Heute Morgen bin ich allein zu den Felsen am Hippiebeach
geklettert, da meine Freunde ausschlafen bzw. nach Santiago fahren wollten. Dem
Pilger bietet sich dort eine prächtige Sicht auf schroffe Felsen und man kann fast sicher sein, allein zu sein, da
sich nicht viele Menschen hierher verirren dürften. Ich genoss die Stille und
die Geräusche der Wellen, die auf die Klippen schlagen.
Später habe ich den Berg bestiegen, der zwischen Hippiebeach
und Leuchtturm liegt. Der Weg bis nach oben ist nicht unbeschwerlich (zumindest
nicht, wenn man wie ich den falschen Weg nimmt und fast senkrecht bergauf klettern
muss), aber der Ausblick dort oben entbehrt für jeden ausgeschwitzten Tropfen.
Dort oben kann man auf große Steine klettern und eine herrliche Aussicht
genießen. Dort oben würde ich sofort eine Herberge eröffnen.
Am Nachmittag fuhren wir zurück
nach Santiago. Am Bus trafen wir Peter, den wir in der letzten Woche
kennengelernt haben und der eigentlich heute Morgen schon nach Santiago
gefahren ist. Dort angekommen hat er allerdings feststellen müssen, dass er
seinen Pilgerstab in der Herberge in Fisterra vergessen hatte und nach 3
Monaten Pilgerschaft wollte er natürlich nicht ohne dieses Andenken nach Hause
fliegen. Gemeinsam fuhren wir nach Santiago, wo wir am Bahnhof auf Micha trafen,
der geduldig auf seinen Zug wartete, der ihn aus der Stadt bringen sollte. Joni
und ich liefen zur Herberge, in der wir übernachten wollten und richteten uns
ein. Eine Freundin hatte uns Betten reserviert und wartete schon auf uns.
Später trafen wir bei der Stadtbesichtigung auf meinen lieben Pilgerfreund
Glowi und seinen Begleiter. Wir verabredeten uns für den Abend, bummelten durch
die Stadt und aßen etwas.
Der Abend mit Glowi wurde sehr lang und lustig, wir tranken
viel Alkohol, setzten uns noch später mit einer Flasche Wein (die Glowi mit
viel Aufwand aufgetrieben hat, weil wir Mädchen was süßes wollten) zur
Kathedrale und hatten viel Spaß zusammen. Da er am nächsten Tag früh rausmusste
verabschiedeten wir uns nach Mitternacht und wollten eigentlich zur Herberge
gehen. Als wir eine Pipipause einlegen mussten entdeckten wir eine Bar, in der
wir uns noch Bier und Tequila genehmigten und mit den Bewohnern der Pilgerstadt
ins Gespräch kamen. So wurde es dann doch sehr spät, als wir ins Bett fielen
und wurden am Morgen ziemlich unsanft von der Hospitalera geweckt, da wir
unsere Betten für die nächsten Pilger räumen mussten.
Glücklicherweise durften wir unsere Rucksäcke in der
Herberge lassen und uns auch noch im Vorraum mit Tischen und Sofas aufhalten.
Der Alkohol vom Abend schlug mir am Vormittag leider so auf den Magen, dass ich
mein Frühstück kaum runterbekam und die ersten Stunden etwas ungemütlich waren.
Wir gingen dennoch in die Stadt, da wir noch einiges besorgen wollten und liefen
in jeden Touriladen. Nachdem wir noch etwas gegessen hatten fanden wir uns in
der Herberge wieder und mussten wir immer noch ein paar Stunden Zeit
totschlagen, bis wir zum Flughafen aufbrechen konnten.
Nun hatten wir die Idee, bei Instagram zu gucken, ob jemand,
den wir kennen, sich dort mit dem Hashtag #santiagodecompostela oder
#caminodesantiago verewigt hatte. Doch der erste Beitrag war von einer Dame,
die im Primark im Ort shoppen war. Wir recherchierten schnell und entdeckten,
dass der Laden nicht weit weg war und
liefen hin. Es war so heiß draußen, dass wir uns dort nicht mehr
aufhalten wollten und bis zur Abfahrt zum Flughafen dauerte es noch. Egal, was
man von Primark hält, zum Zeitvertreib ist es gut.
Als es endlich Zeit für die Abreise war wanderten wir zum
Busbahnhof und fuhren zum Flughafen, wo wir, wie manch anderer Pilger, der nur
mit Handgepäck flog, die Rucksäcke umpackten und ausmisteten, bis er problemlos
in das Testfach passte.
Der Flug und die Fahrt mit dem Shuttlebus nach Frankfurt waren
entspannt, aber als wir gegen Mitternacht Frankfurter Hauptbahnhof ankamen
mussten wir noch über 4 Stunden überbrücken, bis unser ICE um 5 Uhr abfuhr. Wir
hatten vorher schon überlegt, es bei der Bahnhofsmission zu versuchen und
hatten Glück. Zuerst waren die beiden älteren diensthabenden Damen etwas
mürrisch, aber sie ließen und hinein und wir legten unsere Schlafsäcke auf den
Boden und versuchten auf dem kalten und harten Boden etwas Schlaf zu finden.
Durch die vielen Flüchtlinge, die gerade in Deutschland
ankommen und haufenweise über Nacht wieder weggeschickt werden herrschte reger
Betrieb in der Bahnhofsmission und wir hörten einige Geschichten von Menschen,
die nachts mit einem Ticket zum Bahnhof geschickt werden und in eine fremde
Stadt zu einem Amt fahren müssen,
teilweise zu Zeiten, die sie nicht einhalten können. Als wir gerade am Dösen
waren klingelte es erneut an der Tür und ein Mann, der nur französisch sprach
überforderte die Helferinnen. Zuerst war ich unschlüssig, ob ich mich melden
sollte, zeigte ich somit ja, dass ich zugehört hatte. Andererseits standen sie
keine 2 Meter von uns entfernt und sprachen so laut, dass wir ja gar nicht
umhinkamen zu hören, was gesprochen wurde. Nachdem ich für den Mann alles
übersetzt hatte waren diese richtig glücklich über unsere Anwesenheit und wie
ausgewechselt.
Um 4.45 Uhr machten wir uns auf zu unserem Zug und sicherten
uns in dem glücklicherweise fast leeren ICE ein „Harry Potter- Abteil“ (diese
6er- Kabinen mit Schiebetür). Dort zogen wir unsere Schuhe aus, packten die
Schlafsäcke aus und legten uns hin, nachdem wir uns selbst über unseren Geruch
geekelt haben. Immerhin waren wir seit über 20 Stunden auf den Beinen, haben
den Tag zuvor geschwitzt und hatten fast dauerhaft die Schuhe an. Wir waren uns
sicher, dass sich niemand zu uns gesellen würde, immerhin hatten wir ja auch
jede 3 Sitze besetzt und die Rucksäcke lagen quer im Abteil.
Doch wir hatten uns getäuscht. Nach weniger als zwei Stunden
Fahrt weckte mich ein Herr im Anzug, der darauf bestand, hier im Abteil Platz
nehmen zu müssen. Ich gähnte, streckte mich, klärte ihn darüber auf, dass wir
gerade vom Jakobsweg kommen und man dass wir uns aufgrund unseres Geruches ein
kleines Abteil genommen haben. Er nahm tapfer am Ende meines Schlafsacks Platz,
erklärte dass er hier einen Sitz reserviert hatte, bemerkte „einen leichten
Fußgeruch nehme ich schon wahr“ und packte seine Pumpernickel mit Salat, eine
Bio- Fruchtbuttermilch aus und versuchte gute Miene zum bösen Geruch zu machen.
Es ist mir ein Rätsel, warum er sich in dem leeren Zug nicht einen anderen
Platz gesucht hat.
Als der Fahrkartenkontrolleur kam und schnell das Weite
suchen wollte, schob er die Abteiltür zu und unser Beifahrer im rosa Hemd hielt
die Hand dazwischen, lächelte gequält und sagte „Lassen sie die Tür ruhig ein
bisschen auf, wegen des Durchzugs…“ Tapferes Kerlchen. Zwei Stunden später
bekam unser Kämpfer eine Mitstreiterin, da eine junge Frau die Tür öffnete und erklärte,
hier ebenso einen Platz reserviert zu haben (an der Tür war nichts angezeigt,
sonst hätten wir uns ein anderes Abteil gesucht). Diese Frau machte die gesamte
Fahrt über ein Pokerface und ließ sich nicht anmerken, was sie von unserem Eau
de Gestank hielt. Joni und ich amüsierten uns darüber und machten ein paar
Witze, da wir durch unsere Mitfahrer ja nun auch nicht mehr schlafen konnten.
Als wir endlich in Hamburg ankamen trennten sich unsere
Wege, wir fuhren nach Hause und fielen (natürlich nachdem wir unsere Haustiere
begrüßt hatten) erst einmal ins Bett.