zum Picknickplatz und frühstückten in Ruhe.

Als wir unseren Weg fortsetzten, kamen wir an eine sehr alte Brücke,  die schon unzählige andere Pilger überquert hatten.  Der Fluss unter der Brücke war, wie derzeit sehr viele Flüsse,  matschig braun und unansehnlich.
Wir liefen weiter und kamen nach Montreal, wo unsere Mittagspause etwas eskalierte.
Wir haben 2 Stunden Pause gemacht.
In Pause-machen sind wir echte Profis!

Am Ende entschieden wir, heute keinen weiteren Abstecher zu machen. Von hier aus kann man zu einer alten römischen Villa mit vielen Mosaiken laufen,  die man für 4,50 € pro Person besichtigen kann.  Die Bilder im Flyer und im Internet sahen zwar wirklich beeindruckend aus, aber zeitlich wurde es knapp,  wenn man genug Zeit zum Besichtigen haben möchte.
Wir wollten heute eigentlich bis nach Lamothe laufen,  wo man an einer Herberge zelten kann, die von einem deutschen Pilger geführt wird.  Die Beschreibung im Führer schreckte uns allerdings etwas ab. Unter Anderem muss man 2 € Aufpreis zahlen,  wenn man ohne Reservierung nach 17 Uhr ankommt. Das haben wir noch nirgendwo gelesen. Wir überlegten,  6 km weiter bis nach Eauze zu laufen und dort auf den Campingplatz zu gehen.

Nach 2 Stunden Pause fühlten wir uns fit genug dafür.  Interessanterweise, denn heute früh hatten wir noch überlegt, ob wir die heutige Etappe wegen meines Fußballens verkürzen und in Montreal schlafen sollten.
Aber heute hatte ich keine Schmerzen mehr, also liefen wir weiter.
Zum großen Teil führte der Weg über eine alte Bahntrasse.  Das bedeutete für uns guten Untergrund, keine Steigungen und zudem viel Schatten der Bäume zu unseren Seiten.

Als wir in Lamothe ankamen,  setzten wir uns auf die Terrasse der Herberge,  hatten aber bereits beschlossen, bis nach Eauze zu laufen.  Wir fühlten uns gut und das Wetter war zum wandern ideal. Zudem war es erst kurz nach 5 und die Herberge gefiel uns (von außen) auch nicht besonders.
Wir haben nur kurz mit dem Betreiber gesprochen und vielleicht ist es hier ganz toll, es soll bitte niemand wegen uns diese Herberge meiden! Die Pilger,  die hier schlafen, sahen nämlich alle ganz zufrieden aus. 

Ich fragte den Herbergsleiter nach einer Markierung, die uns 1000km bis Santiago anzeigt.  Unseren Berechnungen nach müssten wir nämlich ungefähr auf der Höhe sein. Er sagte,  dass es so etwas hier nicht gäbe und dass wir an dem Punkt bereits vorbeigelaufen wären.
Ich war so sicher,  dass es einen solchen Stein gäbe,  aber vermutlich habe ich immer Bilder von der via Lemovicensis gesehen, dem Jakobsweg,  der über Vezelay verläuft. Sehr schade!

Wir machten uns um halb 6 an die letzten 6 km und die zogen sich mal so richtig dahin. Über eine Bahntrasse zu laufen ist zwar nicht besonders anstrengend,  aber eben auch nicht besonders spannend,  da es immer nur geradeaus geht und man links und rechts nur Bäume und Gebüsch sieht.
Wir verkürzten uns die Zeit mit einem Spiel: Wir gingen im Kopf bekannte Wege ab: "Jetzt kommt rechts die Sparkasse, daneben ist ein Hauseingang... und hier ist die Plattenkiste, ein toller Laden. Gleich kommt links..."

So erreichten wir irgendwann fast den Campingplatz. Fast,  denn den Weg, der uns von der Trasse zum Platz bringen sollte, gab es nicht.
Es gab hundert Meter weiter aber einen Privatweg ins Tal und den nahmen wir einfach.  Wir hätten sonst einen großen Bogen laufen müssen und nach über 32 km waren wir dazu nicht mehr in Stimmung (na ja, eigentlich sind wir generell zu faul für unnötige Umwege).

Glücklicherweise mündete der Weg direkt in das Campingplatzgelände und wir kamen kurz vor der Schließung der Rezeption an.
Wir zahlten, durften uns einen Platz für die Nacht aussuchen und den Abend verbrachten wir nur noch mit essen, duschen und relaxen (und ich mit zwei kleinen Katzen).

Samstag, 9. August 2014

Tag 79: Lectoure - Condom

Heute Nacht habe ich gut geschlafen, die Matten im Gebetsraum waren sehr bequem und es ist schön, ab und zu ein richtiges Dach über dem Kopf haben.
Wir packten, räumten auf und machten uns auf den Weg. Es ging durch den Ort und wir sahen schon die ersten Heißluftballons am Himmel. Wahrscheinlich haben die heute die schönere Aussicht, egal wohin wir laufen.

Wir wanderten am Wald entlang und wieder an vielen Sonnenblumenfeldern vorbei. Aber auch einige Weinberge sahen wir. Seit Moissac ist die Landschaft recht flach, wir müssen nicht mehr so viel klettern wie in den Wochen davor. Das ist natürlich ganz angenehm, aber wir haben dann auch weniger Aussichten auf hübsche Täler.
Für mein Knie ist es aber viel besser, es tut nicht mehr so weh, da nervt die tiefe Schürfwunde schon mehr.
Die Achillessehne hat sich wie erhofft fast erholt und meine Füße sind weiterhin blasenfrei.
Na ja, noch. Heute bemerkte ich, wie wenig Profil ich noch an den Schuhen auf Höhe der Fußballen habe. Da ist nämlich fast gar nichts mehr. Unter der Hornhaut am Fuß befindet sich bereits eine beklagenswerte Druckstelle, die damit droht, mir als Blase die Wanderhölle heiß zu machen.
Also zog ich meine Ersatzschuhe an, als wir die letzte geplante Pause vor Condom beendeten.
Wir liefen nun eine Abkürzung über die Landstraße, da wir ankommen wollten. Es donnerte schon seit geraumer Zeit und es blieb nicht mehr viel Zeit bis zum Beginn des Regens.

Wir liefen also auf der Landstraße hügelab in Richtung Condom, sahen die Gewitterfront von der linken Seite auf die Stadt zuziehen und ahnten, dass uns nicht mehr viel Zeit bleiben würde.
Ich zog meine Stiefel wieder an, denn mit dem Fuß konnte ich in den Ersatzschuhen noch schlechter laufen und bei Regen kann ich offene Schuhe nicht brauchen.

5 Minuten später fanden wir uns unter einem Baum wieder und suchten Schutz vor dem Regen. Manchmal geht es so schnell los, dass man kaum Zeit hat, die Regensachen auszupacken.
Wir warteten etwa 10 Minuten, aber da wir unter den Bäumen nicht wirklich geschützt waren liefen wir weiter, wir hatten nur noch 2 km vor uns.
Unter dem Poncho verborgen eilten wir nach Condom, wo wir am Ortseingang an einer Herberge vorbeiliefen. An deren Tor war ein Willkommensgruß angebracht und dazu ein paar Bildchen. Das Zelt nahmen wir wörtlich und gingen hinein (eigentlich wollten wir zum Campingplatz). Wer ein Zelt an sein Tor malt muss uns aufnehmen. Und das taten sie auch gern.
Wir wurden freundlich empfangen und sahen, dass dieses Haus besonders liebevoll eingerichtet war. Viel Kunst war zu sehen und es gab vieles zu entdecken, wie drei kleine Muscheln oben an der Wand. Auch im Garten konnte man sich wohlfühlen. Wenn es nicht regnet kann man am Flüsschen sitzen und sich durch diverse gemütliche Stühle sitzen. Wer durch Condom läuft, sollte hier einkehren.

Als der Regen aufhörte liefen wir in den Ort, besichtigten die Kirche, die sich wirklich lohnt und die umliegenden Straßen. Wir kauften uns zwei lecker aussehende Törtchen in der Patisserie, denn Lydia hatte uns zum Abschied für diesen Zweck etwas Geld geschenkt. Vielen Dank dafür!
Wir kauften im Intermarché allerhand zu essen für heute und die kommenden Tage ein und als wir aus dem Laden treten wollten sahen wir, dass es heftig regnete.
Zum Glück haben die Supermärkte oft Gartenmöbel im Angebot und im Eingangsbereich aufgebaut. So auch hier, also testeten wir eine Garnitur besonders intensiv und entschieden uns über eine halbe Stunde später gegen einen Kauf, weil Feierabend war und so liefen wir im Nieselregen zur Herberge zurück.

Dort angekommen setzten wir uns zum Essen vor die Tür. Wir waren die Einzigen, die nicht am Abendessen der Herberge teilnahmen, aber uns ist das einfach zu teuer (es kostet immer zwischen 10 und 15€). Hinterher gesellten wir uns zu der Runde am Esstisch, weil es ans bezahlen und Pilgerausweise stempeln ging.
Unsere Ausweise wurden bestaunt und herumgereicht. Bald ist der zweite Ausweis voll und wir haben ja auch schon um die 80 Tage und Stempel hinter uns.
Das wird jetzt vermutlich öfter vorkommen, vor Allem wenn in den ersten Tagen in Spanien fast alle noch nagelneue Ausweise auf die Tische legen.

Wir warteten eine Regenpause ab und bauten unser Zelt auf. Es soll heute Nacht mächtig gewittern. Aber wir wissen, dass unser Zelt dicht ist, also stört uns das nicht weiter. Wir lagen dennoch früh im Bett, weil in der Herberge um 21.30 Uhr alle auf ihre Zimmer verschwanden.

Tag 78: Sainte Antoine - Lectoure

Heute morgen sind wir die ersten Kilometer im Morgennebel gelaufen, obwohl wir gar nicht besonders früh gestartet sind. Vor halb 8 brechen wir selten auf.
Im ersten Ort des Tages stand eine halb zerfallene Kirche.  Die Fassade ist gut erhalten,  so dass ich es zuerst gar nicht bemerkte.

Wir liefen wieder durch unzählige Sonnenblumenfelder, in manchen von den Pflanzen fanden sich wieder Gesichter.
Mittags erreichten wir Miradoux und trafen zu unserer großen Überraschung und Freude die Familie mit der Kutsche und den beiden Eseln wieder. Ich bemerkte sofort,  dass sie jetzt nicht mehr mit 6, sondern mit 7 von 12 Kindern unterwegs waren. Einer der Söhne war vor ein paar Tagen dazugestoßen und läuft die letzten beiden Wochen nach Lourdes mit.
Schnell fiel mir wieder ein, dass wir ja den Bogen über Rocamadour gelaufen sind und die Familie deswegen aufholen konnte. Wir hatten uns schon gewundert, warum wir sie getroffen haben,  da sie ja eigentlich nur 15-20km am Tag laufen.

Wir besichtigten die Kirche (die für diesen kleinen Ort erstaunlich groß ist) und suchten uns einen Platz für unsere Mittagspause.  Hinter der Kirche entdeckten wir eine Mauer mit zwei Katzen.  Da diese sich gern streicheln ließen war der perfekte Pausenplatz gefunden.  Auf einem Briefkasten unweit unseres Platzes entdeckten wir irgendwann eine dritte Katze,  die man ohne Zweifel als die flauschigste Katze der Welt bezeichnen kann.

Heute war es wieder ordentlich warm und es wurde im Laufe des Tages noch richtig heiß. Wir freuten uns, als wir ein Dorf erreichten, in dem es Tische und Bänke im Schatten gab. Hier hatten sich bereits einige Pilger versammelt, aber wir fanden noch einen Picknicktisch unter dem Kirchendach.
Wir machten eine lange Siesta und überschlugen, wie lange wir wohl noch bis nach St. Jean-Pied-de-Port laufen. Wir werden vermutlich am 11.8. ankommen. Das ist perfekt für unsere Pläne. 

Als wir unseren Weg fortsetzten, führte er uns wenige Kilometer an der Landstraße entlang und so begegneten wir der Familie mit der Kutsche erneut.  Die beiden Jüngsten hatten es sich in der Kutsche bequem gemacht und die Beine hochgelegt. Es hat eben auch Vorteile, am Jüngsten zu sein.
Bald verloren wir die Gruppe jedoch wieder, da der Jakobsweg sich über einen Feldweg bergauf schlängelte und sie mit ihrer Kutsche auf dem Asphalt bleiben müssen.  Die Armen laufen permanent über Beton,  das macht oft sicher nicht viel Spaß. 

Wir wanderten zwischen Melonenfeldern entlang und sahen auch einige Opfer am Wegesrand. Nicht nur aussortierte Früchte, die von Bauern zur Seite gekickt wurden, sondern auch die Reste der "Gratismelonen", die sich Pilger offenbar gegönnt hatten.

Wir kletterten einen Berg hinauf und standen vor einem Obst- und Gemüsewagen, an dem auch Melonen angeboten wurden. Wir kauften uns eine und löffelten sie aus,  denn natürlich hatten auch wir Lust auf Melone bekommen beim durchwandern der Felder. Sie schmeckte herrlich süß und wir hätten gern noch ein paar davon gekauft,  aber die wiegen leider viel zu viel. 

Von hier oben konnten wir Lectoure bereits sehen,  mussten aber erst mal wieder hinab ins Tal wandern. Unten angekommen konnten wir uns dann an den Aufstieg nach Lectoure machen.  Es war heiß und der Aufstieg war steil.  Also bedeutete das, noch mal so richtig ins Schwitzen zu kommen.
Wir liefen zur Herberge neben der Kathedrale und wurden mit einem kalten Sirupgetränk und einem Grieshäppchen empfangen. So etwa hebt die Laune,  hier merkt man sofort,  dass die Mitarbeiter wissen,  was Pilger brauchen.

Es gab auch hier die Möglichkeit zu zelten (das wussten wir ja aus dem Miam Miam Dodo), aber dazu mussten wir in ein Haus 600m von der Herberge entfernt umziehen.  Wir hatten uns zwar schon gefreut,  direkt neben der Kirche und damit superzentral zu wohnen, aber wir waren nicht lange traurig: Wir hatten ein ganzes Haus mit Garten bekommen,  inklusive Bad, Dusche, Küche und Klavier. Es ist laut Schild das Seelsorgehaus, aber hier findet oder fand vermutlich mehr statt.

Im Laufe der nächsten Stunde kamen noch 6 andere Pilger dazu, wir kannten sie bereits aus Moissac und der letzten Herberge.  Johannes und ich hatten Glück und entdecken den Gebetsraum mit den weichen Kissen vor den Anderen und bauten uns ein gemütliches Lager.  Denn wir hatten die Erlaubnis bekommen auch drinnen zu schlafen. 

Wir installierten uns und nach einer Inspektion der Küche liefen wir in die Stadt,  um unsere Übernachtung zu bezahlen und einzukaufen oder essen zu gehen. Wir schlafen hier gegen eine Spende und da wir normalerweise 5€ pro Person zahlen, wenn wir an einer Herberge zelten und wir hier sogar ein Haus haben,  fanden wir es angemessen, diesen Betrag auch hier zu geben. Der Mitarbeiter versuchte mir jedoch mehrfach,  den zweiten Fünfer zurückzugeben, er fand es zu viel,  aber das war es ja keineswegs (und außerdem ist es ja eine Spende,  da kann man auch mehr geben).
Kurz darauf kam er aus der Küche und schenkte uns 4 Tomaten und bot uns weitere Grieshäppchen an, vielleicht als kleinen Ausgleich. 

Wir sahen uns ein bisschen im Ort um kauften dann für unser Abendessen ein. Wir kochten uns ein herrliches Essen, denn wenn man nur selten kochen kann, schmeckt jedes eigene Werk lecker.  Es gab Nudeln mit einer Zwiebel-Fleischwurst-Tomaten-Mozzarella-Sauce, dazu Gewürze, sehr gut!

Wir genossen den Abend bei Kerzenschein in unseren "Betten", die aus je drei zusammengeschobenen großen Kissen bestanden, die dauernd auseinanderrutschten. Aber egal,  es war in einem Haus, es war weich,  es war toll.

Mittwoch, 30. Juli 2014

Tag 77: Moissac - Saint Antoine de-Pont-d'Arratz

Mein Tag begann mit einem Blick aus dem Zelt und der Erkenntnis, dass heute Nacht eine Schnecke über jeden der vier Schuhe gekrochen war und eine schleimige Spur hinterlassen hatte. Haben Schnecken nachts oder am frühen Morgen nichts Besseres zu tun?!

Wir packten unsere Sachen und liefen gemeinsam mit Lydia hinunter zur Kirche, um sie von innen ausgiebiger als gestern zu besichtigen, da hatte es nur für einen kurzen Blick gereicht, weil sie geschlossen wurde.

Danach liefen wir noch ein paar Meter gemeinsam und dann mussten wir uns von Lydia verabschieden. Johannes und ich verließen die Stadt und wanderten in den nächsten Stunden am Kanal entlang.
Diese Variante gefiel uns besser, weil sie etwas kürzer war und sich Anstiege spart. Zudem mögen wir Wasser.
Es war eine hübsche Strecke, die gemütlich zu laufen war.
Irgendwann verließen wir den Kanal und mussten ein paar Kilometer auf der Landstraße laufen. Wir kamen nach Espalais, wo am Ortseingang eine Herberge steht, in der man auch Pause machen darf. Wir schauten uns um und ich wäre am Liebsten gleich dort geblieben. Es war so gemütlich! Sofas, viel Holz, schöne Dekoration und großer Garten, mit Liegestühlen und einer Schaukel am Baum. 
Es war aber erst 14 Uhr und Johannes wollte noch weiter. Also machten wir uns bald wieder auf den Weg und kletterten den Berg nach Auvillar hinauf.

Dieser Ort gehört, es wird niemanden überraschen, zu den schönsten Orten Frankreichs. Und anscheinend muss ein Ort auf dem Berg liegen, um in diese Liste aufgenommen zu werden.
Der Ort erwies sich tatsächlich als sehr hübsch und wir gönnten uns eine Packung Mars-Eis und eine Flasche Cola.
Mir fiel ein winziges Stück Schokolade vom Eis auf die Stufe der Treppe und dieses rief in wenigen Minuten eine ganze Meute Ameisen auf den Plan, die ich lange beobachtete und ein paar Tropfen Cola spendierten wir ihnen auch noch.

Eine Gruppe Rentner lief an uns vorbei und fragte, ob wir Pilger seien. Als sie erfuhren, dass wir in Deutschland gestartet sind, wollten sie wissen, wie es unseren Füßen geht und dass wir keine Blasen haben konnten sie kaum glauben. Ich streckte ihnen stolz beide Füße entgegen, denn für mich ist es immer wieder ein Wunder, dass ich nach all den vielen Blasen auf den letzten Wegen blasenfrei laufen kann.
Aber damit keiner denkt, die Reise sei ein leichter Spaziergang, zeigte ich noch dramatisch auf mein aufgeschürftes Knie. 

Wir setzten unseren Weg fort und liefen nur kurz über Waldwege, danach leider Ewigkeiten auf und ab über Asphalt an der Landstraße entlang und in der prallen Sonne. Kein Geschenk.
Nach gefühlten 3 Stunden kamen wir endlich in Saint Antoine de-Pont-d'Arratz an und liefen zur Herberge L'oustal, in der man für 5€ zelten kann. Das ist der übliche Preis, wenn man an den Gites sein Zelt aufstellen möchte.
Wir wurden freundlich empfangen, bekamen ein Glas Wasser mit Sirup und checkten ein.
Ob wir auch duschen wollen, fragte uns die Frau. Bien sur Madame, wer will das nicht? Lächelnd sagte sie uns, dass das dann 5€ extra sind - pro Person! Wir lehnten (unsererseits nicht mehr so lächelnd) die Dusche ab und erfuhren, dass wir zusammen nur 5€ für die Übernachtung zahlen. Das hatten wir nicht verstanden, aber es brachte uns auch nicht dazu, 10€ für zwei Duschen zu zahlen.

In Garten zeltete bereits eine Familie, die mit Fahrrädern und 4 Kindern unterwegs ist. Der Zweitjüngste war etwa 4 Jahre alt und kam sofort strahlend herüber, um mit mir zu kuscheln. Er hat das Downsyndrom und schert sich nicht darum, ob ich verschwitzt bin, wo ich herkomme und überhaupt. Aber er entdeckte meine Wunde am Knie und pustete. Als ich Scrat aus den Rucksack zog, nahm er ihn in die Hand und stupste Scrats Nase gegen das Knie. Er pustete alle Schmerzen weg, bis seine Eltern ihn zurückholten.

Neben der Herberge ist ein Friedhof und da es dort fast immer einen Wasserhahn gibt, wuschen wir uns dort. Pah, ihr Herbergsleute, mit uns macht ihr so etwas nicht.

Frisch gewaschen liefen wir in das Dorf zurück und schauten uns die Kirche an, die ungewöhnlich aussah, fast etwas orientalisch und sie war wunderschön.
Den Rest des Abends lagen wir im Gras, genossen das schöne Wetter und gingen irgendwann schlafen, die Sonnenblumen neben uns hatten auch schon ihre Köpfe gesenkt und schliefen.

Dienstag, 29. Juli 2014

Tag 76: Lauzerte - Moissac

Heute ist Lydias letzter Tag. In Moissac ist ihre diesjährige Etappe zu Ende und sie muss zurück ins echte Leben.
Johannes und ich machten uns an den Frühsport und liefen den Berg hinauf nach Lauzerte. Wir trafen Lydia, frühstückten und ich machte noch einen schnellen Rundgang durch den Ort, denn ich hatte gestern ja nichts mehr gesehen.

Die ersten Kilometer des Tages verliefen etwa so: bergab, um auf den gegenüberliegenden Berg zu klettern, dann wieder runter, um auf den Nächsten zu laufen. Am Schlimmsten war aber, dass wir die meiste Zeit des Tages über Asphalt liefen. Der Weg schien sich alle Mühe zu geben, Lydia den Abschied möglichst leicht zu machen.

Zwischendurch wechselten wir aber doch wieder auf hübsche Wege und mussten auch noch den einen oder anderen Anstieg bewältigen.
Wir kamen an einem Tisch vorbei, der am Wegesrand stand und auf dem Obst lag, das man gegen eine Spende mitnehmen konnte.
Wir entschieden uns für eine herrlich duftende Melone und suchten uns einen schönen Platz, um sie zu essen.
Mittags kamen wir durch einen Ort mit einem Café und gönnten uns eine lange Mittagspause. Als wir weiterliefen, fing es an zu regnen, aber glücklicherweise war es nur ein kurzer Schauer und danach war die Sonne wieder da und es wurde richtig heiß. Totales Aprilwetter.

Die letzten Kilometer vor Moissac wurde der Weg noch einmal ganz hübsch und verlief über Feldwege und durch Wald. Am Ortseingang von Moissac mussten wir uns zwischen zwei Wegen entscheiden. Der eigentliche Weg verlief über wenig befahrene Straßen und der Andere führte ohne Umwege ins Zentrum. Da der schönere Weg nur 600m länger sein sollte, entschieden wir, diesen zu nehmen.
Ob wir das auch getan hätten, wenn wir gewusst hätten, dass wir noch mal richtig lang und steil bergauf müssen auf dieser Route?
Irgendwann lag die Stadt ziemlich weit unter uns und ich fragte mich, ob das wirklich nötig war. Vielleicht hat man sich gedacht, dass die Pilger in der letzten Zeit nicht genug gelitten haben und deswegen diesen Weg markiert?!

Nachdem ich einen niedlichen Hund ausgiebig durch ein Tor gestreichelt und mich mit seinem Frauchen unterhalten hatte, ging es steil bergab und endlich ins Zentrum von Moissac.
Dort durften wir gleich wieder ein kleines Stück bergaufkraxeln, um zur Herberge im alten Kloster zu kommen.
Dort wurden wir herzlich von einem 62-jährigen Franzosen empfangen, der recht gut deutsch spricht und ganz schön Sprüche klopfte. Es ist schön, wenn die Mitarbeiter freiwillig und mit Freude in den Herbergen mitarbeiten!
Wir können hier für 5,50€ zelten und sparen somit wieder ein paar Euro. Zum Glück mögen wir unser Zelt, sodass es kein Problem für uns ist, kein Bett zu haben.

Wir machten uns direkt auf den Weg in die Stadt, um einzukaufen. Wir wollten kochen, sind aber erst um halb 6 in der Herberge angekommen und die Läden schließen um 19 Uhr.
Wir kauften viele leckere und gesunde Lebensmittel und gönnten uns noch einmal leckere Törtchen aus der Konditorei.
Nachdem wir uns die wirklich sehenswerte Kirche (vor Allem das außergewöhnliche Tympanon (ich kannte das schlaue Wort für Eingangsdekoration vorher nicht)) angesehen hatten, liefen wir zurück und kochten uns ein unheimlich leckeres Abendessen.
Eigentlich wollten wir danach noch einmal in den Ort, um die Kirche im Abendlicht zu betrachten, aber wir waren zu satt, zu faul und vor Allem müde. Deswegen versackten wir, mit kleinen Katzen auf dem Schoß, auf dem Sofa und gingen zeitig schlafen.

Montag, 28. Juli 2014

Tag 75: Lascabanes - Lauzerte

Heute morgen holten wir Lydia an ihrer Herberge ab und liefen gemeinsam los. Den ganzen Vormittag wanderten wir an Sonnenblumenfeldern vorbei und in einige der uns zugewandten Sonnenblumen waren Motive gezupft worden. Hauptsächlich Gesichter, aber auch einen Pfeil und etwas Geschriebenes habe ich entdeckt.

Wir wanderten hügelauf- und abwärts bis nach Montcuq, einem der zahlreichen schönsten Orte des Landes.
Wir sind heute morgen extra früher gestartet,  um uns den Ort ausgiebig ansehen zu können. Die Kirche am Ortseingang konnten wir besonders intensiv besichtigten,  weil es regnete und wir warteten, bis es aufhörte.
Wir kauften uns ein leckeres Frühstück in der Bäckerei und liefen durch den Ort, auf der Suche nach einem schönen Plätzchen für unsere Pause.
Dabei mussten wir feststellen,  dass der Ort gar nicht so umwerfend hübsch ist, wie wir erwartet hatten.  Jedenfalls fanden wir keinen Platz, der uns wirklich gefiel und so setzten wir uns einfach vor das Rathaus und frühstückten endlich.
Dieser Ort hat zwei englische Buchläden, aber wir hatten mal wieder Glück: Einer der beiden öffnet nur am Nachmittag und der Andere hat an einem einzigen Tag in der Woche geschlossen.  Heute. Schade, denn besonders Lydia hatte sich darauf gefreut, in englischen Büchern zu stöbern.
Dieser Ort soll bei Engländern als Zweitwohnsitz sehr beliebt sein und wir haben auch einige  britische Autos gesehen, konnten aber nicht herausfinden,  warum dieser Ort so beliebt ist.

Der Rest des Ortes war nach dem Frühstück schnell besichtigt.  Es gibt noch einen hohen Turm,  aber der kostete leider Eintritt und das war uns die Aussicht dann doch nicht wert. Es ist ja nicht so, dass wir nur durch Täler laufen und keine Aussichten hätten.
Wir traten die letzten 14 km also etwas früher als geplant an und wanderten wieder an unzähligen Sonnenblumen vorbei. Ich liebe Sonnenblumen.  Sie sehen sympathisch aus und strahlen so schön.

Auf einer Wiese an einem Feld machten wir eine Pause und flüchteten spontan,  als eine Gruppe mit 25 Jugendlichen anrückte. Auf den schmalen Wegen würde es kein Spaß sein,  die Gruppe zu überholen. Lachend hetzten wir uns gegenseitig und liefen los, bevor die Gruppe uns erreichte. Es ging noch einmal ordentlich bergauf und dann bald auf Lauzerte zu. Johannes und ich kletterten nicht in den Ort auf dem Berg,  sondern heben uns den steilen Anstieg für morgen früh auf, denn der Campingplatz liegt im Tal davor. 

Wir liefen die letzten 700m im Nieselregen und erreichten den Platz,  auf dem uns gleich eine Katze begrüßte. Wir bekamen einen Platz zugewiesen und Johannes beschloss, sich heute noch etwas im Ort umzusehen.  Ich hatte keine Lust,  den Berg zu erklimmen und widmete mich lieber meinem Tagebuch. 
Es gewitterte und ich duschte mit kaltem Wasser.  Die große Jugendgruppe hat vermutlich das gesamte Warmwasser verduscht, ich hätte mich mehr beeilen müssen.

Neben uns zeltete eine französische Pilgerin, die wir schon kennen und Johannes hat versucht,  auf Französisch ein Date zum gemeinsamen Abendessen auszumachen.  In 10 Minuten wollte sie zu uns stoßen. 
Wir warteten über 30 Minuten,  dann tauchte sie auf, wünschte uns einen guten Appetit und aß mit ihrer Freundin an einem anderen Tisch.
Ob das an sprachlichen Barrieren lag oder nicht,  weiß ich nicht, jedenfalls hatten wir unsonst gewartet.

Es ist generell nicht so leicht mit den Franzosen,  weil kaum jemand genug englisch spricht, um sich zu unterhalten und auf Französisch können wir nicht lang reden,  weil Johannes dann nicht folgen kann.

Den Abend verbrachten wir auf dem überdachten Platz und ich hörte ein bisschen dem Programm der katholischen Jugendgruppe zu, die am Ende noch viele Gesänge in ihre Gebete einband und dann ging ich ins Bett. 

Sonntag, 27. Juli 2014

Tag 74: Cahors - Lascabanes

Da wir uns heute morgen noch etwas in Cahors umschauen wollten, brachen Johannes und ich zeitig auf. Immerhin mussten wir noch eine gute halbe Stunde bis in die Stadt laufen.
Alles lag noch im Nebel und die Morgenluft war frisch. So etwas hat seinen ganz eigenen Zauber.
In Cahors trafen wir Lydia und wir gingen noch einmal in die gute Boulangerie-Patisserie von gestern.  Die Törtchen standen schon bereit und wir hätten gern wieder welche gekauft... Ich entdeckte eine große Tüte mit Backwaren vom Vortag für 2€ und die nahmen wir gern. Es war eine ganze Menge drin und alles schmeckte herrlich. 
Wir verließen die Stadt über die alte Brücke, für die Cahors bekannt ist (sie ist auf jeder Postkarte). Dahinter mussten wir einen sehr steilen Anstieg bewältigen.  Beim Blick nach oben sah es fast senkrecht aus. Der Abschnitt nannte sich verheißungsvoll "passage sportif".
Es ging mächtig schweißtreibend nach oben über hohe Stufen und ein Ende war vorerst nicht in Sicht. Aber immer wieder konnten wir zurückblicken und die Sicht auf Cahors und die hübsche Brücke genießen.  Die Ausblicke werden ja glücklicherweise immer schöner,  je höher man kommt.
Bald waren wir dann oben und liefen ein Stück auf der Höhe. Danach schnell ging es bergab bis ganz nach unten, um den nächsten Berg wieder voll mitnehmen zu können.  Es war ein auf und ab.
In Les Matthieux gibt es eine Herberge, die einen Picknickplatz mit Wasserstelle für Pilger bereithält. Hier ist eine Tafel angebracht mit Höhenprofil und Entfernungen bis nach St.-Jean-pied-de-Port.
Den Höhenprofilen, die wir so sehen, vertrauen wir schon lange nicht mehr,  aber wenn es einigermaßen hinkommt,  dann laufen wir auch weiterhin viel auf und ab.
Die nächsten 4 km ging es jedenfalls ordentlich bergauf, über Schotterwege und in der prallen Sonne.
Heute gab sich die Sonne wieder alle Mühe,  uns zu beweisen, dass es in Südfrankreich sehr wohl heiß sein kann.
(Hoppla, Südfrankreich!  Das klingt ziemlich weit weg! Wir sind doch in Nordrhein-Westfalen gestartet!)
Wir flüchteten im nächsten Ort unter einen Baum,  der seinen Schatten großzügig auf die Wiese warf. Ein Hund gesellte sich zu uns und hoffte, etwas von unserem Essen zu bekommen. 
Den Rest des Tages liefen wir über helle und steinige Wege zwischen Bäumen in karger Landschaft (Wald wäre übertrieben) und unzählige Zikaden machten einen unbeschreiblichen Lärm!
Seit einiger Zeit sitzen sie schon am Wegesrand und feuern die Pilger an und manchmal sind sie wirklich ungemütlich laut.
Wir erreichten Lascabanes relativ spät,  da wir hier und da noch kleine Päuschen einlegten. Die erste Gite im Ort hatte einen schönen großen Garten und wir durften hier zelten.  Lydia musste leider zur anderen Gite (wo wir nicht zelten durften, weil die Bäder den Zimmern angeschlossen sind und wir dann ja in ein Zimmer reinmüssten...) und auf einer Liege in der Küche schlafen,  da alles Andere belegt war. Sie hatte dort erst am Nachmittag angerufen und zum Glück war der Platz in der Küche da noch frei.
Wir verabredeten uns für 19 Uhr, um gemeinsam zu essen.
Wir suchten uns einen schönen Platz für das Zelt, ich streichelte die Hunde, die am Nachbarbaum an langen Ketten angebunden waren und zwei Opis jenseits der 90 saßen auf Plastikstühlen im Garten und als einer der beiden hörte,  dass ich aus Deutschland komme, fing er an, über Hitler zu reden. Der andere Opi schlug sich die Hand vor den Kopf und bat ihn, aufzuhören.
Die Duschen waren angenehm, endlich konnte ich die Klamotten mal sicher ablegen und musste nicht  (wie auf den Campingplätzen) alles auf wenige Haken verteilen und aufhängen. Außerdem zog hier auch kein kühler Wind durch.

Im Flur stand ein gemütliches Sofa,  es gab Internet und kalte Getränke,  die wir uns trotz der hohen Preise gönnten,  denn wir schlafen hier für nur 3€.
Wir fanden einen großen toten Käfer mit langen Fühlern auf der Wiese, den wir zur Begrüßung auf Lydias Platz legten, als wir uns an dem Tisch vor ihrer Herberge installierten.
Als sie kam, warf sie nur einen kurzen Blick auf das Monster und sagte "aha, das ist aber nett". Schade, dass sie nicht geschrien hat und auf den Tisch gesprungen ist,  das wäre lustig gewesen. 
Wir teilten unsere Habseligkeiten, aßen uns satt und ließen den Abend auf den gemütlichen Stühlen ausklingen.
Die Abende auf dem Camino entschädigen für alles, was einen am Tage auch immer aufregen mag.  Anstrengende Auf- und Abstiege, Regen,  hässliche Industriegebiete oder stundenlanges wandern unter der prallen Sonne.  Die Abende sind einfach schön!

Samstag, 26. Juli 2014

Tag 69- 73: Schlenker über Rocamadour

Wir haben uns für den Umweg über Rocamadour entschieden. Wir sind gut in der Zeit und müssen uns nicht stressen und wer weiß, wann man das nächste mal nach Südfrankreich kommt?
Wenn der Ort so sehenswert ist, dann wollen wir ihn auch sehen.

Wir liefen heute morgen nach Figeac hinein und fragten in einem Fotogeschäft, ob sie eine Idee haben, was mit der Kamera sein könnte. Der Mann testete den Akku, während wir einkaufen gingen und ich hoffte, dass das Problem wirklich am Akku liegt. Leider (und natürlich) war das nicht so und wir ließen uns die Kameras zeigen, denn wir hatten vorher schon entschieden, dass wir zur Not eine neue Kamera kaufen würden. Wir wollen die Kamera hier nicht in Reparatur geben, weil dann die Garantie verfällt.
Wir konnten uns mit keiner der Kameras anfreunden und ich fragte, ob es meine Kamera oder das Vorgängermodell vielleicht im Ort zu kaufen gäbe und er verwies uns an einen anderen Laden, der sie wirklich da hatte!
Für 149€ habe ich nun das Vorgängermodell mit Hülle und einer 8 GB Speicherkarte bekommen und bin froh, dass ich mich nicht umstellen muss und weiß, dass die Bilder gut werden.

Weg nach Rocamadour:

Wir verließen Figeac mit einem guten Frühstück im Rucksack und suchten uns einen schönen Platz zum essen. Wir fanden bald einen hübschen Rastplatz und lasen die Infozettel, die wir in der Touristeninformation bekommen hatten. Denn wir wussten noch gar nicht genau, wo es Unterkünfte gab und wo nicht. Die Strecke nach Rocamadour auf dem ausgewiesenen GR6 (Fernwanderweg) ist 57 km lang, das könnte man gut in zwei Tagen schaffen. Aber es gibt keine Herberge nach 25-30 km, sondern nur deutlich davor und deutlich dahinter.

Wir überlegten und rechneten, wie wir es schaffen konnten, morgen anzukommen (wir wissen, dass Thomas, Lydia und Pierre auch morgen ankommen wollen und müssen) und entschieden uns, heute auf eigene Faust über die Landstraße und Nebenwege zu laufen, um den Campingplatz in L'Hopital zu erreichen. Auf dem GR wären das 36 km und das wollten wir nicht. Wir mögen solche langen Etappen auch nach über 1000 km einfach nicht.
Wir suchten uns eine Route entlang der Landstraße, von der wir immer wieder abbogen. Die Strecke war ganz hübsch, aber leider bin ich auf einem Geröllpfad gestürzt und habe mir das Knie ordentlich aufgeschürft. Es dürfte niemandem überraschen, dass es das kaputte Knie war... Ich versorgte die Wunde und lief weiter. Da ich noch von zwei Hunden aufgehalten wurde, die unbedingt gestreichelt werden wollten, kam Johannes mit entgegen, denn er fragte sich langsam, wo ich blieb.

Wir wanderten durch hübsche Dörfer, über Höhen und leider auch über viel Asphalt (aber das hatten wir uns ja selbst eingebrockt). Zum Ende des Tages stießen wir wieder auf den GR und liefen die letzten Kilometer bis zum Campingplatz auf dieser Strecke.
Der Platz war schön, aber wir waren die einzigen Pilger.
Wo mögen die Anderen wohl untergekommen sein?
Am nächsten Tag hatten wir noch 21 km bis nach Rocamadour.

Wir erreichten am nächsten Morgen nach etwa 7 km das Örtchen Gramat und wollten einen Abstecher zum großen Supermarkt machen, da es in Rocamadour nicht viel geben soll. Der Anwohner, den wir nach dem Weg fragten, hatte die Entfernung jedoch offensichtlich aus Sicht eines Autofahrers geschätzt und so liefen wir einen endlos wirkenden Berg hinauf und erreichten den Hypermarché (Supermarkt reicht nicht, hier ist es ein Hypermarkt) nach einer gefühlten Ewigkeit.
Eine weitere Ewigkeit verbrachten wir auch im Laden, denn wir wollten ein paar Vorräte kaufen, die wir anderswo nur sehr teuer bekommen (Nüsse zum Beispiel). Nach einem ausgiebigen Frühstück und dem Studium der Landkarte beschlossen wir, nicht den ganzen Weg zurückzulaufen, sondern dem GR auf der Landstraße entgegen zu gehen. Die Straße war zuerst viel befahren, dann wechselten wir auf eine wenig befahrene Straße und weil es nicht mehr weit bis Rocamadour war, blieben wir auf dieser. Denn so kamen wir auch gleich an beiden Campingplätzen vorbei und konnten uns einen aussuchen und die Sachen da lassen.

Rocamadour:

Wir erreichten Rocamadour- Hospitalet, einen kleinen Ort, der über dem eigentlichen Ort liegt und stellten fest, dass die Campingplätze, die nebeneinanderlagen die gleichen Angebote und gleichen Preise hatten und wählten den, der dichter am Ort lag.

Auf dem Weg zu dem uns zugewiesenen Platz liefen wir an einem Bulli vorbei, auf dem "Flowerpower" stand und der einfach toll aussah. Ich muss beim Betrachten und grüßen gestrahlt haben, denn der Mann kam 5 Minuten später zu unserem Platz und schenkte uns eine Flasche eiskalten Wassers. Wir durften unsere Lebensmittel in ihren Kühlschrank legen und wurden auf ein Getränk eingeladen.
Das nahmen wir gern an, vorher wollten wir aber noch in den Pool, denn heute ist es sehr heiß und wenn wir erst einmal im Ort sind, kommen wir nicht zurück, bevor das Becken geschlossen wird.

Wir genossen die Abkühlung und machten uns danach fertig für die Besichtigung und den Abend. Wir haben noch ein gutes Stück zu laufen und müssen viel bergab. Das bedeutet, dass wir zwischendurch nicht zurückkommen werden.
Wir verquatschten uns mit den Flowerpowercampern und kamen erst um 16 Uhr los (und dabei hatten wir uns den ganzen Tag rangehalten, damit wir viel Zeit im Ort verbringen können).
Nach einem Abstecher in die Touriinfo (wo wir feststellen mussten, dass sie zwar einen eigenen Ordner für Pilger mit allerlei Zettelchen, aber keine Ahnung davon haben, wie wir zu unserem Jakobsweg zurückkommen) liefen wir hinab nach Rocamadour. Von oben aus hatten wir schon eine hübsche Sicht auf das Örtchen am Berg und liefen eine steile Straße hinab. Ein Anwohner hat extra für Pilger einen Wasserhahn vor seinem Haus angebracht und lädt mit einem Schild ein, den Durst zu stillen.

Wir hofften, dass Rocamadour selbst kaum Geschäfte haben würde, da oben auf dem Berg alles zu sein schien. Die ganzen Läden in Conques hatten uns schon etwas gestört, weil das Mittelalterfeeling gar nicht erst zustande kommt.
Aber Rocamadour sollte dies noch übertreffen. Wir kamen durch ein Tor in eine alte Straße am Fuße des Ortes und hier ging es fast zu wie auf einem Jahrmarkt!
Überall Menschen, überall Kitsch und Andenken, überall Tourismus. Wir probierten den berühmten Ziegenkäse des Ortes (der uns beiden ehrlich gesagt nicht besonders zusagte) und flüchteten aus dieser Straße.

Wir liefen zum Ende des Weges, wo sich kaum Touristen aufhielten und wanderten einen einsamen Trampelpfad hinauf zur nächsten Ebene. Die meisten Leute nehmen die Treppe hinauf und gehen nicht bis zum Pfad. Wir gingen in die Herberge und holten uns den Stempel und erfuhren, dass unsere Freunde bereits angekommen waren.
Sie waren gestern 42,5 km gelaufen, um heute hier ankommen zu können. Es ging nicht anders, weil es nur so wenige Herbergen gab und sie (bis auf Thomas) kein Zelt dabei haben.
Von anderen Pilgern hatten sie heute aber erfahren, dass es einen Campingplatz mit günstigen Hütten in Lacapelle-Marival gibt (für Pilger: diese Infos stehen auf den Seiten des Miam Miam Dodo, die man sich im Internet kostenlos herunterladen kann, weil sie im Buch nicht abgedruckt sind. Auf den Blättern der Touriinfo in Figeac steht davon nichts).
Wir liefen zusammen durch den Ort, aßen ein Eis und liefen den steilen Kreuzweg, der im Zick-Zack den Berg hinaufführt, hoch. Oben auf dem Berg steht das Schloss und es werden 2€ Eintritt verlangt, damit man auf das Gelände darf, um die Aussicht zu genießen. Das Schloss selbst darf man nicht betreten, es geht wirklich nur um den Blick, ich habe nachgefragt.
Thomas investierte das Geld, denn er trägt eine 3,5 kg schwere Fotoausrüstung vor der Brust und wollte ein paar Fotos schießen.

Wir warteten vor der Tür und trennten uns anschließend, da die Anderen noch einkaufen wollten.
Wir verabredeten uns für 20 Uhr zum gemeinsamen Essen.
Johannes und ich liefen durch den kleinen Ort und entdeckten, dass es zwei Aufzüge gibt, in denen man sich gegen unverschämt viel Geld die Treppen spart. Ich fragte, ob Rollstuhlfahrer auch zahlen müssen und die Aufzugangestellte sagte, dass diese kostenlos fahren dürften. Immerhin.
Da wir bald alles bis auf die Kirchen gesehen hatten, gingen wir zu der kostenlosen Führung, die Lydia uns empfohlen hatte. Sie wollte auf jeden Fall hingehen.
Zuerst wussten wir nicht, ob wir das tun sollten, aber jedem, den es mal nach Rocamadour verschlägt, empfehle ich diese Führung. Sie wird mehrfach am Tag angeboten und findet in verschiedenen Sprachen statt.

Im Rahmen der Führung sieht man einige Orte, die den Rest des Tages verschlossen sind. Es ist sehr interessant und der Bruder, der unsere englische Tour geleitet hat, war sehr humorvoll.
Zum Abendessen kehrten Johannes, Lydia, Thomas, Pierre und ich in ein Lokal ein, in dem es hauptsächlich Crêpes und Galettes gibt. Es schmeckte herrlich und wir genossen den Abend.
Thomas muss morgen leider nach Hause und so konnten wir uns nicht trennen und es war nach 23 Uhr, als wir uns auf den Weg zum Campingplatz machten. Unsere Flowerpowerfreunde waren bereits im Bett und so können wir morgen länger schlafen, denn wir haben ja noch unsere Lebensmittel in ihrem Kühlschrank und können vorher nicht starten.

Zurück zum Jakobsweg:


Thomas hatte Lydia erzählt, dass der Weg (GR45) zurück zum Jakobsweg kurz vor Cahors flach sei und wenn das sonst noch jemand erzählt bekommt, der sei gewarnt: das ist eine Lüge! Es ging an den beiden Tagen sehr viel bergauf und es war sehr heiß, was die Sache verschlimmerte. Wir trafen Lydia am nächsten Vormittag nach den ersten Kilometern wieder, da sie auf zwei Pilger gewartet hatte, die direkt hinter Rocamadour den falschen GR gewählt hatten und 7 km falsch gelaufen waren. So kam es, dass wir sie einholten, obwohl wir recht spät aufgebrochen waren. Wir schlossen uns der Gruppe an, nachdem wir sie nach einer Pause eingeholt hatten. Mathilde und Thibault laufen für eine Woche und sind in Figeac gestartet. Wir schwitzten uns über die Berge und die Hitze machte uns allen wirklich sehr zu schaffen.

Die letzten Kilometer nach Labastide- Murat waren für uns alle sehr beschwerlich und Mathilde hatte schmerzhafte Blasen, die sie deutlich ausbremsen. So erreichten wir vor den beiden den Ort und ich ließ mich auf einem Platz auf den Boden fallen und versuchte abzukühlen. Ein freundlicher Monsieur, vor dessen kleinem Geschäft ich mich hatte fallen lassen, kam heraus und schenkte uns eine große Flasche eiskaltes Wasser.
Als die Nachzügler ankamen trafen wir auf Pierre, der uns sagte, dass es nur das Hotel für 50€ gibt und ihm auch in der Touriinfo nicht geholfen werden konnte.
Wir fragten dort natürlich trotzdem nach, aber die Damen wussten keinen Rat.
Wir fragten im Rathaus, ob es einen Raum für uns gäbe, eine Schule oder irgendetwas. Johannes und ich hätten einfach auf den örtlichen Campingplatz gehen können, aber wir wollten lieber mit den Anderen irgendwo etwas abenteuerlicher schlafen.
Die Dame verstand unsere Not und bestellte den (sehr jung aussehenden) Bürgermeister und sie berieten sich kurz, dann bekamen wir das okay, im Rathaus zu übernachten.
Wir bekamen den Schlüssel für einen Raum mit eigener Außentür und durften auf dem Campingplatz duschen. Wow!

Wir gingen einkaufen und da der Laden recht groß war, wir alle viel Hunger hatten und gemeinsam essen wollten, kaufte jeder etwas zu viel ein. Danach packten wir unsere Sachen und liefen zum Campingplatz, der nicht mehr als eine Wiese mit Klohäuschen war. Es gab hier nichts. Keine Camper und keine Informationen.
Und es gab nur eine Dusche, die funktionierte. Man musste den Druckknopf jede Sekunde drücken oder dauerhaft gedrückt halten und das Duschbecken war fast verstopft. Das Wasser floss so langsam ab, dass man sich nicht hineinstellen konnte, sondern breitbeinig links und rechts darüberstehen musste. Nacheinander stellten wir uns dieser Herausforderung und wir waren froh (und überrascht), dass es wenigstens warmes Wasser gab.
Zurück im Rathaus packten wir unser Essen und setzten uns nach draußen an einen Tisch. Wir teilten unsere Schätze und hatten ein richtig gutes Abendessen. Dann machten wir es uns in unserem kleinen Saal bequem und gingen schlafen.

Mathilde hat beschlossen, ihren Weg abzubrechen. Sie hat ohnehin nur noch drei Tage, aber mit den Blasen macht ihr das Laufen keinen Spaß mehr. Thibault begleitet sie nach Cahors, da sein Freund dort auf ihn wartet und er sich sonst verspäten würde. Die beiden versuchen, nach Cahors zu trampen.

Wir liefen gemeinsam mit Lydia weiter und bekamen mittags schlechtes Wetter. Kurz vor einem kleinen Ort begann ein starker Regen und wir hatten schon lange einige Donner gehört.
Wir eilten zur Kirche, die dummerweise verschlossen war, so wie alle Fensterläden im Ort, weswegen wir auch niemanden fanden, den wir nach dem Schlüssel fragen konnten. Wir setzten uns vor die beiden Stufen vor der Tür und warteten. Und wenn da schon mal Publikum sitzt, muss sich das Gewitter gedacht haben, dann kann es auch mal zeigen, was es kann. Helle Blitze zuckten über den Himmel, aber die beeindruckten uns wenig. Aber die Donner hatten sich gewaschen! Es knallte und wir einigten uns darauf, alle noch nie einen solch lauten Donner gehört zu haben. Geschmeichelt von diesem Lob legte der Donner noch einen obendrauf und es knallte so heftig, dass unsere Trommelfelle vibrierten. Der Regen hörte einfach nicht auf und wir froren seit einiger Zeit unter den feuchten Ponchos.
Da sah ich eine Haustür aufgehen und eine alte Dame heraustreten. Ich eilte herüber und hatte Glück, sie war die Hüterin des Schlüssels.
Sie schloss uns die Kirche auf und wir konnten uns endlich ausziehen und aufwärmen.

Wir blieben noch eine weitere Stunde, bis der Regen endlich aufhörte und danach wurde das Wetter sogar wieder recht freundlich.
Wir wanderten laut Karte an einem Fluss entlang und dachten, wir hätten damit die Berge hinter uns. Aber von wegen: wir hielten uns zwar stets parallel zum Fluss, aber das hieß nicht, dass wir die steilen Anstiege sparen konnten.
Wir wanderten aber immer wieder auch direkt am Wasser entlang durch den Wald und der Fluss war wunderschön. Er war recht tief und sehr klar und hatte einen Blaustich. An einer kleinen Brücke wären wir sehr gern baden gegangen, da hier kleine Wasserfälle waren mit moosbedeckten Steinen, roten Pflanzen, Bäumen und einem tiefen Becken. Aber es war nach dem Gewitter noch so kalt, dass wir nicht besonders in Badelaune waren.

Wir liefen die letzten Kilometer nach Vers zwischen Felsen und Fluss entlang, gaben einen kleinen Vogel bei einer lieben alten Madame ab, die sich um ihn kümmern will und begegneten einer Kuh, die plötzlich aus den Unterholz kam, vor uns herlief, sich immer wieder nach uns umdrehte und schließlich wieder in die Büsche schlug.
In Vers angekommen stellten wir fest, dass das Touristenbüro nicht mehr als ein Tisch mit Flyern ist.
In dem Saal war gerade eine Kunstausstellung und die Damen versuchten uns zu helfen. Wir haben für den Rückweg ja keine Informationen, abgesehen von der Wanderkarte mit einem Übernachtungssymbol in diesem Ort.
Die gab es auch, allerdings in einer Gite de France und erst ab 40€.
Das war uns natürlich zu viel und wir fragten wieder nach einer Schule oder irgendetwas.
Während die eine Madame nach zwei Telefonaten die Motivation verlor, uns unterzubringen (es war ja auch nicht ihre Aufgabe), legte sich die andere Dame mächtig ins Zeug und fragte den Bürgermeister, danach einen Bauern mit (leider voller) Scheune und jeden, der ihr noch so einfiel.
Wir fragten, ob wir nicht den Pfarrer bitten könnten, in der Kirche zu bleiben und weil es nichts anderes zu geben schien, sorgte sie dafür, dass der Opi mit dem Schlüssel die Tür heute offen lässt.
Sie übernimmt sogar die Verantwortung!

In der Kirche stehen Holzbänke, aus denen wir uns recht bequeme Betten bauen können. Wir nutzen die Toilette am benachbarten Campingplatz und hatten einen Wasserhahn direkt vor der Tür. Wir schauten uns im Ort um, kauften ein und ließen uns das Abendessen mit einer Flasche Cidre schmecken.
Die Kirchentür wirkte, richtig geschlossen, für alle vorbeilaufenden wie abgeschlossen, das war natürlich besonders praktisch für uns, weil so niemand an unsere Sachen gehen konnte.
Es wurde ein sehr schöner Abend.

Wir liefen morgens wieder im Nebel los und kletterten auf einen Berg, auf dessen Höhe wir eine Weile wanderten, bis wir in ein Dorf herunterstiegen, das am Fluss liegt. Wie suchten uns eine hübsche kleine Bucht und ich badete meine Füße. Kleine Fische untersuchten meine Füße. Leider gesellte sich bald ein älterer Herr zu uns, der wenige Meter neben uns ein Lagerfeuer entzündete und seine Plastikflaschen verbrannte.
Wir verließen bald darauf den GR45 und mussten uns zwischen zwei Wegen entscheiden. Wir wechselten auf einen GR, der am Fluss verläuft, denn auf Berge haben wir keine Lust und am Fluss ist es sicher auch schön.
Wir pilgerten über Trampelpfade neben Feldern, durch Büsche und Wälder, vorbei an kleinen Buchten und natürlich durch Matsch.

Der Campingplatz, auf dem Johannes und ich heute schlafen werden, lag vor dem Ort. Wir schlafen hier, weil es jetzt wieder genügend Unterkünfte gibt und Lydia hatte vorher zur Sicherheit ein Bett in einer Gite reserviert.
Wir liegen ja jetzt 2 Tage zurück und wissen nicht, wie viele Pilger gerade unterwegs sind. Wir sind jetzt im Strom der am-Wochenende-in-le-Puy-Starter und davor wird im Internet gewarnt, da würden die allermeisten starten und dann sei alles ausgebucht.
Lydia ging weiter nach Cahors, während wir auf dem Campingplatz eincheckten und das heiße Wetter nutzen, um alle Klamotten zu waschen und die Schwimmanlage mit drei Becken zu nutzen.

Nachmittags liefen wir in die Stadt, schauten uns um und entdeckten einen Hinterhof mit einem gelben Garten. Es scheint eine Art Kunstprojekt zu sein, das hier war Garten Nummer 12.
Hier gab es aber nicht nur allerhand gelb angesprühte Gegenstände, sondern auch riesige Bananenstauden und andere exotische Pflanzen.

Abends kochten wir gemeinsam in der Gite, in der Lydia untergekommen war. Da es keinen Garten gibt, können wir hier nicht schlafen. Wir wählten deswegen die günstigere Variante des Campingplatzes, aber mit dem Schwimmbecken und Internet ist es auch sehr angenehm dort.

Johannes und Lydia kauften in einer Markthalle Rocamadour-Ziegenkäse, um "chèvre chaud" zum Salat zuzubereiten (Ziegenkäse auf Baguette (worauf auch sonst) im Ofen erwärmt). Da ich damit nichts anfangen kann, gönnte ich mir ein kleines Stück Zwiebeltarte vom Nachbarstand. In einer Boulangerie und Patisserie kauften wir Baguette und bewunderten kleine, attraktive Törtchen, von denen wir uns schließlich zwei zum Nachtisch gönnten. Kein Schnäppchen, aber sehr sehr lecker.
Wir kochten ein herrliches Abendessen und als es schon dunkel wurde, machten wir uns auf den Weg zurück zum Campingplatz, denn wir mussten ja noch eine halbe Stunde laufen.

Zur Info für alle Pilger: Der Weg von Figeac nach Rocamadour beträgt 57 km auf dem GR6 und von Rocamadour nach Cahors sind es etwa 66 km auf dem GR46 bis Vers, dann weiter auf dem GR 36 nach Cahors.
Der Weg von Figeac nach Cahors ist 88 km lang, also bedeutet der Schlenker über Rocamadour (nur) 35 km Umweg.

P.S. an Alle: Entschuldigt bitte alle Rechtschreib-, Autokorrekt-und Tippfehler in den Beiträgen dieser Reise. Ich komme nicht hinterher mit dem Schreiben, zum Korrekturlesen fehlt leider jegliche Zeit. Und ich sehe es nicht immer, wenn das Programm Worte verändert. Ich lade gerade eine neue Tastatur herunter und hoffe, dass die besser ist.