Montag, 30. Juni 2014

Tag 48: Le mont Pinay - Charlieu

Heute früh liefen wir quasi in den Sonnenaufgang,  da die Sonne diese Seite des Berges noch nicht erreicht hatte.
Die Baumkronen waren schon in goldene Farbe getaucht und noch war es sehr frisch,  da keine einzige Wolke am Himmel stand. 
Die 8 km nach le Cergne verliefen bergauf und bergab und wir betraten den Ort über eine lange Treppe, die bergab durch einen Park führte. Auch hier war die Kirche offen (das ist seit dem Burgund öfter so) und wir machten hier unsere erste Pause. Wir holten uns etwas zu essen beim Bäcker und ich streichelte eine Katze, die gegenüber auf der Fensterbank saß.
Das Wetter war bisher herrlich. Wir bekamen im Rathaus einen hübschen Stempel (für gestern,  da es im Wald ja keine Stempelstelle gibt), kauften uns noch eine kalte Cola und zogen mit vollen Wasserflaschen weiter. Es ging zunächst steil bergauf und bergab, immer im Wechsel. 
An einem Zaun hatten die Bewohner viele Jakobsmuscheln angebracht.
Wir erreichten eine kleine Waldkapelle,  die leider verschlossen war und danach ging es sehr steil bergab.  Johannes übernahm für dieses Stück noch mal meinen Rucksack und ich versuchte mit zwei Stöcken möglichst knieschonend den Berg herunterzukommen. Kurz vor dem nächsten Ort kamen wir an einem Grundstück vorbei,  auf dem zwei Alpacas, ein Hängebauchschwein, Schafe und ein Hund herumliefen. So etwas gefällt mir.
Wir stiegen in den Ort hinauf und hörten schon lange einen Pfau schreien. Irgendwann lief er uns über den Weg - er rannte einfach frei im Dorf herum und schrie herum. Pfaue sind in Frankreich wohl recht beliebt,  da wir schon ein paar mal welche gesehen haben.
Leider lief der Pfau gerade nach Hause und verschwand hinter dem Haus,  so dass wir ihn nur noch hören und nicht mehr sehen konnten. 
Ein paar Orte weiter kamen wir an einem Schrottplatz vorbei, auf dem wir einige Sackkarren, Schubkarren und co. sahen. Wir überlegen seit einiger Zeit,  ob wir die Rucksäcke ziehen sollen oder nicht (dem Knie zuliebe). Der Schrottplatz hat jedoch an einem Tag in der Woche geschlossen und das ist natürlich heute.
Also machten wir nur eine Pause vor der Tür und fragten uns, wer in dem dazugehörigen Laden wohl etwas kauft,  denn überall stand Zeug herum und es sah nicht besonders gepflegt aus.
Wir kürzten hier wieder ein Stückchen über die Landstraße ab und trafen nach einigen Kilometern auf einen Mann,  der an der Straße stand und arbeitete. Wir kamen ins Gespräch und als seine Frau dazukam erfuhren wir, dass hier ihr Gemüsegarten ist. 
Sie luden uns zu sich ein,  um etwas zu trinken und wir nahmen die Einladung gern an. Wir mussten dazu allerdings ein gutes Stück bergabgehen, aber der Mann sagte uns,  dass er uns zurückfahren würde.
Als wir auf der Terrasse saßen und ein kaltes Getränk in der Hand hielten, bot uns der Monsieur ein paar mal Augenzwinkernd an, uns zum Etappenziel zu fahren,  aber wir lehnten lachend ab. Solche Angebote sind lieb gemeint und manches mal auch sehr verlockend,  aber damit fangen wir erst gar nicht an. Später wurden wir von ihm aber an der Parallelstraße ausgesetzt,  weil diese ruhiger ist als die Landstraße.  Wir wanderten die letzten Kilometer nach Charlieu und bekamen unterwegs noch leckere Kirschen, die ein Mann gerade frisch geerntet hatte. Am Ortseingang bogen wir direkt ab, um zum Campingplatz zu kommen.
Nach einer Dusche und dem waschen und aufhängen der Wäsche liefen wir dann in die Ortsmitte. 
Der Himmel war etwas bewölkt, es sah aber nicht nach Regen aus, also trauten wir uns, Wäsche zu waschen und aufzuhängen.
Heute gönnten wir uns einen Pizza aus der Pizzeria, da wir keine Lust auf Fast Food (also Kebab) hatten und die Auswahl im Ort doch begrenzt war. Wir mussten  noch eine halbe Stunde warten, bis die Küche öffnete und vertrieben uns die Zeit im Internet.  Die Pizzen waren wirklich sehr gut, aber durch das Warten auf die Küchenöffnung und Johannes Kaffee hinterher hatte der Himmel genug Zeit, dunkle Wolken anzusammeln und abzuregnen. Irgendwann wurde der Regen so stark,  dass uns klar wurde,  dass unsere Wäsche auf der Leine wieder nass ist.  Wir eilten zurück und verteilten die Kleidungsstücke im Waschmaschinenraum des Campingplatzes. Dann ließen wir den Abend auf der überdachten Terrasse des Campingplatzes ausklingen und beobachteten Regen und Gewitter.

Sonntag, 29. Juni 2014

Tag 47: Col de Crie - Le Mont Pinay

Die Nacht war im Bezug auf das Knie etwas besser als ich dachte.  Die Pause in Taizé hat wohl doch ganz gut getan.  
Das Wetter sah heute früh viel freundlicher aus als gestern und das motivierte uns, denn wer will schon bei schlechtem Wetter über die Berge?!
Wir liefen lange und teilweise steil bergauf und konnten hübsche und weiter Aussichten genießen. 
Wir überquerten ein paar Bäche und stiegen immer höher.
Kurz vor der Spitze des Berges St. Rigaud befindet sich die Pilgerquelle, die vorwiegend Rheumaschmerzen lindern und Unfruchtbarkeit heilen soll.  Ich war etwas betrübt, dass sich eine Pilgerquelle nicht auf Pilgerleiden spezialisiert,  hielt aber dennoch mein Knie unter das laufende Wasser.  Ich trank auch etwas davon,  da ich nicht wusste,  auf welchem Wege die Heilung stattfinden sollte.
Danach bewiesen wir uns selbst,  wie hartgesotten wir sind und stiegen die letzten Meter zur Spitze des Berges empor.  Laut unserem Führer ist dieser Weg etwas für die hartgesottenen, in Wirklichkeit waren es nur 400 Meter und mäßig steil (und in Wirklichkeit trug Johannes vorsichtshalber meinen Rucksack für diese Meter). 
Oben gibt es einen Aussichtsturm, da Bäume die Sicht versperren, wenn man unten steht. Wir stiegen die Treppen hoch und konnten in alle Himmelsrichtungen in die Ferne blicken; Was für ein Glück,  dass der Himmel gerade nicht so bewölkt war.
Als wir wieder herabliefen, bastelte ich ein Kreuz aus zwei Stöckern und stellte es zu den zahlreichen Kreuzen,  die schon um die Quelle herum aufgebaut waren- Denn wer weiß,  vielleicht ist auch das Kreuz der Heilungsgarant bei so einer Quellenheilung...
Wir liefen den Berg wieder herunter und in den Ort Propières,  wo wir in einem Raum hinter der Kirche rasteten, weil es dort Steckdosen gab.
Wir wechselten hier wieder auf die Landstraße und liefen 2 km nach les Écharmeaux.  Auf dem Jakobsweg wären wir fast doppelt so weit und zudem hinab in ein Tal und wieder bergauf gegangen und das fanden wir recht überflüssig. 
Im Ort sollte es laut des neuen Führers, dessen Übersicht wir uns in Cluny abfotografiert hatten, einen Campingplatz geben. 
Da wollten wir hin,  auch wenn es heute dann eine sehr kurze Etappe wäre. Der Weg nach le Cergne ist,  da es ja über Berge geht, zu weit und gefährlich für mein Knie (da muss ich ja nichts riskieren, trotz Heilungsquelle).
Den Campingplatz im Ort gibt es leider nicht und es gab ihn auch nie. Je 2-3 km vor und hinter uns waren welche,  aber beide liegen auf Umwegen im Tal und darauf hatten wir keine Lust.
Also beschlossen wir  weiterzulaufen und zu gucken,  ob es Häuser auf der Strecke gibt oder nicht.  Im Führer steht etwas von einem Ort,  den wir aber bisher auf keiner Karte finden konnten.
Zur Not zelten wir im Wald, dachten wir uns,  denn wenn es nirgendwo Häuser gibt,  gibt es auch wenig Menschen zwischen 21 und 7 Uhr, die uns erwischen und verhaften können.
Wir liefen über Wanderwege und seit dem Col de crie ist jede Kreuzung voller Wegweiser.  Es führen etliche Wanderwege über diese hübschen Berge. Wir trafen hin und wieder sogar Wanderer.
Mein Knie schmerzte irgendwann wieder sehr und als wir endlich zwei Häuser erreichten, die wohl den Ort le mont Pinay darstellen,  war dort niemand anzutreffen.
Wir warteten etwas und überlegten uns,  was wir tun sollten.
Da sahen wir einen Mann auf ein parkendes Auto zugehen und sprachen ihn und die Fahrerin an.
Der Mann lud uns ein, nach le Cergne zu laufen,  da hätte er eine Hütte,  in der wir schlafen können (ob es privat wäre oder eine offizielle Übernachtungsgelegenheit gegen Bezahlung ist,  weiß ich nicht), aber ea waren noch mindestens 8 km bis dahin.
Es war schon relativ spät und meinem Knie wollte ich das nicht antun.
Ich habe Angst,  die ganze Reise zu riskieren,  wenn ich über meine Grenzen zu sehr überstrapaziere.Die Frau empfahl uns deswegen ein Haus in etwa 500m Entfernung.  Das sei ein Grundstück,   wo nur am Wochenende jemand sei und das wäre wohl auch erlaubt (weil es keinen Zaun gibt oder so).
Wir haben nicht alles genau verstanden, aber dass wir da hin können war das Wichtigste. Ich hoffe,  im Gefängnis glauben die uns, wenn wir von zwei Fremden erzählen, die uns das erlaubt haben.
Als wir das Grundstück erreichten sah man, dass hier wohl öfter Gruppen zusammenkommen. Es gab eine große Lagerfeuerstelle mit Bänken, eine kleine Hütte mit Bar, Holzterrasse und Tischen.  Wir setzten uns,  ruhten uns aus, fühlten uns etwas illegal und aßen zu Abend.
Dies bestand aus unseren kläglichen Resten,  da wir heute nur an geschlossene Läden geraten sind.
Wir hatten einen Rest Brot, ein Minipäckchen Lachsaufschnitt, ein klein wenig Käse, zwei Tütchen Ketchup und eine Hand voll Cashewkerne. Es war nicht viel,  aber es reichte, um nicht hungrig ins Bett zu müssen.
Allerdings war das Wasser knapp, weil wir es lange nicht auffüllen konnten.
Später stellten wir unsere unser Zelt  auf die Holzterrasse, da wir keine ebene Fläche auf der Wiese gefunden haben und es ganz gemütlich wirkte. Einige Sachen konnten wir dann in die Barhütte stellen,  um etwas mehr Platz im Zelt zu haben.
Und wir waren ganz froh,  dass es heute Abend trocken war.

Samstag, 28. Juni 2014

Tag 46: Sainte Cécile - Col de Crie

Eine Nacht in einem Bett- Das hatten wir seit Toul nicht mehr!
Richtig gemütlich war es und wir haben es sehr genossen. 
Draußen regnete es und wer nicht raus musste, blieb an diesem Sonntag sicher im Haus. Unsere Ponchos würden heute also wieder zum Einsatz kommen. 
Wir kauften etwas zu essen in der Boulangerie des Ortes und kletterten auf den ersten Berg des Tages.  Wir haben jetzt 2-3 Tage Gebirge vor uns und werden auch das erste mal über 1000 Meter kommen.Wir stiegen also bergauf, aber die schönen Aussichten wurden von den Wolken getrübt. 
Den ganzen Tag über hatten wir richtiges Aprilwetter. Erst regnete es und dann schien wieder die Sonne, danach sah es wieder nach Regen aus und kurz darauf denkt man schon über Sonnencreme nach. Im Endeffekt regnete es aber schon sehr viel.
Es ging viel bergauf und ab und zu kürzten wir den Weg ab, wenn es über die Landstraße deutlich weniger Kilometer waren als auf dem Jakobsweg.  So umgingen wir auch die ein oder andere (unnötige) Steigung.  Heute haben wir so gut 5 km eingespart.
Ich habe jetzt zum zweiten mal einen Insektenstich,  auf den ich allergisch reagiere. Das Gebiet um die Einstichstelle ist entzündet, heiß und nimmt fast meine ganze Handfläche ein. Ganz schön nervig,  da diese Stiche immer ein paar Tage halten. 
In einem kleinen Ort mit einem Laden machten wir unsere Mittagspause und zogen die Schuhe aus- auch jetzt haben wir beide keine Blasen, das Geheimnis scheint wirklich im Füße lüften und trocknen zu liegen. Wir kauften uns eine 6er-Packung Snickerseis und vedrückten sie (kann man ja schließlich nicht aufbewahren). Für mich war es mächtig viel,  Johannes hätte gern noch mehr gegessen.
Die heutige Etappe war wirklich hübsch und wir liefen viel über Hügel,  auf denen einzelne Höfe stehen.  An einem Hof mitten im nirgendwo gab es einen so lieben und verschmusten Hund, dass wir gleich ein paar Minuten stehen blieben und ihn streichelten. Als wir weiterliefen, folgte der Hund uns jedoch und für ein paar Meter war das auch süß.  Aber wir wurden den Hund einfach nicht mehr los. Was wir auch versuchten, der Kleine lief freudig neben uns her und dachte gar nicht daran, umzudrehen.
Es donnerte schon seit einer halben Stunde und wir hofften,  der Hund würde vor Ausbruch des Regens umdrehen,  aber er tat es nicht. 
Als es gerade anfing zu regnen, fanden wir eine offene Hütte (eher ein riesiges Carport) bei einem der Gehöfte und stellten uns unter. 
Wir wollten danach versuchen, einen Anwohner zu informieren und gerade in dem Moment fuhr ein Wagen vorbei.  Wir hielten ihn an, erzähltem dem Fahrer,  von welchem Hof der Hund kam und dass er uns verfolge. Der Mann wollte den Besitzern Bescheidgeben, pfiff und der Hund,  den er nicht einmal kannte,  sprang ohne zu zögern in sein Auto und legte sich wie selbstverständlich in den Fußraum des Wagens.  Verrücktes Tier!
Wir machten uns nach dem schlimmsten Regen auf den Endspurt und liefen bergauf zum Pass "Col de Crie". Dort hofften wir,  irgendwo unser Zelt aufbauen zu können und hatten Glück: Wir kamen 15 Minuten vor Ladenschluss des Cafés an und fragten die Dame an der Kasse, ob wir hinter dem Haus zelten könnten. Wir hatten dort bereits eine große Rasenfläche gesehen.  Wir bekamen sofort die Zusage und bekamen zu unserem Dankeseinkauf direkt noch ein Baguette geschenkt.  Die Dame ließ sogar eine der Toiletten extra für uns offen.  Wir haben mal wieder mehr bekommen,  als wir erhofft hatten!
Wir aßen an den Tischen der überdachten Terrasse und fanden ein Regal mit Büchern,  die man sich mitnehmen darf.  Es gab da auch ein Deutschlehrbuch aus den 60ern mit herrlich unsinnigen Dialogen. Was für ein Spaß,  das zu lesen!
Wir bauten unser Zelt auf der Terrasse auf und trugen es in einer Regenpause zum angegebenen Platz, wo wir etwas ungesehener schlafen können.  Wir fanden einen Baum,  unter dem uns auch der Regen nicht mehr viel ausmachen wird und gingen relativ früh ins Bett, denn hier im nirgendwo konnten wir eh nichts machen.  Hätte es nicht geregnet,  hätten wir aber natürlich auf dem Spielplatz gespielt. 

Freitag, 27. Juni 2014

Tag 45: Taizé - Sainte Cécile

Heute morgen war das Wetter zum weiterwandern denkbar schlecht: Es regnete und sah zudem ziemlich gewittrig aus.
Also machten wir uns nach dem Frühstück (und nachdem ich 40 Minuten auf Johannes gewartet hatte,  weil wir ja getrennt essen müssen) unter unseren Ponchos auf den Weg in den Regen. 
Zuerst liefen wir wieder auf dem Fahrradweg, der Voie verte und bogen irgendwann auf einen Wanderweg ab. Unter einer Eisenbahnbrücke fanden wir Schutz vor dem Regen und killten unsere kleinen Lunchpakete aus Taizé. Mittags erreichten wir Cluny und das dummerweise genau in der Mittagspause aller Geschäfte. Auch die Stände auf dem Marktplatz wurden gerade abgebaut. Auf dem Boden fand ich aber noch zwei kleine Paprika und eine Aprikose, die wohl heruntergefallen waren und die niemand aufheben wollte. 
Wir setzten uns vor die Touristeninformation, weil wir da auf jeden Fall reinmussten. Hier soll es ein gutes Heft  für Pilger geben mit Informationen zu Unterkünften und co.
Wir haben die 10 € dann aber nicht investiert,  sondern nur drei Seiten abfotografiert.  Eine Übersicht über Einkaufsmöglichkeiten und Campingplätze.
Die detaillierten Informationen brauchen wir nicht,  da wir bisher gut ausgekommen sind mit campen auf Campingplätzen und in Gärten/ Dörfern. 
Nachdem wir im Supermarkt unsere Vorräte aufgefüllt hatten,  liefen wir einen Berg herauf und sahen ein Gewitter anrücken.  Es war noch trocken,  aber Blitz und Donner folgten in kurzen Abständen,  es konnte also nicht mehr lang dauern, bis es losging. Wir bogen glücklicherweise nach links ab, wo der Himmel noch etwas freundlicher aussah und entkamen so dem Regen für kurze Zeit.
Es ging über Felder und Hügel und am Wald entlang. Irgendwann regnete es so stark,  dass wir uns in den Wald verzogen und warteten, dass der Regen nachließ.  Hier erwies sich der Poncho als viel praktischer als eine Regenjacke-Regenhosenkombi, weil ich mich komplett mit Rucksack daruntersetzen konnte und alles trocken blieb (an alle aus dem Pilgerforum: ich bin fast offiziell zum Poncho konvertiert).
Als das Wetter etwas freundlicher wurde,  zogen wir weiter und streichelten lange Zeit 4 Esel.
Im nächsten Örtchen angekommen sahen wir auf der gegenüberliegenden Hügelseite schon unser für heute angepeiltes Ziel Sainte Cécile und wir sahen auch viele dunkle Wolken, die nichts gutes verhießen.
Es dauerte eine Weile, bis wir im Ort angekommen waren und wollten uns gerade auf die Suche nach einer Möglichkeit unser Zelt aufzustellen machen, da begann es zu regnen und zu hageln- so stark, dass wir sogar unter dem Vordach der Kirche noch eine Menge Regen abbekamen. 
Wir warteten und froren und wurden in einer Regenpause von einer Frau angesprochen, die uns helfen wollte.  Sie führte uns zu einer neuen Pilgerherberge,  aber es war niemand zu Hause und reserviert hatten wir ja auch nicht.  Sie überlegte, wo wir unterkommen und wo sie uns ggf. hinfahren könnte. Wir wollten eigentlich nur unser Zelt irgendwo hinstellen und auch nicht mit dem Auto irgendwo hin und morgens von da aus weiterlaufen (in dem Falle hätte uns ein gutes Stück Weg gefehlt).
Als die Frau das verstanden hatte (es ist nicht immer leicht, sich auf französisch verständlich auszudrücken), wirkte sie etwas gekränkt,  weil wir uns nicht von ihr fahren lassen wollten und lief zurück zur Kirche. Es fing gerade wieder an zu regnen und vielleicht erweichte das ihr Herz,  denn sie drehte sich um und bot uns Ihren Garten an. Kurz darauf meinte sie,  dass wir auch im Haus schlafen könnten und sie brachte uns dahin. Das Haus wird gerade renoviert und wir haben es erst nach ein paar Minuten verstanden: Sie wohnt hier gar nicht und wir würden das Haus für uns allein haben!
Hier soll bald eine Ferienwohnung oder so entstehen und sie entschuldigte sich mehrfach,  dass es durch die Renovierungsarbeiten nicht ganz sauber war.
Dabei waren wir noch total platt,  denn wir hatten ein richtiges Bett,  eine Dusche,  Küche und so weiter. Wahnsinn!
Die Madame klärte mit der Nachbarin,  dass wir morgen den Schlüssel bei ihr abgeben können und fuhr weg, weil sie noch etwas vorhatte. Wir bezogen unser Haus und genossen unser Glück.  Draußen legte das Gewitter richtig los und der Regen klatschte mit aller Kraft an die Fenster.  Es ist zwar nicht schön, bei solch einem Wetter zu wandern, aber es öffnet einem vermutlich so manch eine Tür, die bei gutem Wetter verschlossen geblieben wäre. 

Donnerstag, 26. Juni 2014

Tag 42 - 44: Pause in Taizé

Eingecheckt haben wir in Taizé erst einmal bis Freitag, da wir bei unserer Ankunft direkt bezahlen mussten.  Der Teilnehmerbeitrag errechnet sich aus der Herkunft. Die deutschen zahlen also mehr als die Teilnehmer aus ärmeren Ländern.  Uns wurde für die Zeit von Dienstag Abend bis Freitag morgen ein Rahmen zwischen 56 und 75€ vorgegeben,  aus dem wir uns den für uns möglichen oft passenden Beitrag wählen konnten.
Am Mittwoch trennten Johannes und ich uns nach dem Morgengebet, da er ja bei den Erwachsenen essen und thematisch arbeiten sollte. Das Morgengebet fand vor dem Frühstück statt und verlief ähnlich wie gestern,  nur dass morgens zusätzlich Abendmahl gefeiert wird.
Das Frühstück bestand aus einem Brötchen, einem Päckchen Butter und zwei Stücken Schokolade, die man sich ins Brötchen schieben konnte (das machen wir auf der Reise auch manchmal). Dazu gab es wahlweise Tee oder Kakao. Besteck gab es keines und so biss ich eben vom Butterstück ab. Etwas gewöhnungsbedürftig,  aber es spart Abwasch. Leider produziert diese Methode aber auch sehr viel Müll.  Butter, Kekse und so weiter werden in kleinen Päckchen ausgegeben und bei der Menschenmenge hat man nachher sehr viele Tüten voll Müll. Butter vom Block ausgeben und Messer abwaschen wäre für die Umwelt die bessere Alternative.
Meine Einführung in das Tagesthema fand in einem Raum statt, in dem etwa 50-60 Teilnehmer in meinem Alter saßen. Hinterher wurde in Kleingruppen weitergearbeitet. Da gestern noch ein paar Neue angekommen waren, bildeten wir eine neue Kleingruppe. So saß ich mit jungen Menschen aus Schweden, den Niederlanden, China und Korea zusammen und es ist so gut, dass wir alle englisch sprechen. 
Während ich mit meiner Kleingruppe zusammensaß entdeckte ich Frank,  der über den Platz zur Kirche lief. Ich dachte, er sei schon viel weiter und war froh, ihn noch einmal zu sehen.  Später entdeckte ich auch die beiden deutschen Pilger, die sich in Taizé einen Stempel holten. Im Haus standen mehrere Menschen und ich war verwirrt, als mich eine Frau ansprach, ob ich Birte wäre. Es war Britta aus unserem Pilgerforum, mit der ich mich seit einiger Zeit über das Forum austausche, weil sie wenige Tage hinter uns lief.  Durch ihr flottes Tempo und unsere Nacht in Taizé hatte sie uns tatsächlich eingeholt und ich bin mit Johannes im richtigen Moment am Empfang vorbeigelaufen. Was für eine schöne Begegnung! Wir unterhielten uns und besuchten gemeinsam das Mittagsgebet. Hinterher hätten wir wohl noch Stunden weiterreden können,  aber ich musste zusehen, noch etwas vom Mittagessen abzubekommen und kam in letzter Minute an. 3 Minuten später wurde abgeräumt. 
Den Tag verbrachte ich damit, mich umzusehen, den Ort zu besuchen, eine Vogelmutter bei der Fütterung ihrer Jungen zu beobachten (und zu filmen), mich mit der Schwedin zu unterhalten, im Taizéladen zu stöbern, Postkarten und eine Kette zu kaufen und Leute aus aller Welt kennenzulernen. Unser Kleingruppentreffen am Nachmittag war richtig schön, wir unterhielten uns mehr über unsere Länder und Jobs als über das vorgegebene Thema, aber das war okay für uns alle und ist ja auch so spannend. 
Am Donnerstag stand ich bereits um 6.30 Uhr auf, weil mein Knie mich nicht mehr schlafen ließ. Ich nutzte die Gelegenheit,  eine freie Steckdose zu nutzen und etwas Tagebuch zu schreiben. Nach dem Morgengebet gab es das gleiche Frühstück wie gestern und ich beobachtete,  dass einige Jugendliche so klug waren, einen Schokoladenriegel zum verstreichen der Butter zu nutzen. Ich machte es mit dem Rest meiner angebissenen Butter ebenso und legte die Schokolade auf das Brötchen.
Da aus meiner Kleingruppe nur der Niederländer da war, suchten wir uns eine neue und sind jetzt zusammen mit zwei Deutschen, zwei Französinnen,  einem weiteren Niederländer und zwei Mädels aus den USA in einer Gruppe. Wir verabredeten uns für den Nachmittag und nutzten den Vormittag für uns. Ich legte mich auf die Wiese und entspannte.
Zum Mittagessen traf ich einen der Koreaner (dessen Namen ich mir nie werde merken können) aus meiner Kleingruppe und wir aßen zusammen ein etwas seltsames Couscousgericht mit Kichererbsen und allerhand Gemüse. Dazu gab es natürlich Baguette. Die Franzosen essen ja zu allem Baguette. Vermutlich gibt es hier im Land sogar zum Baguette noch Baguette.
Wir unterhielten uns über die WM, denn viele der deutschen Jugendlichen hatten sich dem bevorstehenden Spiel entsprechend gekleidet und geschminkt. 
Später verlängerten wir unseren Aufenthalt um einen weiteren Tag.  An sich würden wir morgen weiterlaufen (wollen), aber mit meinem Knie wird es nach zwei Pausentagen nicht besser sein. Drei werden es zwar sicher auch nicht viel besser machen, aber wir bleiben lieber hier als bald auf einem Campingplatz zu hängen, weil ich nicht weiterkomme. Wir sind kurz vor dem Zentralmassiv und jede Schonung tut dem Knie gut. Laut Schrittzähler laufe ich hier zwar auch 10 km pro Tag, aber ohne Gepäck und natürlich nicht am Stück.
Das WM-Spiel wurde leider nirgendwo übertragen und es lief auch über die Zeit des Abendessens. Aber man hörte hier und da immer wieder Zwischenstände und der Sieg für Deutschland blieb natürlich nicht ungefeiert.
Am Nachmittag lernten wir einen weiteren Pilger kennen, der in Niedersachsen gestartet ist und eher durch Zufall auf dem Jakobsweg gelandet und hängen geblieben ist. Wir unterhielten uns lange und tauschten unsere Erfahrungen mit den Menschen auf dem Weg aus.  Keiner von uns hat bisher irgendeine negative Erfahrung gemacht. Die Franzosen sind bisher durchweg freundlich, gastfreundlich und hilfsbereit.
Am Abend trafen wir uns noch einmal wieder und nachdem die Männer ins Bett gegangen sind,  habe ich von einer Gruppe Jugendlicher ein Gruppenklatschspiel gelernt. Einer der aktuellen Taizéklassiker. Egal wo man hinkommt,  irgendwo spielt eine Gruppe gerade ein Spiel.  
Den Jugendlichen zuzuhören,  wenn man im Zelt liegt oder sich in ihrer Nähe aufhält,  ist immer ein großer Spaß.  So viele Beziehungsdramen, Zickereien und wermachtwasmitwemundohnewen. Auf dem Weg zum Zelt kam ich noch mit einem Kölner ins Gespräch und so war ich dann doch viel später als geplant im Bett. 
Am Freitag haben wir verschlafen und wachten 5 Minuten vor Beginn des Morgengebets auf.  Ich nutzte die Zeit um zu duschen,  denn zu den Gebeten scheinen doch die meisten zu gehen.  Ich traf mich wieder mit meiner Kleingruppe, ging zum Chor, um Taizégesänge zu lernen und lernte hier und da Leute kennen.  Zum Mittagessen gab es heute einen mäßig leckeren Linseneintopf, von dem wieder sehr viel in den Müll wanderte.
Da gibt es extra Schilder,  dass kein Essen weggeworfen werden soll und dann servieren die einigen hundert Jugendlichen Speisen, von denen man wissen kann,  dass sie nicht gut ankommen. Na ja. Dazu gab es ein bisschen Käse (natürlich auch separat verpackt), Baguette und zwei verpackte Kekse zum Nachtisch. 
Abends bekam jeder einen Klecks Kartoffelbrei und ein Fischstäbchen. Dazu wieder Baguette und einen Keks.  
Das Abendgebet war heute Abend etwas anders als gewöhnlich,  aber sehr schön. Den eigentlichen Höhepunkt der Woche verpassen wir morgen. Da halten alle eine Kerze in der Hand. Auf einer Postkarte habe ich das schon gesehen und jetzt weiß ich auch, warum in den Liederbüchern dauernd Wachsflecken zu finden sind.
Nachmittags war ich unten an der Quelle St.Etienne, wo Stille herrschen soll und es einen See und viele Wiesen gibt. Ein sehr hübscher Park.
Wir haben natürlich noch viel mehr in Taizé erlebt und gemacht und auch der letzte Abend war schön. Wer hier vorbeikommt und etwas Zeit hat, der sollte hier einchecken. Ich finde es lohnt sich. Offiziell wird man wohl erst ab 3 Nächten aufgenommen, aber bei Pilgern sind sie glaube ich gnädiger. Morgrn geht es dann nach dem Frühstück weiter auf dem Jakobsweg, denn wir wollen ja auch irgendwann ankommen.

Dienstag, 24. Juni 2014

Tag 41: Moroges - Taizé

Der Wecker klingelte um 5.00 Uhr und den hörten nicht nur wir,  sondern auch die Wolken:  um 05.02 Uhr begann es zu regnen.
Ich dachte "[Schimpfwort] Himmel" und stellte den Wecker eine halbe Stunde weiter.  Im Regen wollte ich meine Sachen nicht packen,  wenn es sich vermeiden lässt.  Um kurz nach halb 6 hatte es dann auch tatsächlich aufgehört und wir konnten trockenen Hauptes unsere Habseligkeiten verstauen und aufbrechen.
Die Bäckerei im Ort hat gerade Umbaupause und so gab es kein Baguette für uns. Wir liefen los und trafen schon wieder einen Pilger.  Dieses mal einen französischen Opi in rot-lila Kleiderkombi.
Nachdem wir eine Straße querten, sollten wir laut Führer bald im nächsten Ort sein. "Bald". Geht es noch schwammiger, wenn man die genauen Entfernungen vorliegen hat?! Dieses "bald" war dann nach etwa 2 km. Unsere Wasserflaschen konnten wir zum Glück nach 5 km in einem kleinen Örtchen auffüllen,  denn gerade verließ ein Paar sein Haus (um halb 8 wollten wir noch nirgendwo klingeln). 
Nach einigen Kilometern bergauf kamen wir an eine große Wiese,  auf der eine große Marienstatue die Aussicht ins weite Tal genoss.  Zu ihren Füßen verputzten wir unsere Reste, die wir noch in den Rucksäcken fanden: etwas Baguette und Käse, Schokolade und Nüsse. Da wir in Taizé versorgt werden,  war es auch ganz gut, die Reste zu essen. Der Himmel klarte auf und die Sonne brach durch,  so dass wir auf der kommenden Strecke unter blauem Himmel wandern konnten. 
Wir folgten dem hübschen Höhenweg bis in den nächsten größeren Ort,  den wir pünktlich zur Mittagspause der Apotheke erreichten. Ich besorgte noch schnell ein paar Tabletten, danach zogen wir weiter zum Supermarkt,  der eine halbe Stunde länger geöffnet war.  Wir bekamen Baguette frisch aus dem Ofen und pausierten mit zwei Pilgern, die auf ihrem Weg von Rom nach Vezelay hier durchliefen. Ich fand noch offenes Wlan, um mich bei meinen Freunden in die Taizépause abzumelden und dann machten wir uns an die letzten 12 km. Ich bin schon sehr gespannt auf die Tage dort.
Wir verließen den offiziellen Jakobsweg, da Taizé knapp 4 km abseits liegt und folgten einem Fahrradweg, der uns nach 1,5 Stunden zu einem kleinen See brachte, an dem sich zahlreiche Frösche tummelten. Nach einer letzten Pause zum Füße lüften und Knie entlasten liefen wir zum kleinen Örtchen Taizé, in dem derzeit etwa 1200 Besucher leben.
Eine kleine Gruppe quasi, denn über Pfingsten waren hier über 4000 Jugendliche und Erwachsene (wer mit Taizé nicht anfangen kann, googlet bitte, man findet sehr viel).
In der Anmeldung gerieten wir an einen jungen Mann,  der offensichtlich neu in diesem Job war (alle Aufgaben werden von ehrenamtlichen Helfern übernommen) und der leicht überfordert war, da Johannes und ich einen Sonderfall darstellten: Er ist knapp über 30 und schläft somit eigentlich in einem anderen Bereich als die Jugend, zu der ich noch 2,5 Jahre gehöre.  Er darf mit im Jugendbereich zelten,  soll sich für die Themenzeiten aber zu den Alten begeben.  Informationen bekamen wir nur wenige (dafür und aber Tee und Kekse) und liefen danach etwas planlos zum Zeltplatz, um unser Lager aufzuschlagen und zu duschen. Vorher holten wir unsere Pilgerausweise aus der Poststation. Der Brief war inzwischen angekommen und wir tackerten den neuen Ausweis an den Alten. Wir haben noch  für einen Stempel Platz im Ausweis,  es war also eine Punktlandung. Nun können wir wieder beruhigt hinsehen,  wenn es irgendwo einen Stempel gibt,  der sich über zwei Felder erstreckt. 
Dass wir hier bei einer Massenveranstaltung gelandet sind,  an der hauptsächlich Jugendliche teilnehmen, merkte ich überdeutlich an den sanitären Anlagen. So viele verschmutzte und verstopfte Toiletten habe ich selten gesehen. Die Abflüsse der Duschen waren voller Haare und Kosmetikartikel und rochen erbärmlich. Der Boden war schlammig braun und ich war froh,  zur Sicherheit eine Creme gegen Fußpilz dabeizuhaben.
Als wir zum Abendessen gingen und nach fast 20 Minuten warten endlich dran waren, erfuhr Johannes, dass er mit seiner Essenskarte eigentlich in den Erwachsenenbereich müsste. Das wurde uns aber nicht gesagt und freundlicherweise durfte er heute Abend hier mitessen. Es gab einen Klecks Nudeln mit etwas Sauce daran, ein bisschen Baguette, Obst, Joghurt und zwei Kekse. Wir gingen in die Kirche zum Abendgebet und darauf hatte ich mich lange gefreut.  Das Singen der meditativen Gesänge mit über 1000 Leuten ist einfach etwas besonderes.
In der Kirche wird nicht nur Wert darauf gelegt, dass Stille herrscht,  sondern auch darauf,  dass die Besucher angemessen gekleidet sind.  Da die Outfits der Jugendlichen im  Sommer diesen Ansprüchen natürlich nicht gerecht werden  gibt es Tücher, um nackte Schultern und Beine zu bedecken. In der Kirche war eine besondere Atmosphäre.  Die Farben sind in dunklen Gelbtönen und braun gehalten und vorn brannten zahlreiche Kerzen in viereckigen Kästen, die nach hinten offen waren. Durch die Fenster drang das Licht durch bunte Scheiben. An den Seiten gibt es Bänke und Stufen,  in der Mitte sitzen die Menschen auf dem Fußboden oder auf Gebetsbänkchen. Die Brüder der Gemeinschaft kamen nach und nach dazu und haben ihren eigene Bereich in der Mitte,  abgegrenzt durch kleine Blumenkübel. Sie sind alle in weiße Gewänder gekleidet.
Das Abendgebet wurde mit einem Lied eröffnet, danach wurde ein kurzer Text aus der Bibel in verschiedenen Sprachen verlesen, zu dem sich die Hälfte der Menschen in Richtung des Mikrofones in der Saalmitte umdrehte. Auf ein paar Lieder in verschiedenen Sprachen folgte eine lange Zeit der Stille (10-15 Min). Die Fürbitten wurden von den Brüdern gesungen und  der Chor antwortete mit einem Kyrie Eleison- Choral. Einige Lieder wurden noch gesungen, immer über mehrere Minuten, wie es üblich ist.
Irgendwann erhoben sich einige Brüder mitten im Lied und verließen die Kirche. Zwei von ihnen trugen ein Kreuz in den Gang der Brüder,  die übrigen rückten nach vorn. Ein paar Besucher setzten sich vor das Kreuz.
Das Aufstehen der Brüder war offenbar das Signal für alle, dass man jetzt gehen darf. Überall erhoben sich Menschen und gingen, teilweise singend, Richtung Ausgang. Wir wussten nicht,  ob es noch weiteres Programm gab oder nicht,  das wurde uns vorhin leider nicht erklärt (dabei hatte ich extra gefragt). Viele aber blieben sitzen und als nach 5 oder 6 Liedern nichts Neues passierte,  stahlen auch wir uns davon und schauten uns unten im Bereich um, in dem man sich abends noch aufhalten und laut sein darf. 
Hier gibt es auch Getränke und Snacks zu kaufen.  Alkohol darf nur hier unten getrunken werden, geraucht wird dafür überall auf dem Gelände.  Untersagt ist es nur in den Zelten und Häusern.  Die Jugendlichen rauchen beim Essen und in der Warteschlange, vor dem Klo und auf das Alter der Raucher scheint auch niemand zu achten. Die Getränke und Knabbereien werden zum Einkaufspreis verkauft, so gibt es Eis für 20-25 Cent und Cola für 60 Cent bis 1 €.
Als wir irgendwann zu unserem Zelt gingen wunderten wir uns, dass vor den Waschhäusern jede Menge los war. Ein Blick aufs Detail machte klar, woran das lag:  Nicht die Nähe zum stillen Örtchen war so verlockend, sondern hier gab es Strom! Mit mehreren Steckdosenleisten bewaffnet rücken die Jugendlichen gruppenweise  hier an und laden ihre Smartphones auf.  Da es hier nur kostenpflichtiges Internet gibt, dürften die Akkus sogar einen Tag halten. Bald verzogen wir uns ins Zelt und versuchten zu schlafen.  Hier war ich dankbar, bereits zu Hause Ohrenstöpsel eingepackt zu haben, denn es war ganz schön laut.  Wir hatten unser Zelt nämlich nicht allzu weit von den sanitären Anlagen aufgestellt,  da wir noch nicht wussten,  dass das bis in die Nacht der "place to be" sein würde. 
Verschlafen kann ich auch nicht, da mich morgens mein kleiner Schrittzähler mit Vibration weckt. So habe ich auch eine Uhr,  denn mein Handy bleibt während der Zeit hier aus. Ich brauche es ja nicht.

Montag, 23. Juni 2014

Tag 40: Chagny - Moroges

Heute morgen liefen wir die ersten Meter mit unserem Pilgerzeltnachbarn Frank, aber bereits im Ort trennten sich unsere Wege,  da wir noch warten mussten, bis der Supermarkt öffnet, um unsere Vorräte aufzufüllen.
Als das erledigt war,  brachen wir auf, um Berge zu erklimmen,  die es laut Höhenprofil gar nicht gibt. Nun ja, unser Führer ist ja von 2009 und wer weiß,  wessen Glaube inzwischen Berge versetzt hat, so dass wir nun über welche laufen müssen.  Dem Buch vertrauen wir jedenfalls nicht mehr.
Der Himmel hielt sich schon den ganzen Morgen verdächtig bedeckt und es sah nach Regen aus. Laut Wetterbericht sollte es aber den ganzen Tag über bei 25 Grad trocken bleiben.  Das Wetter hielt sich jedoch nicht an die Prognose und als wir gerade den ersten Ort betraten fing es an zu tröpfeln. Wir kauften uns ein Baguette und setzten uns unter ein Dach,  um zu frühstücken. Die ausgestreckten Beine lagen gerade noch im Trockenen und ich beobachtete, dass sich die Wolken nicht entscheiden konnten,  ob sie ihre Tropfen für sich behalten oder den Weinbergen zur Verfügung stellen sollten.
Wir bekamen von einer Anwohnerin Kaffee angeboten- die Franzosen sind so freundlich!
Regen und Regenpausen lösten einander ab und da kein Ende abzusehen war,  mussten wir einsehen,  dass wir nicht ums Wandern im Regen herumkommen würden.  Also Poncho übergeworfen und auf ins schlechte Wetter. 
Es war vor allem deswegen bedauerlich,  dass es nach den Wochen der Trockenheit ausgerechnet jetzt regnen musste, weil wir heute viel über Höhenwege liefen und wunderschöne Aussichten verpassten, bzw. getrübt sahen.Mittags trafen wir Frank, der noch einmal umgedreht war, um die Kirche im Ort zu besichtigen. Es hatte glücklicherweise aufgehört zu regnen. Wir fanden die erste Dorfkirche in Frankreich, die einen Pilgerstempel bereithielt. Ein Gästebuch gab es auch,  in das wir uns eintrugen, damit Pilger hinter uns wissen, dass sie nicht allein sind. Mich heitert es immer auf,  wenn ich sehe,  dass wenige tage vor mir noch andere Pilger laufen.Gemeinsam  mit Frank liefen wir in den nächsten Ort, wo wir wieder eine offene Kirche fanden.  Die Kirchen im Burgund nicht so oft verschlossen und in der Regel auch gut in Schuss. Hier scheint es mehr Geld zu geben als in den Gegenden zuvor.  Frank verabschiedete sich bald und als ich kurz darauf in der Kirche eine Steckdosenleiste entdeckte, war schnell klar, dass wir ihn wohl nicht wiedersehen würden. Wir bleiben fast eine Stunde,  denn ich möchte ungern riskieren, dass meine Kamera unterwegs ausgeht. Frank hatte ein anderes Ziel als wir und einholen würden wir ihn nach unserer langen Siesta sicher nicht mehr.Auf diese Pause folgte ein langee Aufstieg.  Wir passierten ein altes Gemäuer und stiegen in ein großes Loch/ Fenster,  um ein Foto zu machen.  Lange und zeitweise steil ging es hinauf auf eine Höhe,  von der man eine tolle Aussicht haben sollte.  Als wir am Kreuz ankamen, wo die Aussicht prächtig sein sollte,  stellten wir enttäuscht fest,  dass wir nichts sehen konnten außer Bäumen.  Danke Frau Retterath!
Etwas enttäuscht,  nach diesem langen Aufstieg über Geröll und große Steine nicht mit einer Aussicht belohnt zu werden,  setzten wir uns und aßen viel Schokolade.
Als wir unseren Weg fortsetzten mussten wir uns innerlich bei der Autorin des Buches entschuldigen.  Johannes hatte undeutlich gelesen und im Text stand, dass hinter dem Kreuz die Aussicht kam und da wurden wir nicht enttäuscht. Wir hatten eine grandiose Sicht auf das weite Land,  auf Hügel und Berge.  Ich konnte mich nicht sattsehen und es wurde noch schöner,  nachdem wir über eine Kuhweide liefen. Die Tiere,  die in angemessenem Abstand grasten und es offensichtlich gewohnt sind,  dass Wanderer durch ihr Wohnzimmer laufen,  sind für ihren Ausblick echt zu beneiden.
Wir machten uns an einen langen Abstieg und wanderten durch malerische Örtchen.
Zum angepeilten Etappenziel ging es noch einmal äußerst steil bergauf und wir waren froh,  als wir den Wasserhahn auf dem Friedhof entdeckten. So konnten wir noch fix die Köpfe waschen, denn man weiß ja nie,  was kommt.
Die beiden Männer,  die wir vor ein paar Tagen getroffen hatten und heute auch ein paar mal sahen,  hatten gerade ein Plätzchen für ihr Zelt organisiert, wir wollten aber noch ein Stückchen weiter.  Morgen wollen wir nach Taizé und da es noch einige Kilometer sind, wollen wir heute möglichst noch etwas schaffen.  Es stellte sich heraus, dass die Karte im Führer etwas unklar war,  denn der Ort,  der laut Karte noch ein Stück weg war, gehörte zu Moroges. Da es schon nach 18.30 Uhr war und es wieder leicht tröpfelte, beschlossen wir uns einen Zeltplatz zu suchen.
Praktischerweise hatte das Rathaus gerade geöffnet und wir konnten an offizieller Stelle nachfragen.
Die Dame am Empfang überlegte kurz mit einem Kunden und sie empfohlen uns die Wiese am Waschhaus ein Stück die Straße herunter.  Einfach so,  ohne groß zu überlegen,  ohne "das kann ich nicht entscheiden", "da muss ich erst fragen", ohne alles.
Die Wiese lag am Ortsrand und es gab sogar einen Picknicktisch. Das Wasser im Waschhaus (ein großes Wasserbecken) war leider nicht sauber und das frisch einlaufende Wasser war durch ein Gitter verdeckt.
Waschen konnten wir uns also nicht. Aber da es wieder regnete,  stellten wir uns nach dem Essen und Zeltaufbau einfach in Unterwäsche in den Regen.
Es verhält sich allerdings so, dass wenn man in Kleidung nur schnell zum pinkeln will, der Körper sofort durchnässt ist und dieser, sobald man im Regen steht,  um nass zu werden, seltsam wasserabweisend wirkt.
Unsere Outdoordusche war jedenfalls nicht besonders erfolgreich, es reichte höchstens zum Schmutz verteilen.
Wir verzogen uns zügig ins Zelt,  nicht nur,  weil das Wetter ungemütlich war, sondern auch weil wir morgen um 5 Uhr aufstehen wollen,  um vor dem Abendessen in Taizé zu sein.

Sonntag, 22. Juni 2014

Tag 39: Beaune - Chagny

Als wir Beaune verließen, begegneten wir einer Frau, die am Flüsschen wohnt und ganz viel Baguette für die Enten verstreute, die ohne Scheu um ihre Füße herumliefen. Zwar freuen sich Enten über Brot, aber dass es schädlich für sie sein kann, weiß kaum jemand. Na ja, der Entenfrau bereitet es offensichtlich Freude, ihre Tierchen zu füttern.
Schon bald hatten wir die Stadt hinter uns gelassen und liefen wieder durch Weinberge. Den ganzen Tag, auf und ab. Einem Schild zufolge laufen wir gerade auf einer der schönsten Weinstraßen der Welt.
Der Weg verlief lange auf einem Fahrradweg Bd heute waren auch außergewöhnlich viele Radler unterwegs. Die nutzen wohl alle den sonnigen Sonntag.
Heute haben wir noch eine Pilgerin getroffen. Eine Französin, die den Weg ebenfalls in Etappen läuft und jedes Jahr eine Woche pilgern geht. Bis sie ankommt, dauert es noch einige Jahre, aber so ist es dennoch schöner als gar nicht erst zu laufen.
Das Wetter war wirklich schön, aber zum Mittag hin wurde der Himmel immer bedeckter und es sah verdächtig nach Regen aus. Bei einer Pause beschlossen wir, die heutige Etappe wieder zu verkürzen. Johannes hat heute nicht viel Lust zu laufen und wir wollten zu einem Campingplatz gehen. Da wir uns nicht unter Druck setzen wollen und werden ggf. eben erst Mittwoch vormittag in Taizé eintreffen, was auch kein Thema wäre.
Also machten wir uns auf den Weg und liefen durch die letzten Orte.
Kurz vor dem Campingplatz kamen wir an einem Freibad vorbei und ich sah, dass der Eintritt nur 2,60€ betrug. Da würden wir nachher noch hingehen.
Es tröpfelte etwas, aber richtig regnen trat es nicht. Warm war es zum Glück auch noch.
Nachdem wir unser Zelt neben einem Picknicktisch aufgestellt hatten, sammelten wir also unsere Sachen zusammen und gingen ins Schwimmbad. Wasser ist toll!
Ich genoss es, zu schwimmen, zu tauchen und im Wasser zu sein.
Das Wetter hielt sich und es klarte sogar noch auf.
Zurück auf dem Platz aßen wir unser Abendbrot und da stieß ein weiterer Pilger zu uns. Langsam wird es ja richtig voll!
Erst sehen wir wochenlang keine Pilgerseele und heute begegnen weit gleich vier Pilgern.
Wir unterhielten uns eine Weile und trafen uns abends zum Fußballgucken an der Campingplatzpizzeria wieder. Dort saßen auch die anderen beiden Pilger, die wir gestern schon kennengelernt hatten.
Eine Halbzeit und einen Eisbecher später machten wir uns dann auf ihn Richtung Zelt.

Samstag, 21. Juni 2014

Tag 38: Nuits-Saint-Georges - Beaune

Wir standen heute wieder relativ früh auf (für uns bedeutet das 6.30 Uhr), damit wir zeitig in Beaune ankommen würden und noch Zeit für eine Besichtigung hatten. Als wir mit dem Packen fast fertig waren, rührte sich im Häuschen noch niemand. Also schlichen wir uns nacheinander hinein, um auf die Toilette zu gehen und unsere Sachen herauszuholen.
Nach einem kurzen Stopp am WLAN-Punkt der Touriinfo und in der Bäckerei verließen wir den Ort und begaben uns wieder zwischen die Reben. Von Weindorf zu Weindorf ging es auch heute und soweit das Auge reicht ist alles grün.
Nach einer Frühstückspause in einem Park trafen wir dann endlich wirklich zwei Pilger! Zwei Männer aus Deutschland, die den Weg in Etappen gehen. Wie unterhielten uns etwas und dann liefen wir weiter, während die Männer noch versuchten wollten, einen Stempel zu bekommen.
Der Weg führte uns über leicht hügelige Wege von Örtchen zu Örtchen und irgendwann nach Beaune hinein.
Vor dem Ortsschild mussten wir erst einmal einen Kampf austragen, den irgendwann heute hatten wir gesagt "Wer zuerst in Beaune ist, hat verloren". Zwar war das nicht wirklich ernst gemeint, aber wir erinnerten uns beide daran und stoppten gleichzeitig wenige Meter vor dem Ortsschild und rangelten dann so lange, bis Johannes endlich hinter dem Schild stand und offiziell verloren hatte.
Wir liefen die letzten Kilometer bis zum Campingplatz und bekamen einen schönen Platz zugewiesen, den hohe Hecken und Außenmauern von den anderen Plätzen trennen. Nach dem ersten Internetcheck, einer Dusche und dem Wäschewaschen liefen wir in die Stadt.
Unterwegs kauften wir schon für den morgigen Sonntag ein und liefen dann zu den  Sehenswürdigkeiten.
Ich versuchte mich an die Orte in Beaune zu erinnern. Ich war hier vor 12 Jahren oder so beim Austausch gewesen, Verwandte meiner französischen Gastgeber aus Rouen besuchen. Aber irgendwie kam mir nichts mehr bekannt vor.
Wir trafen die drei Wanderinnen aus der Hütte wieder und erfuhren, dass im ganzen Land heute Abend Konzerte stattfinden. In Beaune hatten wir schon 7 oder 8 Plätze gefunden, an denen Musik aufgebaut wurde.
Nachdem wir alles gesehen hatten, was und wichtig erschien, holten wir uns etwas zu essen und gingen zurück zum Platz, um Fußball zu gucken. Heute Abend spielt Deutschland gegen Ghana und wir hoffen, dass auch einige deutsche Fans im Fernsehraum des Campingplatzes einfinden werden.

Freitag, 20. Juni 2014

Tag 37:Dijon - Nuits-Saint-Georges

Heute ging es in die Weinberge. Dijon verließen wir über große Straßen und durch einen Vorort, in dem wir unser Frühstück kauften und auf einem total vermüllten Spielplatz aßen. Nach einigen Kilometern und an einem Hund vorbei, der gar nicht genug gestreichelt werden konnte, bogen wir in eine kleine Straße ein und landeten am ersten Weinberg. Acht Arbeiter schufteten zeitgleich, richteten Reben auf und nahmen alles genau unter die Lupe.
Den ganzen Tag sahen wir solche Gruppen. Wein muss echt einen Haufen Arbeit machen. Wir beobachteten auch immer wieder, wie Männer auf speziellen Geräten zwischen den Reben entlangfuhren und Pestizide oder so versprühten. Bald schon sahen wir nur noch Wein, Wein und Wein. Und dazwischen lagen im Abstand von wenigen Kilometern kleine Dörfer. Die Menschen hier verzichten sogar auf Rasen. Wo sonst Gras oder Blumen wachsen, stehen hier im Burgund Weinpflanzen.
Wir passierten die ersten Weinlokale und stiegen dann hoch auf einen Berg. Als wir auf der Ebene weiterliefen, mussten wir uns entscheiden: Links führte der neu ausgeschilderte Jakobsweg entlang und geradeaus durch den Wald führte der im Buch von 2009 beschriebene Weg, der auch als Wanderweg markiert ist.
Die Beschreibung des Waldes im Buch klang so, als sei dies der zauberhafteste Wald, den die Autorin je durchschritten hat (der Weg schlängelt sich idyllisch über die Höhen, in den Blumenwiesen tummeln sich Schmetterlinge, üppige Waldlandschaft,...) und wir überlegten, was wir tun sollten.
Wir wussten nicht, wo der neue Jakobsweg entlangführt und wie weit die Strecke sein würde. Wir schauten um die Kurve des Weges und es sah so aus, als führe er über die Landstraßen in den nächsten Ort.
Wir entschieden uns für den Waldweg, denn der würde sicher schöner sein.
Was wir nicht wussten war, dass es richtig steil bergauf gehen sollte. Also wirklich steil. Über Geröll und Wurzeln. Johannes nahm meinen Rucksack vor die Brust, denn dieser (steile) Anstieg war nicht besonders gut für mein schmerzendes Knie. Auch ohne Rucksack wurde es mächtig schmerzhaft, aber nicht mal so anstrengend wie ich dachte. Na ja, ohne Rucksack ist das auch kein Wunder. Wir hofften, oben in 8 km Höhe mit einer prächtigen Aussicht belohnt zu werden, aber daraus wurde nichts. Wir sahen zwar viele schöne Bäume und Lichtungen, aber das Tal konnten wir nicht sehen. Der Weg verlief einige Zeit oben auf dem Berg, dann machten wir uns an den Abstieg. Der war zum Glück nicht so steil, für das Knie aber auch ziemlich anstrengend. Als wir endlich wieder unten angekommen waren und aus dem Wald traten, starrten wir einen Augenblick fassungslos nach links.
Diese Kirche hatten wir vor dem Aufstieg schon gesehen, aber da waren wir wenige hundert Meter dichter dran!
Wenige hundert Meter! Wir konnten den Weg sehen, den wir hätten nehmen können und hätten uns 2,5- 3km Bergklettern erspart!
Warum schreibt dir Autorin nicht, dass man auch einfach 400 Meter um den Wald herumgehen kann?!
Ähnlich "lustig" ging es mit dem Führer heute weiter: "Nach einer Weile gemütlichen Höhenspaziergangs" sollte man ins Tal gehen. Wie lange dauert denn so eine Weile? Wir befürchten, die Autorin unserer Führers hat hier jeden Wein probiert, an dem sie vorbeigepilgert ist.
Im Örtchen nach dem Wald (den wir schon vor über einer Stunde hätten erreichen können) erholten wir uns erst einmal von dieser unnötigen Tour. Wie vielen Pilgern mag es vor uns so gegangen sein? Sind wir mit diesem Bogen in guter Gesellschaft?
Wir setzten unseren Weg durch die Weinberge fort und egal, wohin man sah, es gab wirklich nur Wein. Und bunte Dächer. Einige Häuser haben diese bunten Dächer, für die das Burgund bekannt ist. In einem Dort setzten wir uns vor ein Café und warten, bis die Mittagspause herum war. Wir tranken eine kalte Cola und spielten mit dem Hund der Besitzerin.
Wir liefen die letzten Kilometer nach Nuits-Saint-Georges und machten einen Abstecher in den Supermarkt. Danach liefen wir auf der Suche nach einer Toilette in die Innenstadt und fanden glücklicherweise offenes WLAN an der Touristeninformation. Denn unterwegs hatten wir kleine Schilder für ein "Chalet du pèlerins" wahrgenommen, aber unser Buch wusste noch nichts davon. Wir fanden die Telefonnummer heraus und wagten einen Anruf. Da wir nicht reserviert hatten, wollten wir nur um einen Platz für das Zelt bitten. Pierre, der Besitzer, sagte uns sofort zu und hätte uns auch ins Haus gelassen, aber da solle schon ein Pilger sein.
Aha? Da bin ich ja mal gespannt! Endlich ein Pilger!
Wir liefen zu der angegeben Adresse und fanden das Gartentor verschlossen und die Fensterläden verriegelt. Hier war bestimmt noch niemand. Es sieht aus wie ein Schrebergarten, das Häuschen steht für sich neben Gemüsebeeten und ich vermutete, dass der Schlüssel hier irgendwo versteckt sein würde. Aber wir fanden ihn nicht und beschlossen, erst einmal zu essen, denn Pierre wollte noch vorbeikommen.
5 Minuten später kam er schon und zeigte uns das Schlüsselversteck. Und es war so simpel! Ich hatte Johannes noch gesagt, er solle da gucken, aber na ja. Pierre weiß ja nicht, dass wir Geocacher sind. Dann wäre es nämlich peinlich gewesen.
Er schloss uns die Hütte auf und fuhr dann los, die drei Pilger einsammeln, denn die hatten sich verlaufen. Drei Pilger? Es wurde immer spannender.
Als ich aus der Dusche kam, waren diese bereits eingetroffen und es stellte sich heraus, dass wir die drei jungen Frauen bereits kannten. Sie kamen heute Mittag kurz nach uns aus dem Wald und wir machten lustige Fotos an einer Figur im Örtchen. Die Französinnen waren aber gar keine Pilger, sondern wandern für 3 Tage auf einem Weinbergwanderweg. Offiziell dürften sie hier also gar nicht schlafen, weil die Hütte ausdrücklich nur für Pilger mit Pilgerausweis ist.
Aber na ja, da wir unser Zelt haben, ist das kein Problem. Ansonsten wäre es ärgerlich gewesen. Aber wir haben hier einen Platz, eine Dusche und eine Toilette und schlafen hier gegen Donativo. Einen eigenen Stempel gibt es hier übrigens auch.
Es gibt sogar eine Küche, aber das wussten wir ja vor dem Einkauf noch nicht.
Im Kühlschrank fanden wir jedoch Butter und das war ein kleines Fest!
Es ist zu warm zum Butterpilgern, die würde uns im Rucksack sofort schmelzen. Deswegen freuen wir uns immer sehr, wenn wir mal welche essen können. Mit Butter schmeckt das Baguette nämlich gleich viel besser.
Ich konnte mir aus der Hütte sogar eine Wolldecke nehmen und habe heute Nacht somit Beinfreiheit. Das ist für mein Knie wichtig, weil ich nachts viel wach liege und im engen Schlafsack keine gute Position finde.
Die Situation meiner Schuhsohlen bereitet mir zusätzliche Sorgen. 200€ haben die gekostet und keine 700 km gehalten. Noch kann ich darin laufen, aber die Sohle kann ich auch schon gut hochziehen und es klemmen dauernd Steine zwischen Schuh und Außenkante.
Bald werde ich mir etwas überlegen müssen, aber wegwerfen will ich die Schuhe nicht gleich (ich hab die doch noch nicht lange) und schon gar nicht noch einmal so viel Geld investieren. Ob die Kniesache durch die Sohlen nicht auch noch verschlechtert wird, frage ich mich schon ein paar Tage, aber in den Ersatzschuhen geht es derzeit auch nicht besser.
Wie auch immer, heute Abend saßen wir noch etwas beieinander, unterhielten uns und genossen die Kirschen, die Pierre uns noch gepflückt und zusammen mit Sirup und Saft vorbeigebracht hatte.
Wir liefen auch noch kurz ins beschauliche Zentrum, um zu gucken, wie die Franzosen Fußball schauen. Es war ein guter Abend dazu, denn als wir aufbrachen stand es 3:0 gegen Schweiz.
Aber in der Stadt war nichts los. Nur eine Bar übertrug das Spiel und es guckten nur etwa 8 Leute zu. Davon waren mindestens 2 keine Franzosen. Traurig. Hoffentlich haben wir morgen mehr Glück, wenn wir das Deutschlandspiel gucken wollen. 

Donnerstag, 19. Juni 2014

Tag 36: Messigny-et-Vantoux - Dijon

Heute morgen wurden wir mit Frühstück versorgt und danach an die Stelle gefahren, an der wir gestern eingesammelt wurden.
Wir liefen die 10 km nach Dijon, die in Wirklichkeit etwas mehr waren und kamen an einem Kirschbaum vorbei, der die schönsten und leckersten Früchte trug, die wir bisher hatten. Die Kirschen waren fast schwarz, aber leider kamen wir nur an wenige heran.
Die Strecke nach Dijon zog sich ins Unendliche und mein Knie tat heute wieder wirklich weh.
Als wir endlich am Campingplatz angekommen waren, setzten wir uns mit einer kalten Cola auf die Terrasse und loggten und ins Internet ein. Nachdem wir etwas entspannt hatten, gingen wir duschen und wuschen alle Wäsche, die wir im Rucksack hatten. Da es heute warm ist und wir früh gewaschen haben, wird heute Abend als trocken sein.
Später machten wir uns auf den Weg in die Stadt, um uns umzuschauen. Dijon ist hübsch und erwartungsgemäß fanden wie an jeder Ecke Senf.
In einem Laden probierten wir spannende Sorten wie Senf mit Kokosnuss und Senf mit Kirsche. und es gab noch unzählige weitere Sorten.
Wir klapperten die Sehenswürdigkeiten ab, aßen etwas und als wir uns im Dom unseren Stempel holten, lud uns der Angestellte in die (wirklich hübsche) Krypta ein. Zahlen mussten wir nichts, eben weil wie Pilger sind. Das ist glaube ich unsere erste Pilgerrabatterfahrung auf dieser Reise.
Den Abend verbrachten wir dann auf dem Platz auf der Terrasse und schauten uns das WM-Spiel an. Es tut gut, mal einen kurzen und entspannten Tag zu haben.

Mittwoch, 18. Juni 2014

Tag 35: Poiseul-les-Saulx - Messigny-et-Vantoux

Die Nacht im Refuge war gemütlich, auch wenn ich wieder mal sehr viel wachgelegen habe, weil das Knie schmerzte. Nachts wenn ich liege ist es am schlimmsten...
Auf den ersten Kilometern verlief die Wegführung des GR7 wieder anders als im Buch beschrieben und wir folgten erst dem Weg und suchten uns dann die Route über die Karte. Im Endeffekt liefen wir eine Abkürzung und kamen einen Ort weiter heraus als geplant.
In dem Örtchen machten wir eine Schuhe-aus-Pause (für mich immer noch das beste Mittel gegen Blasen. Hirschtalg und sonstige präventive Maßnahmen lasse ich inzwischen komplett weg).
Danach liefen wir über Feldwege und kleine Straßen über einen Berg und landeten in einem Dörfchen mit großem Dorfbrunnen. Es ist schon eine richtige Angewohnheit, dass ich meinen Kopf unter das Wasser halte, ob ich schwitze oder nicht.
Wir entspannten eine Weile und ich hoffte, dass die Schmerzen in meinem Knie nachlassen würden. Langsam wird es wirklich zur Qual, weil es auch tagsüber wehtut. Die Bandage trage ich ja nun auch schon einige Zeit und habe am linken Bein jetzt ein seltsames Bräunungsmuster.
Die nächsten 8 km verliefen stetig bergauf und durch den Wald "des Grolles". Ob hier viele Grolle leben und ob sie sehr gefährlich sind?
Zur Sicherheit sprachen wir etwas leiser, da wir nach wenigen Metern eine Grollhöhle am Wegesrand auf einer Anhöhe entdeckt hatten (dicke Äste waren wie ein Zelt aufgetürmt).
Irgendwann wurden die Schmerzen in meinem Knie so schlimm, dass Johannes sich meinen Rucksack vor den Bauch schnallte und ihn die letzten beiden Kilometer bergauf trug. Ohne Gepäck geht es dem Knie deutlich besser und ich konnte wieder blöde Sprüche machen. Von oben hatten wir eine prächtige Aussicht.
Im Ort fanden wir draußen neben der Kirche eine Steckdose. Wir nutzten die Gelegenheit, die Akkus aufzufüllen. Leider habe ich eine Kamera mit Akku, das macht mich abhängig vom Strom. Aber ich habe einfach keine mit Batterien gefunden, die meinen Ansprüchen genügt hätte.
Johannes und ich packten die Rucksäcke um, so dass ich weniger Gewicht tragen musste und liefen weiter.
Die letzten Kilometer der Strecke waren im Buch mit 6,6 km angegeben und eine Steigung stand auch nicht drin. In Ehrlichkeit aber war die Strecke 3-4 km länger und durchaus hügelig. Die Autorin kann froh sein, dass sie uns nur auf dem Papier begleitet!
Eine Stunde mehr Fußmarsch als gedacht mit schmerzendem Knie, das ist nicht besonders spaßig.
Dann war der Fluss, in dem laut Buch oft Menschen und Hunde baden und der heute unsere Badewanne sein sollte, völlig ausgetrocknet. Das war schade, denn wir haben gestern ja nicht geduscht und noch dazu im Rauch geschlafen.
Wir erreichten unser Ziel also deutlich später als geplant und es fing zu allem Überfluss auch noch an zu regnen.
Dabei hatten wir uns fast dazu durchgerungen, uns am Brunnen zu waschen. Wenigstens hatte die Bäckerei mit Tante Emma- Ecke noch geöffnet und wir kauften ein Baguette, zwei Cookies und eine Flasche Fanta lemon.
Danach überlegten wir, wo wir uns ein Plätzchen zum zelten suchen könnten. Wir wollten zum Ortsausgang laufen und waren gerade ein paar Meter gelaufen, da hupte uns ein Auto an und ein alter Mann winkte uns energisch heran. Er fragte mich, ob wir Pilger wären und was wir suchen (haben wir so fragend geguckt?). Ich sagte, dass wir gerade einen Platz für unser Zelt suchen. Er sagte sofort, dass er auch Pilger sei und wir mit zu ihm kommen können. Er müsse nur noch sein Kind von Bahnhof abholen und wir sollten oben am Platz warten.
Na, so schnell hat sich unser Schlafplatzproblem selten gelöst.
Wir warteten etwa eine Viertelstunde, dann wurden wir eingesammelt und in den Nachbarort gefahren, wo wir gleich die Dusche gezeigt bekamen und unser Zelt aufbauen konnten. Der Opi hatte gerade die Familie zu Besuch (Sohn + 3 Enkel) und im Haus war wohl kein Platz mehr, aber er hat und trotzdem spontan aufgenommen. Wow.
Nach der Dusche spielte ich etwas mit dem Hund und dann gab es Essen. Da die Frau des Mannes kürzlich verstorben ist, war dies das erste Essen, das er selbst zubereitet hat.  Es gab Melone als Aperitif, dann Reis, Baguette und viele Schüsseln mit Zutaten, die man sich mischen konnte. Sauce, Senf, Thunfisch, Wurst, Zwiebeln, Paprika, ...
Wir bekamen Bier, sonst trank es keiner der Anwesenden. Wir müssen für die Franzosen echt ein Biervolk sein.
Hinterher gab es noch Obst, Eis, Joghurt (mit Puderzucker aus dem 1 Liter- Tetra Pak) und natürlich eine Käseplatte.
Als die Schwiegertochter und der Enkel dazukamen, waren wir zu neunt. Die Frau war nur mäßig überrascht, dass Pilger am Tisch saßen, ihr Schwiegervater nimmt wohl öfter mal welche auf.
Es war wieder ein sehr schöner Abend und wir gingen glücklich, gewaschen und satt ins Zelt, das uns inzwischen ein richtiges zu Hause geworden ist.

Dienstag, 17. Juni 2014

Tag 34: Grancey-le-château - Poiseul-les-Saulx

Da wir heute keinen Campingplatz ansteuern können und uns eine Wiese suchen müssen, schliefen wir etwas länger. Wir wuschen unsere Haare unter dem eiskalten Wasser und liefen zur Bäckerei im Ort, in der wir uns Apfeltaschen und Cola zum Frühstück kauften.
Vor dem Dorfbrunnen frühstückten wir und beobachteten die Kinder an der Dorfschule.
Heute liefen wir endlich wieder viel durch Wald, vorbei an einer alten Kirche und einer sehr langen Mauer, die über einige Kilometer Wald von Wald trennte.
Wir erreichten in einer Pause endlich, dass wir neue Pilgerausweise bekommen. Johannes Freundin aus Trier wird sie persönlich abholen müssen und wird sie uns dann nach Taizé schicken. Dort werden wir in einer Woche sein und einige Tage bleiben.
Es ging weiter bergauf und bergab und nachdem wir bei einer Pause belustigt beobachtet hatten, wie ein großer LKW erfolglos versuchte, einen schmalen, steilen und kurvigen Feldweg hochzufahren, liefen wir an der Landstraße weiter, um ein bisschen Strecke abzukürzen.
Mit meinem Knie läuft es seit kurzem tagsüber wieder schlechter und da versuchen wir gern, etwas abzukürzen.
In Poiseul-les-Saulx fanden wir auf dem Dorfplatz nicht nur einen Wasserhahn mit 2 Steckdosen, sondern auch das erste Refugio auf der Strecke. Ein kleines Häuschen mit großem Ofen, Tisch und Stühlen. Ein altes Backhaus, das heute Pilgern Schutz bietet und in dem man auch schlafen darf. Wir lasen im Gästebuch, dass hier Pilger über Nacht bleiben und beschlossen spontan, das auch zu tun.
Es war zwar erst kurz nach 15 Uhr und wir hätten noch gut die 7 km bis zum eigentlichen Ziel laufen können, aber das Häuschen ist so niedlich und es ist endlich mal wieder ein Dach über dem Kopf.
Also blieben wir dort. Unsere Etappenplanung (die nur darin besteht, ungefähr an der Etappenzahl des Führers zu bleiben) bringt das auch nicht durcheinander, weil wir das morgen und übermorgen ausgleichen. Und wir finden, dass wir ruhig tun sollten, wonach uns ist, auch wenn wir eigentlich noch laufen könnten.
Kaum hatten wir beschlossen zu bleiben, kam ein Mann und feuerte den Ofen an. Wie sich herausstellte war das aber bloß Zufall. Am Wochenende soll hier gebacken werden und da muss der Ofen über ein paar Tage langsam aufgeheizt werden.
Wahrscheinlich werden wir heute Nacht aber abgesehen vom Geruch nicht viel davon haben, denn es ist wirklich nur ein kleines Feuerchen, dass da brennt.
Da wir kaum noch Vorräte haben, besorgte ich ein Fahrrad und Johannes fuhr fast 11 km bis zum nächsten größeren Ort, um einzukaufen. Er freute sich auf das Radfahren und 20 km sei ja nicht weit. Er kam völlig geplättet zurück, hatte ein paar mal schieben müssen und versucht, per Anhalter zurückzukommen.
Aber etwas Spaß gemacht hat es glaube ich trotzdem.
Wir aßen ein herrliches Abendessen mit frischem Baguette, Mayonnaise, Wurst von der Theke und oben drauf Gurken mit Zwiebelsalz. Hinterher gab es Apfel-Erdbeermus und Banane mit Schokolade.
Als es langsam dämmerte, entzündeten wir die bereitgestellte Kerze und es wurde richtig gemütlich im der Hütte. Strom, Wasser und eine Toilette gibt es ja nicht, deswegen war das Kerzenlicht alles, was wir hatten.
Ich schrieb einen Eintrag in das ausliegende Gästebuch und wir bekamen noch einen Stempel von Bürgermeister. Das ist der Mann, der sich um den Ofen und generell um das Häuschen kümmert.
Wir putzten unsere Zähne am Brunnen des Dorfplatzes im gemütlichen Licht der umliegenden Häuser. Dieses Dorf hat einen besonderen Zauber und wir sind froh, hiergeblieben zu sein.
Auch wenn morgen alles was wir haben nach Rauch riechen wird.
In dem Häuschen gibt es Bänke, die an die Wand geschraubt sind und ich habe ein paar Stühle, die glücklicherweise dieselbe Höhe haben, an die Bank herangeschoben und schon hatte ich wieder ein relativ gemütliches Bett.

Montag, 16. Juni 2014

Tag 33: Perrogney-les-Fontaines - Grancey-le-château

Heute früh wuschen wir unsere Haare unter dem Wasserhahn. Das Wasser ist zwar sehr kalt, aber man sieht einfach gepflegter aus.
Auf den ersten Kilometern sahen wir ein Paar Wanderstiefel in einem Baum hängen, deren Sohlen fast komplett fehlten. Ein schönes Stillleben und leider auch eine Prophezeiung, was meinen Schuhen blüht. Denn das erste Loch in der Sohle ist bereits sichtbar. Reichlich frustrierend, den ich bin ja noch keine 700 km darin gewandert.
Auf dem Weg in ein Örtchen spielten wir wieder etwas auf der Mundharmonika herum und gönnten uns im Dorflädchen ein Eis.
Wir versuchten heute auch, uns neue Pilgerausweise zu organisieren. Uns wurde im Vorfeld erzählt, wir können die in vielen Orten bekommen, bisher hatte aber niemand welche. Wir hätten in Trier schon welche kaufen müssen, haben da aber nicht daran gedacht, weil wir noch so viel Platz hatten. Bis Le Puy kommen wir mit diesem keineswegs mehr.
In der Touler Touristeninformation wurden uns zwar leere Seiten kopiert, aber ein originaler Ausweis sieht ja viel schöner aus. Leider erreichten wir niemanden und zogen weiter.
Später liefen wir durch hübsche Wälder, in denen wir Rehe sahen und Johannes sogar von einem Dachs angemotzt wurde, der sich leider schon verkrochen hatte, als ich herantrat.
Wir sahen auch Wildschweine, die jedoch nur aus der Ferne und in einem Gehege.
Es ging über einige Berge und durch einen zauberhaften Wald.
Zwar waren die Wege nicht immer leicht zu finden, weil sie so überwuchert waren oder Bäume auf dem Weg lagen, über die wir klettern mussten (oder beides), doch wir waren ganz allein weit und breit.
Wir passierten auch eine Gegend, in der wir durch ein trockenes Flussbett liefen. Hier wuchsen Farne und allerhand Pflanzen, die uns glauben ließen, wir befänden uns irgendwo in tropischeren Gebieten.
In einem kleinen Dorf füllten wir unsere Wasserflaschen am Brunnen auf und machten eine längere Pause an einer Bierzeltgarnitur. Dann ging es zum Endspurt über die Landstraße. Wir hätten auch durch den Wald gehen können, aber im Moment stehen wir auf Abkürzungen, sofern sie sich ergeben.
In Grancey angekommen, liefen wir prompt am Campingplatz vorbei, denn die Wiese mit dem kleinen Häuschen war nun wirklich nicht gleich als Campingplatz erkennbar.
Aber in der Tat war das schon alles. Und geschlossen war er auch noch. Da es aber eine Wiese war, die ohne Zaun auskam, setzten wir uns erst einmal hin und erkundeten den Platz. Die Duschen waren abgeschlossen, hinter dem Haus waren ein paar Waschbecken und eine Steckdose. Beides lief. Dazu 4 Pissoirs und ein Hinhockklo. Diese Toiletten mit zwei Fußfeldern, auf die man sich hockt und wie im Wald sein Geschäft erledigt. Ungewohnt, aber hygienischer als manch andere öffentliche Toilette. Im Prinzip hatten wir also alles, was wir brauchten. Bis auf Klopapier.
Johannes zog los, um welches zu besorgen und wollte in Erfahrung bringen, ob wir hier bleiben können, auch wenn der Platz offiziell geschlossen ist.
Zurück kam er dann nicht nur mit der Erlaubnis, sondern auch mit frischem Baguette, einer Packung Wurst, Mayonnaise, Äpfeln, einer Orange und einer großen Dose Thunfisch.
Die Frau, die ihm das zusammen mit zwei anderen Damen geschenkt hatte, klärte inzwischen, dass wir bleiben konnten und weil die Duschen abgeschlossen waren, durften wir kostenlos zelten. Ansonsten hätten wir niedliche 2€ gezahlt.
Eine Flasche Wasser bekamen wir dann auch noch dazu.
Beim Versuch, einen tropfenden Hahn zuzudrehen, der nach oben zeigte, öffnete Johannes ihn und der spritzte sein Wasser im hohen Bogen auf den Platz vor dem Haus.
Ich erkannte darin unsere Waschgelegenheit und nach dem Essen duschten wir uns darunter ab. Es war inzwischen kalt und windig geworden und es war schlimm genug, sich bei diesem Wetter zu entkleiden, aber dann auch noch unter einen Strahl eiskalten Wassers zu laufen war wirklich hart. Aber hinterher ist man sauber und DAS ist es dann wert. Etwas Kleidung wuschen wir auch noch und verzogen uns danach recht schnell ins Zelt, den es wurde kalt und sah nach Regen aus.

Sonntag, 15. Juni 2014

Tag 32: Langres - Perrogney-les-Fontaines

Heute morgen haben wir alles etwas langsamer angehen lassen, denn wir mussten ja ohnehin warten, bis die Touristeninformation um 10 Uhr öffnete. Also steckten wir unsere Technik noch einmal an die Steckdosen in der Nähe des Zeltes und schauten noch mal ins Internet.
Dann zogen wir los und erkundeten den Ort innerhalb der Mauern oben auf dem Berg. Wir liefen ein gutes Stück am der Stadtmauer entlang, genossen weite Aussichten und den sonnigen, wenn auch ziemlich frischen Morgen. Gestern Abend war es schon so kalt, dass ich all meine langen Klamotten anzog. Die größte Hitze ist wohl erst einmal überstanden.
Nachdem wir uns auch den Dom noch etwas genauer angeschaut hatten aus gestern, kauften wir uns ein leckeres Frühstück in der Boulangerie und setzten uns auf die Wiese vor der Touristeninformation.
Als diese öffnete mussten wir feststellen, dass Langres damals vielleicht eine bedeutende Pilgerstadt gewesen sein mag (das zumindest sagt unser Führer), sich heute jedoch nichts mehr daraus zu machen scheint. Einen Stempel hatten sie zwar für unseren Pilgerausweis, aber keinerlei Informationen, auch keine Karte, nichts.
Unsere Wanderkarte endet aber in Langres und wir hatten gehofft, dass es wenigstens französische Literatur geben würde.
Nun gut, dann werden wir unser Glück mit unserem Uraltbuch versuchen.
Als wir Langres verließen, war es schon recht spät und wir wollten noch 30 km bis nach Auberive laufen.
So schnell wie geplant kamen wir dann aber nicht voran.
Das lag zum Einen daran, dass wir viele viele Erdbeeren gefunden und gegessen haben, sowie unsere Füße im einladenden Becken eines Örtchens badeten und zum Anderen daran, dass wir heute ein paar Kirchen betreten konnten.
Wir wissen nicht, woran es liegt, aber fast alle Dorfkirchen, die wir betreten können, sind in einem erbärmlichen Zustand, weil sie offenbar einen großen Wasserschaden hinter sich haben. Grüne Böden und muffiger Geruch, so sieht es vielerorts aus.
Diese Kirchen sind nur deshalb offen, weil viel gelüftet werden muss. Es sind allerdings auch die Kirchen, in die wir reingehen können, also ist das für unser Bild von französischen Kirchen nicht gerade gut.
Die Kirche in Vieux Moulins ist allerdings in einem katastrophalem Zustand. Die Feuchtigkeit und ihre Folgen stehen bis zu einem Meter hoch, Bänke sind kaputt, ein Bild hängt zerfetzt im Rahmen. Der Beichtstuhl ist nur noch ein Haufen Sperrholz und die Kanzel ist eine Müllecke. Ironischerweise hängt hier noch ein Schild, das die Preise für die Kirchennutzung angekündigt. Für 150-300€ kann man hier zum Beispiel heiraten.
Wir liefen über die Landstraße in den nächsten Ort und spielten dabei etwas Mundharmonika. Wir können das beide nicht, aber irgendetwas wohlklingendes kommt meistens heraus.
Die Gegend, durch die wir laufen, wird immer hübscher. Hügeliges Weideland, Wälder und hohe Ebenen, von denen man gute Aussichten hat. Leider ist hier kein Jakobsweg ausgeschildert. Es geht also wie in den letzten Tagen ohne Wegweiser weiter, bzw. am Fernwanderweg GR7 entlang. Ich vermisse die Muscheln und gelben Pfeile.
Die Wegführung des GR7 muss sich in den Jahren zwischen 2009 und heute jedoch geändert haben und wir verliefen uns, nachdem wir weder Wegweiser fanden noch der Beschreibung im Buch folgen konnten, weil es die angekündigten Wege nicht mehr gab. Wir irrten hin und her, weil wir in der Nähe der Autobahn waren und diese unterqueren sollten. Da kann man dann nicht einfach querfeldein marschieren. Wir schafften es mit Hilfe der Openstreetmap auf dem Handy, einen Rastplatz zu erreichen, hinter dem es eine Brücke gab. Dies war zwar ein Umweg und dazu kein besonders schöner, aber immerhin ein sicherer als weiter im Wald herumzuirren.
Wir erreichten unseren Zielort Perrogney-les-Fontaines (wir hatten entschieden, die Etappen zu ändern und dann morgen weiter zu laufen als geplant) und machten uns auf die Suche nach einem geeigneten Garten. Da wir an zwei Häusern niemanden antrafen, sprachen wir einen Monsieur an, der sich mit seinem Freund durch dessen Autofenster unterhielt.
Und wir hatten Glück: Der Mann im Wagen hat ein Grundstück wenige Meter entfernt, an dem das alte Haus renoviert wird. Er wohnt hier nicht, aber wir konnten uns ein Plätzchen im großen Garten suchen und bekamen sogar einen Wasseranschluss.
Wir verbrachten einen ruhigen Abend und bemerkten irgendwann, dass wie Kühe als Nachbarn hatten. Zwischen ihnen entdeckten wir später sogar noch einen Fuchs.
Wir genossen unseren Abend als Grundstücksbesitzer und waren froh, dass es heute Abend mild war.

Samstag, 14. Juni 2014

Tag 31: Montigny le roi - Langres

Heute haben wir festgestellt, dass wir doch schon über 600 km marschiert sind. Gegen dachte ich noch, es wäre irgendwas mit 500 gewesen. Feierlich habe ich den sechsten Ring in meinen Stock geschnitzt. Wir haben dann jetzt bald Halbbergfest.

Auch heute quälten wir uns viel über Landstraßen und ich kann verstehen, dass sich hier eine neue Wegführung ausgedacht wurde. Die sind wie allerdings nicht gelaufen, weil sie länger ist als die Alte und wir durch Domremy und Neufchâteau laufen wollten.
In unserem für Führer steht, dass eine der Kirchen da ganz besonders sein soll und wir haben das total verpennt, weil wir so schnell wie möglich auf den Campingplatz wollten und uns dann unsere leckeren Einkäufe so abgelenkt haben.
Nun ja, das kann man nun nicht mehr ändern.

Dass wir aus Lothringen heraus sind, sieht man der Landschaft irgendwie an, aber dennoch verlief auch die heutige Etappe ohne nennenswerte Orte, die wir gesehen haben.
Abgesehen von Langres, das sieht man schon Stunden bevor man da ist. 
Oh und natürlich dem Stausee. Heute sind wir an einem herrlichen Badestrand vorbeigelaufen und ausgerechnet heute war es recht kühl.
Als wir an See waren, zogen gerade dunkle Wolken auf. Ich wäre trotzdem baden gegangen, aber Johannes war es zu kalt und allein macht so was ja nur halb so viel Spaß, wenn das Wetter nicht mitspielt.

Auf dem weiteren Weg habe ich unzählige Walderdbeeren gepflückt. An der Straße laufen wohl nur selten Fußgänger entlang, denn ich konnte gar nicht alle Erdbeeren essen, die ich sah. Und herrlich schmeckten sie. Sie waren rundherum rot und richtig süß. Zur Feier des Tages entdeckte ich später auch noch Himbeeren und Kirschen.

Der Aufstieg nach Langres war gar nicht so schlimm, wie er von weitem aussieht. Da thront die Stadt auf dem hohen Berg und dann ist man doch recht fix oben. Oder sind wir einfach schon so trainiert?!

Der Campingplatz liegt innerhalb der Mauern, die die alte Stadt umgeben und man hat eine schöne Aussicht auf das Umland.
Wir aßen etwas und werden und morgen vormittag die Stadt etwas genauer ansehen, denn heute waren wir erst relativ spät am Ziel (bzw. wieder ewig im Laden).

Freitag, 13. Juni 2014

Tag 30: Mailancourt sur Meuse - Montigny le roi

Die heutige Strecke verlief wieder sehr viel über Straßen. Eigentlich sind wir die ganze Zeit über Landstraßen gelaufen, auch wenn sie zeitweise so gut wie unbefahren waren. Besonders hübsch war sie Strecke auch nicht, führte aber über einige Hügel an einem schiefen Kirchturm, einem verlassenen Bauernhof und vielen Kühen vorbei. Ein paar ließen sich auch streicheln (ich glaube, sie dachten das gleiche von uns, denn sie versuchten die ganze Zeit, uns abzulecken).
Nach 25 mehr oder weniger langweiligen Kilometern in der heute etwas besser zu ertragenden Hitze erreichten wir nach einem letzten Anstieg Montigny le roi und checkten ganz oben auf dem Berg auf dem Campingplatz ein.
Der Platz ist ganz hübsch und es sind viele deutsche und natürlich Niederländer hier. Ich durfte meine Kamera bei einem deutschen Ehepaar im Wohnwagen aufladen und dann unterhielten wir uns noch über eine Stunde.
So wurde es dann später als gedacht, als wir uns auf die Suche nach etwas zu essen machten.
Im Dorf gab es nur eine Bar und alles, was uns interessiert hätte war ausverkauft.
Also gingen wir in die SnackBar auf dem Platz und bestellten ein etwas zu teures essen. Mir hat es geschmeckt, aber Johannes konnte es nicht leiden. Dabei hatte er harmlose chicken wings mit Pommes und Salat.
Wir sahen uns noch einen Teil des WM-Spieles der Niederlande gegen Spanien an und der halbe Platz war in der Bar versammelt. Klar, wo doch die Hälfte der Camper aus Holland kommt. Angesichts der vielen Tore war es oben auf dem Platz dann auch ganz schön laut.
Der Abend war etwas kühler als die Letzten. Das lässt auf etwas Abkühlung hoffen. 

Donnerstag, 12. Juni 2014

Tag 29: Neufchâteau - Mailancourt sur Meuse

Der Weg aus Neufchâteau begann mit 11km wandern auf Beton an einer mäßig befahrenen Landstraße. Wir liefen zur Sicherheit mit Warnwesten. Die alte Römerstraße verlief zwar stur geradeaus, aber munter rauf und runter und die Autos sahen und oft erst relativ spät.
Schatten gab es natürlich, wie sollte es anders sein, kaum. Ein ätzendes Stück Weg und ein klarer Fall für musikalische Beschallung.
Irgendwann hielt ein gelbes Auto und ein Monsieur stieg aus, der sich einige Zeit mit uns unterhielt. Er erzählte, dass er ein kleines Café an der Strecke habe und lud uns ein, dort vorbeizukommen. Wir sagten zu, hatten aber noch gut 7 km bis dahin zu bewältigen.
Im ersten Ort nach den langen Kilometern machten wir eine Pause auf den Stufen vor der Kirche, bevor es wieder in die Hitze ging.
Als wir an der Stelle vorbeikamen, wo wir zum Café abbiegen mussten merkten wir, dass der Monsieur untertrieben hatte, als er sagte, das Café liege am Weg. Wir mussten 900 Meter über einen Waldweg laufen, vorbei an einem Bauernhof, vor dem eine tote Kuh lag. Dem Geruch nach lag sie dort nicht erst seit 10 Minuten. Johannes konnte sich glücklich schätzen, keine gute Nase zu haben oder den Verwesungsgeruch zwischen den Bauernhofdüften nicht erkannt zu haben. Das Café lag herrlich abgeschieden an der Maas mit Weitblick auf einen Berg, auf dem Kühe grasten.
Wir bekamen Apfelsaft und eine Schale Chips serviert und unterhielten uns mit dem Besitzer. Dass sich hier oft jemand herverirrt glauben wir zwar nicht, aber ein hübsches Plätzchen ist es wirklich. Wir blieben eine ganze Weile, bekamen noch einmal nachgeschenkt und mussten nichts bezahlen.
Der Rest des Tages verlief  unspektakulär und heiß. Dennoch hängten wir am Ende der Etappe noch 5 km dran, dann müssen wir morgen keine 30 km laufen. Wenn wir auf einen Campingplatz gehen, kommen wir gern früh an, wenn wir in einem Dorf oder Garten übernachten lieber etwas später. Auch heute stellte sich das als gute Methode heraus.
Wir erreichten das Örtchen Mailancourt sur Meuse (dabei liegt es hat nicht an der Meuse) und bekamen von einer Anwohnerin die Erlaubnis, auf einer kleinen öffentlichen Wiese am Ortsausgang zu zelten.
Dummerweise lag der Platz in der Sonne und es gab keinen Schatten in der Nähe.
Wir konnten uns aber bei der Hitze nicht in der Sonne aufhalten. Also setzten wir uns in den Schatten eines Häuschens bei der Kirche und stellten uns darauf ein, 2-3 Stunden dort zu sitzen. Die Frau, die uns das Okay zum zelten gab, brachte uns Bier (für mich gab es Radler) und eine Flasche kaltes, frisches Wasser. In der Zeit, in der wir warteten, beobachteten wir mit viel Spaß ein ulkiges Ehepaar, das auch von Hape Kerkeling hätte erdacht dein können. Wie die aussahen und geredet haben, herrlich. Sie haben sich auch mit und unterhalten, sich gegenseitig angezickt und irgendwann waren sie weg. Nach einer Weile kam der alte Mann zurück, stellte sich in die Garage und wünschte und mehrfach einen guten Appetit, den wir aßen gerade unser Abendbaguette. Dann kam die Frau, mit einem Gerät, das von System wie eine Schubkarre läuft, hinten aber lange Zacken hat, wie zum pflügen oder so. Das Teil war offensichtlich zu schwer für die Frau und zu wackelig und sie wurde dauernd gebremst. Der Mann stand lässig an die Garage gelehnt und trieb seine Frau an. Als das Gerät in der Garage verstaut war, liefen sie streitend an uns vorbei, wünschten uns noch man einen bon apetit und fuhren in ihrem kleinen Wagen davon und hörten gar nicht mehr auf zu winken.
Danach kam ein Mann und befeuchtete die Pflanzen. Er unterhielt sich etwas mit uns und ging dann seiner Arbeit nach.
Nach einer kleinen Ewigkeit wagten wir uns dann auf die Wiese, den die Sonne würde bald untergehen.
Auf der Fläche lag viel Heu und wie bauten und ein weiches Bett unter das Zelt.
Schließlich fragten wir beim Nachbarn, der gerade seine Pflanzen im großen Garten mit dem Gartenschlauch bewässerte, in er uns damit abduschen würde. Er sagte zu und baute uns eine Leiter auf, damit wir besser duschen konnten. Einer auf der Leiter, der Andere davor und los ging es. Das Wasser war natürlich eiskalt, stand aber auf Sprühnebel und war herrlich erfrischend.
Als wir frisch geduscht vor unserem Zelt lagen, kam die Frau, die uns den Platz vermittelt hat mit ihrem Mann (der für Pflanzen befeuchtet hatte) und ihren 2 Mädchen vorbei. Sie trugen ein Körbchen und brachten noch ein Bier für Johannes und eine Flasche Apfelsaft für mich. Die französischen Frauen trinken anscheinend nicht so viel Bier.
Alles wir uns um 22 Uhr langsam in Richtung Bett bewegen wollten, kam laut lärmend die Müllabfuhr ins Dorf gebrettert.
Aber der Krach war nicht schlimm, denn vor dem Nachbarhaus schrien sich ohnehin noch 5 oder 6 Franzosen an. Ein sympathisches Dorf.

Mittwoch, 11. Juni 2014

Tag 28: Taillancourt - Neufchâteau

Gestern Abend wurde es plötzlich sehr windig ums Zelt. Ein Blick nach draußen zeigte, dass sich tiefschwarze und hohe Wolken über uns aufgetürmt hatten. Es blitzte und wir sicherten das Zelt gewissenhafter als vorhin und warteten auf den Regen. Aber das Gewitter blieb aus. Vielleicht sparten die Wolken ihre Kräfte für die Deutschland-Tournee.
Es blieb also trocken und somit kühlte es leider auch nicht ab. Als wir am Morgen losliefen, war es schon wieder richtig heiß.
Wir pilgerten über offene Felder und fieberten dem Wald entgegen, in dem es hoffentlich Schatten geben würde. Die ersten Kilometer mussten wir jedoch im Sonnenschein verbringen, weil der Waldweg zu breit war. Unglaublich, wie man schon am frühen morgen so schwitzen kann...
Als das geschafft war, durften wir eine knappe Stunde im Schatten laufen, bis wir in einem Örtchen Pause machten, um uns etwas abzukühlen und die Schuhe auszuziehen. Die Schattenplätze sind heute glücklicherweise etwas kühler als die letzten letzten Tage. Und wir haben den zweiten Brunnen mit Trinkwasser in diesem Land entdeckt.
Wir liefen anschließend durch Domremy, dem Geburtsort von Jeanne D'Arc, der Jungfrau von Orléans. Praktischerweise liegt ihr Geburtshaus direkt neben der Kirche, da müssen die Tourismus nicht lange suchen. Hier trafen wir auf ein Ehepaar aus dem Westerwald, mit dem wir uns lange unterhielten.
Man merkt deutlich, wie stolz dieses Dorf auf ihren Sprössling ist, denn der ganze Ort dreht sich um sie und auch im Umland begegnet man ihr überall. Wenn es nach den Anwohnern geht, hat Jeanne vermutlich schon überall gesessen, gebetet und jemanden besucht.
Der weitere Weg führte uns auf einen Berg, wo die Basilika steht, in der Jeanne die Stimmen gehört haben will. Es war wirklich hübsch da oben und man hatte eine gute Aussicht ins Tal, aber durch die Hitze konnten wir das alles nicht so richtig genießen.
Nach einigen Kilometern hinab ins Tal kamen wir in einen Ort mit einem Brunnen (natürlich krönte die Jungfrau oben drauf), der ein großes Becken eiskaltes Wasser bereithielt. Wäre er nicht mitten auf dem Dorfplatz mit relativ viel Verkehr, hätte ich mich glatt reingesetzt und gebadet. So begnügte ich mich damit, den Kopf immer wieder hineinzutauchen und meine Arme komplett ins Wasser zu halten. Ich wiederholte diesen Vorhang jede Minute, da das Wasser auf dem Kopf zu verdampfen schien. Die Anzeige an der Apotheke zeigte und dann beim weiterlaufen schlappe 46 Grad an.
Die letzten Kilometer nach Neufchâteau mussten wir an einer Schnellstraße entlanglaufen und die Sonne gab alles. Es gab keinen Schatten und auch keine richtige Wolke, um sie etwas zu bremsen.
Ja, die Hitze ist krass. Und ja, ich meckere. Unter anderen Umständen würde ich sie ja auch lieben, aber unter ihrer gnadenlosen Art zu wandern ist nun mal kein Geschenk.
Das ganze wandern ist überhaupt kein Geschenk. Nicht dass hier jemand denkt, wir spazieren mal eben durch die Eifel und ganz Frankreich.
Es ist total anstrengend und macht nicht immer Spaß.
Johannes und ich finden beide, dass es in der letzten Zeit eigentlich recht wenig Freude macht.
Ich finde es langweilig, den ganzen Tag zu laufen, ohne Gesellschaft zu haben und die Gegend ist zwar hübsch, aber nicht besonders aufregend.
Es ist nicht so, dass es gar keinen Spaß macht, aber ich freue mich schon darauf, wenn wir mal wieder andere Pilger treffen.
Ich finde, das muss man auch mal sagen, weil man fast immer nur romanische Berichte liest und ich ja auch viel von den schönen Sachen berichte. Und bestimmt werde ich nach der Reise sagen, dass dieser Abschnitt gar nicht so schlimm war, sondern mich an die schönen Abende erinnern und denken, dass alles perfekt war.
Die Abende waren bisher auch wirklich immer schön und die will ich auch nicht missen. Das entspannen unter der Sonne, das genießen der Ruhe und und dir zahlreichen schönen Begegnungen mit den Franzosen, das ist schon was tolles.
Ich weiß jetzt jedenfalls, dass mir das einsame wandern nicht liegt. Das ist zwar keine Überraschung und das dachte ich ja bereits an der Ostsee, aber nun weiß ich es sicher.
Zum Glück habe ich meine Musik dabei. Ich lasse auch gern meine Gedanken schweifen, denke an meine Familie und meine berufliche Zukunft und daran, ob ich nach der Reise wohl an einen Pilgerweg ziehe und auch Pilger verwöhnen kann. Ich denke auch an meine Katzen, an Siegen und alle meine Freunde das oder schreibe einen furchtbar spannenden Krimi in meinem Kopf, der es wohl nie bis aufs Papier schaffen wird. Ich habe ja den ganzen Tag Zeit, meine Gedanken reisen zu lassen.
Nachdem wir wieder einen etwas größeren Einkauf in Neufchâteau hinter uns hatten (vieles ist aber auch einfach verlockend!) liefen wir zum kleinen Campingplatz, auf den wir für knapp 10€ schlafen.
Frisch geduscht und satt lagen wir später vor unserem Zelt und waren mit der Pilgerei wieder versöhnt.
Pilgerstempel bekommt man hier übrigens sehr schlecht. Die Kirchen sind fast immer verschlossen und selbst wenn sie offen sind, gibt es noch lange keinen Stempel darin. Ich glaube, wir haben in Frankreich nur in den großen Kirchen in Metz Stempel gesehen.
Dafür sind die Menschen hier einfach total freundlich. Ich wiederhole mich wahrscheinlich, aber es ist halt so. Wir sind noch an niemanden geraten, der unfreundlich gewesen wäre. Heute früh hat uns die Nachbarin sogar Kaffee angeboten, obwohl sie gestern nur gesehen haben, dass Fremde auf der Wiese vor ihrem Grundstück zelten.
Ich will nicht sagen, dass es in Deutschland anders wäre, auch da haben wir ja viele tolle Begegnungen gehabt.
Ich freue mich einfach über jeden, der uns freundlich begegnet und uneigennützig hilft. Danke an alle lieben Menschen!

Dienstag, 10. Juni 2014

Tag 27: Toul - Taillancourt

Nachdem ich gestern Abend feststellen musste, dass auch das Doppelbett im Zimmer keine 50€ wert war, zog ich in das zweite Bett um. Dort lag ich nicht ganz auf dem Lattenrost, sondern hatte noch etwas Matratze. Dafür quietschte es bedrohlich bei jeder kleinen Bewegung.
Als das geklärt war, habe ich aber gut geschlafen.
Als um 7 Uhr der Wecker klingelte, war es im Zimmer schon oder noch ganz schön warm. Ich las im Internet von schlimmen und heftigen Gewittern in Deutschland, die aus Frankreich kommen. Die Wolken haben wohl alle Kraft für Deutschland aufgehoben, den hier blieb es ruhig.
Wir kauften ein paar Kleinigkeiten zu essen und verließen die Stadt. Die heutige Strecke war relativ unspektakulär. Erst Straßen in der Stadt, dann ein paar Kilometer zwischen Feldern entlang und einige Zeit durch einen Wald, in dem es weniger Schatten gab als erhofft. Wir sind hier extra eine Alternativstrecke gelaufen, um nicht so viel in der prallen Sonne zu laufen. Es hat sich dennoch gelohnt, den Waldweg zu wählen, da hier der Schatten nie weit weg war, wenn man ihn brauchte.
Vorher wurden unsere Wasserflaschen mit frischem Brunnenwasser aufgefüllt. Ein Anwohner ist extra mit dem Roller zum Brunnen gedüst.
Nach dem Mittag wurde es wieder richtig heiß und ausgerechnet jetzt stand uns wieder eine Etappe bevor, die komplett ohne Schatten verlief.
Also machten wir eine sehr lange Siesta an einem Bächlein. Ein bisschen im Schatten dösen tut gut!
Auf einer Landstraße liefen wir danach von Ort zu Ort und dazwischen gab es nichts außer der knallenden Sonne.
Die Straße war nur sehr wenig befahren und ich freute mich über jeden einzelnen Wagen, der möglichst schnell an mir vorbeifuhr, denn das brachte mir 2 Sekunden Wind.
Heute flogen immer wieder Jets über unsere Köpfe, aber die machten nur Krach und brachten keinen Wind. Auch wenn sie wirklich tief flogen.
Im vorletzten Ort vor unserem angepeilten Ziel rasteten wir noch einmal und ließen uns unsere Wasserflaschen füllen. Ich habe heute über 4 Liter Wasser getrunken und hatte das Gefühl, dass auch noch mehr gepasst hätte.
2 km vor dem Feierabend kamen wir passenderweise an der Meuse (Maas) vorbei, in dem gerade ein paar Kinder badeten. Einen Kiesstrand gab es auch. Dieser Einladung des Flusses folgten wir gern und badeten im kalten Wasser. Kleine Fische schwammen umher und kitzelten meine Beine. Die Erfrischung war so schön und nach unserem Schwitzen heute auch nötig.
So frisch gewaschen waren die letzten zwei Kilometer dann auch kein Problem mehr und wir schlafen hier am Ortsrand auf einer öffentlichen Wiese am Fluss. Ein Anwohner hat uns die Erlaubnis gegeben und hier haben wir sogar einen Tisch mit Bänken.
Als ich gerade Zähne putzte, kam das Kind der Nachbarn vorbei und fragte, ob wie etwas brauchen würden. Kein "was macht ihr hier?" oder "wer hat euch das erlaubt?". Nicht einmal die Frage, was wir hier machen (und nicht jeder erkennt den Pilger in uns). Die Franzosen sind wirklich nett!

Montag, 9. Juni 2014

Tag 26: Saizerais - Toul

Die Nacht war ganz schön doof.
Erst einmal war es total warm, so dass ich nicht schlafen konnte. Dann war im Nachbargarten gut und lange was los und die Kirchenglocken haben mindestens bis 1 Uhr geschlagen. Außerdem tat mein Knie weh. Wirklich erholt war ich um 6 Uhr also nicht. 
Aber es half nichts, wir mussten früh raus, um zeitig in Toul anzukommen. Wir wollen uns ja auch keinen Sonnenstich oder sonst etwas einfangen.

Als wir um 7 Uhr aufbrachen, war es schon wieder ganz schön warm und es dauerte nicht lang, da lief uns schon der erste Schweiß durchs Gesicht. Glücklicherweise liefen wir relativ lange durch einen Wald und es war etwas kühler als in der prallen Sonne. Die zweite Hälfte des Tages verbrachten wir jedoch wieder ohne Schatten. Bevor wir uns an die 10 km am Moselkanal machten, hielt ich meinen Kopf an einem Brunnen wieder ins Wasser und ließ meine Wasserflasche von einer Anwohnerin auffüllen. 
Die nächsten Kilometer über konnten wir nur dann eine Pause machen, wenn wir unter einer Brücke hindurchliefen, es gab sonst keinen Schatten und im Sonnenschein stehenbleiben hielten wir nicht lange aus (da fehlt der "Fahrtwind").
Als wir eine Schleuse passierten, war gerade ein Schiff reingefahren und wir schauten zu, wie es herabgelassen wurde. Die Besatzung war deutsch und Backbord wurde die Wartezeit genutzt, um die Autos zu waschen.

Wie kostbar Trinkwasser ist, merkte ich auf dieser Strecke deutlich.
Nachdem es mir auszugehen drohte, teilte ich es mir schon gut ein, aber als es leer war, wurde der Durst immer unerträglicher. Irgendwie ist das ja immer so - Hat man Wasser im Überfluss, trinkt man es nie leer und wenn es knapp wird, denkt man plötzlich, der Körper brauche dringend noch einen Liter extra.
Als wir in Toul an einem Haus vorbeikamen, vor dem einige Leute saßen, bat ich um Wasser und bekam eine gekühlte Flasche Wasser geschenkt. 

Wir liefen zum Dom und schauten ihn uns an. Von weiter weg sieht er wirklich komisch aus, als ob die Spitzen obendrauf fehlten, aber von vorn geht es dann.
Innen war es angenehm kühl, das empfanden auch zwei Tauben so und flatterten unter dem Dach umher.

In der Touristensinformation holten wir uns zwei Stempel. Einen für gestern und einen für heute. Wir haben heute unterwegs vergeblich nach einem Stempel gesucht. Es ist ja Pfingstmontag, alle Geschäfte sind geschlossen und es gab ohnehin nicht viel in den Dörfern.
Als wir nach Unterkünften fragten, nutzte die deutsche Angestellte die Gelegenheit, sich darüber auszulassen, dass ja so viele Pilger sich erst vor Ort um eine Unterkunft kümmern und sagte, dass wir den Machern unseres Führers mal sagen sollen, dass die in die Bücher schreiben, dass man sich da früher drum kümmern soll.
Nach der Schelte bekamen wir die Adresse eines Hotels, das sich als Hotel mit Selbst-check-in herausstellte. Das funktionierte aber nicht und um 18 Uhr würde erst jemand vorbeikommen. Also investierten wir knapp 8€ mehr und checkten gegenüber im Hotel für 50€ ein. Das ist nicht besonders günstig und das Zimmer war das Geld auch nicht wert.
Aber egal, wir haben bisher so wenig Geld ausgegeben (wir sind bei knapp unter 10€ pro Person und Tag mit Allem derzeit), dass wir auch mal mehr zahlen können. Trotzdem war es etwas schade, dass wir dafür nur ein kleines Zimmer mit klappriger Plastikdusche, einer nicht zu schließenden Badezimmertür (weil ein Bett im Weg steht und die Tür einklemmt) und ohne ein einziges Bild an der Wand bekamen.

Wir duschten (endlich!), wuschen unsere Kleidung und hingen sie an der selbstgespannten Wäscheleine im Zimmer auf. Danach lagen wir nur auf dem Bett und versuchten uns nicht so viel zu bewegen, um nicht so viel zu schwitzen. Um 17 Uhr wagten wir uns dann noch mal vor die Tür und merkten, dass es noch sehr heiß war. Um 18.20 Uhr zeigte die Anzeige an der Apotheke noch 37 Grad an. Uff.
Wir aßen und tranken noch etwas in einem Imbiss und duschten im Hotel noch einmal. Weil wir es können und weil wir es bezahlt haben.
Um das Internet zu nutzen, müssen wir immer 2-3 Treppen im Treppenhaus heruntergehen, aber das ist besser als nichts und im Treppenhaus ist es zudem relativ kühl.

Unseren Füßen geht es immer noch ganz gut. Ich habe noch eine Blase an der Ferse von dem Tag, als wir vergessen hatten, in der Pause die Schuhe auszuziehen und manchmal drückt und wächst sie. Aber es ist nicht so schlimm. Johannes hat dauerhaft kleine Blasen an den Zehen, aber die stören ihn auch nicht wirklich.
Und das Beste ist, dass dieser dauerhafte überall-Schmerz aus den Füßen fast komplett verschwunden ist.
Johannes hat sich vermutlich erkältet und wenn er mich ansteckt, muss er den Weg von Santiago aus zurücklaufen und Buße tun!

Leider sind die Sohlen meiner tollen Schuhe hinten außen schon recht weit abgelaufen und ich fürchte, dass sie in den nächsten Wochen durchgelaufen sind. Ich hoffe, sie halten länger als ich denke. Ich möchte nicht auf andere Schuhe umsteigen müssen, ich bin so glücklich mit ihnen und vor Allem ohne schlimme Blasen...

Heute haben wir die 500 km- Marke überschritten. Also nur noch ca. 2100 km.
Morgen können wir leider erst recht spät aufbrechen, weil wir noch einkaufen müssen und der erste Laden erst um 8 Uhr öffnet.
Laut Wetterbericht soll es morgen etwas weniger heiß werden, hoffen wir mal, dass das stimmt!